Studien zeigen: Weltweit gibt es genügend kritische Mineralien für die Energiewende – doch sie müssen zugänglich gemacht und für die Industrie aufbereitet werden. Neue Bergbauprojekte brauchen jedoch viele Jahre bis zur Umsetzung und scheitern oftmals am Widerstand der Bevölkerung wegen Umweltbedenken.
In den kommenden Jahrzehnten wollen zahlreiche Länder rund um den Globus den Ausstoß von Treibhausgasen stark reduzieren, um ihre jeweiligen Klimaziele zu erreichen. Mit wachsenden Investitionen in grüne Energie wächst auch der Rohstoffbedarf. Seltenerdmetalle wie Neodym und Praseodym etwa werden für Elektrofahrzeuge und Windkraftanlagen benötigt, Lithium und Kobalt für die Batterieproduktion. Metalle wie Silizium und Indium wiederum kommen in Solarzellen zum Einsatz. Beim Abbau und der Verarbeitung vieler dieser Materialien ist China führend auf dem Weltmarkt – angesichts wachsender geopolitischer Spannungen wollen die USA, die EU und andere westliche Staaten ihre Importabhängigkeiten jedoch reduzieren.
Längst ist das Thema Rohstoffsicherung daher auf die politische Agenda gerückt. Ganze Industrien fordern eine bessere Versorgung mit kritischen Mineralien, um die Energiewende bewältigen zu können. Wegen des erwarteten Nachfrageanstiegs prognostizieren Studien wie die der KU Leuven in Belgien bereits in den nächsten Jahren Versorgungsengpässe. Im Vergleich zum heutigen Verbrauch werde Europa 35-mal mehr Lithium benötigen, um sein Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, und sieben- bis 26-mal mehr Seltenerdmetalle. Das Marktforschungsinstitut Adamas Intelligence hat bis 2035 einen jährlichen Anstieg des weltweiten Bedarfs nach Neodym-Eisen-Bor-Magneten um 8,6 Prozent errechnet, gestützt durch zweistellige Zuwächse in den Sektoren Elektrofahrzeuge und Windenergie.
Viele geologische Rohstoffvorkommen noch ungenutzt
Häufig entsteht auf diese Weise der Eindruck, es gebe nicht genügend Rohstoffreserven für den Kampf gegen den Klimawandel. Dabei mangelt es nicht an ausreichenden Vorkommen – das Problem liegt vielmehr in ihrer Verfügbarkeit.
Die Schätzungen des US Geological Survey (PDF) gehen aktuell von 130 Millionen Tonnen globaler Seltenerdreserven aus, einige der größten Vorkommen sind bergbaulich noch kaum erschlossen, vor allem in Vietnam, Brasilien und Russland. So kommt auch eine aktuell in den Medien vielzitierte Studie des Breakthrough Institute, einem US-Umweltforschungszentrum, zu dem Ergebnis, dass genügend geologische Reserven für den Umstieg auf Erneuerbare Energien und zur Begrenzung der globalen Erwärmung vorhanden sind. Nicht berücksichtigt wurde dabei der Bedarf für Technologien zur Energiespeicherung wie Batterien. Allerdings müsste die Bergbauproduktion erheblich gesteigert werden – namentlich bei Dysprosium, Neodym, Polysilizium und Tellur – um mit der rasant wachsenden Nachfrage für die künftige grüne Stromerzeugung und -nutzung Schritt zu halten.
Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt ein Bericht des Energy Futures Lab und des UK Energy Research Centre. Demnach seien Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Tellur und Kupfer in beträchtlichen Mengen vorhanden – Schwierigkeiten bei Zugang, Verarbeitung oder Recycling könnten dennoch die Emissionsziele gefährden. Die globale Energiewende schreite schneller voran als die Zahl der Bergbauprojekte zur Gewinnung der nötigen Metalle, heißt es auch in der eingangs zitierten Studie der KU Leuven. Zwar könnte Europa seinen Rohstoffbedarf ab 2040 zum großen Teil durch Recycling decken – entsprechende Investitionen vorausgesetzt – doch bis dahin würden steigende Mengen an Primärrohstoffen benötigt.
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Umweltbedenken und Bürokratie größte Hindernisse für Bergbauprojekte
Oftmals stehen Umweltbedenken und massiver Widerstand der Anwohner entsprechenden Vorhaben im Weg. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der jahrhundertelangen Bergbautradition in vielen europäischen Regionen gibt es dort bislang keine einzige Seltenerdmine, obwohl Vorkommen dieser und anderer kritischer Mineralien nachgewiesen sind. Wie wir berichteten, liegen etwa Projekte im spanischen Matamulas und im schwedischen Norra Kärr seit Jahren auf Eis.
Doch auch unabhängig davon brauchen neue Bergwerke eine lange Vorlaufzeit, da die verschiedenen Phasen wie Exploration und Planungs- und Genehmigungsverfahren erfahrungsgemäß viele Jahre in Anspruch nehmen. So wird auch mit zehn bis 15 Jahren bis zum möglichen Start des kommerziellen Abbaus im nordschwedischen Kiruna gerechnet, wo kürzlich die Meldung eines riesigen Seltenerdfunds für weltweite Schlagzeilen sorgte. Zu diesen ohnehin großen Herausforderungen des Bergbausektors kommt ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften (wir berichteten).
Ob und wie schnell das wachsende Bewusstsein für die mit der Energiewende einhergehende Rohstoffproblematik zu einem Umdenken führt, ist noch nicht abzusehen. Kürzlich sprach sich etwa Schwedens Wirtschafts- und Energieministerin Ebba Busch für eine verstärkte Nutzung heimischer Bodenschätze aus, möglichen Umweltbedenken zum Trotz, um die Rohstoffunabhängigkeit der EU zu stärken. Auch in einem neuen Eckpunktepapier (PDF) des Bundeswirtschaftsministeriums wird neben mehr Recycling, Lagerhaltung und neuen Handelspartnerschaften heimischer Bergbau als Rohstoffquelle erwähnt. Er sei Importen vorzuziehen, „wenn er zu besseren ökologischen und sozialen Standards führt und die Resilienz von Lieferketten stärkt“. Dazu will die Bundesregierung unter anderem das Bergrecht modernisieren.
Verantwortungsvoller Bergbau
Andere Staaten sind da schon weiter, Kanadas Regierung beispielsweise arbeitet an deutlich kürzeren Genehmigungsverfahren für neue Bergwerke (wir berichteten). Das an Bodenschätzen reiche Australien investiert seit Jahren in seine Industrie für kritische Mineralien und etabliert sich als Rohstoffalternative zu China. Widerstand von Umweltschützern und Anwohnern ist allerdings auch hier nicht unbekannt. In Kanadas neuer Rohstoffstrategie (PDF) etwa nehmen der Schutz und Erhalt der Umwelt sowie die Rechte der indigenen Bevölkerung daher einen großen Stellenwert ein.
Einen neuen Denkanschub könnte hier indes eine weitere Erkenntnis der Studie des Breakthrough Institute bieten. Denn auch wenn die Umweltauswirkungen durch die Rohstoffproduktion, die zur Umstellung auf eine saubere Stromerzeugung nötig wären, nicht zu vernachlässigen seien, schätzen die Autoren zumindest den Effekt auf das Klima als „marginal“ ein. Mehr Bergbau würde zwar die CO2-Verschmutzung erhöhen, so Autor Zeke Hausfather gegenüber ABC News, doch die deutlich verringerte Nutzung fossiler Brennstoffe, ermöglicht durch den Abbau der Rohstoffressourcen, würde diese Emissionen wieder „mehr als ausgleichen“.
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