Das Erbe der Kohle: Eine Aufgabe für die Ewigkeit

von | 17. Okt 2022 - 10:11 | Wirtschaft

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist beschlossene Sache, doch die Relikte der Förderung bleiben Deutschland noch lange erhalten.

Am 21. Dezember 2018 wurde mit der Schließung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop die Steinkohlenförderung in Deutschland eingestellt. Über mehrere Jahrhunderte hat der Bergbau das Ruhrgebiet geprägt und die Landschaft nachhaltig verändert. Bescherte er der Region lange Wohlstand, so ist der mit seinem Ende eingeläutete Strukturwandel eine große Herausforderung. Das gilt auch für die Hinterlassenschaften, die sich an vielen Stellen zeigen, denn die seit der industriellen Revolution stark angestiegene Materialentnahme von Gestein und Kohle hat zu einem Absacken des Gebietes geführt. Bereits aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sind derartige Bergsenkungen und ihre negativen Auswirkungen bekannt. Heute liegt das Ruhrgebiet stellenweise bis zu 25 Metern tiefer und immer wieder treten Bergschäden an Gebäuden oder Straßen als Folge der unterirdischen Aktivitäten auf.

Noch größeres Ungemach würde dem Ruhrgebiet drohen, wenn kein umfangreiches Wassermanagement betrieben würde. So wurde das Flussbett der Emscher mehrfach angehoben und eingedeicht, andernfalls würde sie rückwärts fließen und die Landschaft überfluten. Andere Bäche und Flüsse müssen durch den Einsatz von Pumpen in Zaum gehalten werden. Ohne diese Maßnahmen, zu denen auch das Abpumpen des stellenweise an die Oberfläche tretenden Grundwassers gehört, würde sich das Ruhrgebiet zu einer Seenplatte entwickeln.

Gleichzeitig muss verhindert werden, dass sich das Grundwasser mit dem in die alten Stollen und Schächte eingedrungenen Wasser vermischt, denn letzteres ist salzig und mit Schadstoffen wie etwa Flammschutzmitteln verunreinigt, mit denen die Maschinen unter Tage früher behandelt wurden. Auch dieses Grubenwasser muss also abgepumpt werden, um die Trinkwasserversorgung in der Region nicht zu gefährden.  

Zollverein

Vom Eiffelturm des Ruhrgebietes zum UNCESCO-Welterbe: Die Zeche Zollverein in Essen.

Photo: iStock/sparhawk4242

Ewig laufen die Pumpen

So unterschiedlich die Auswirkungen des Bergbaus und die Lösungsansätze sind, eines haben sie gemeinsam: sie kosten Geld. Auf 220 Millionen Euro wurde der finanzielle Bedarf pro Jahr anfänglich geschätzt. Im vergangenen Jahr waren es 264 Millionen, wie im Juni bekanntgegeben wurde. Allein der Betrieb der über 200 Pumpen verschlingt jedes Jahr einen mittleren zweistelligen Millionenbeitrag. Die Aufwendungen für die Abwicklung der Kohleindustrie werden auch als Ewigkeitsaufgaben bezeichnet, durchaus passend, denn die Pumpen müssen dauerhaft laufen. Mit der Finanzierung der Kosten im Revier ist die 2007 gegründeten RAG-Stiftung betraut, die sich daneben auch der Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur verschrieben hat.

Aus Gruben werden Seen

Was für die Steinkohle gilt, gilt auch bei der Braunkohle. Für ihren Abbau wurden nach Angaben des BUND seit dem Zweiten Weltkrieg hierzulande mehr als 120.000 Menschen umgesiedelt. Ganze Ortschaften fielen den bis zu 96 Meter hohen Braunkohlebaggern zum Opfer.

Braunkohle wird überwiegend im Tagebau gefördert, die Vorkommen befinden sich in der Regel unter dem Grundwasserspiegel. Dies führt zu zwei Problemen: Zum einen müssen große Mengen Abraum entfernt werden, zum anderen gilt es, das Volllaufen des Tagebaus durch das eintretende Grundwasser zur verhindern. Dazu wird der Grundwasserspiegel abgesenkt, mit dramatischen Folgen für die Natur und umliegende Siedlungen.

Viele Siedlungen sind dem Braunkohleabbau gewichen. Zurück bleibt zunächst eine Mondlandschaft.

Photo: iStock/Frank Kuschmierz

Braunkohle wird in Deutschland nach wie vor gefördert, vor allem in Nordrhein-Westfalen und der Lausitz. Mit dem im Juli 2020 per Gesetz beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 ist das Ende jedoch absehbar. Umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen werden dann erforderlich sein.

Viele der ehemaligen Gruben könnten nach dem Ende des Abbaus künstlich geflutet werden, es entstünden sogenannte Bergbaufolgelandschaften, wie das Neuseenland in Leipzig. Insgesamt könnte Deutschland über 500 neue Seen durch das Ende des Braunkohlebergbaus hinzugewinnen, so das Umweltbundesamt (PDF). Diese Gewässer sind aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung aber erst nach einigen Jahren und permanenten Eingriffen durch den Menschen für Flora und Fauna nutzbar. Mit der regelmäßigen Kalkung soll ihr PH-Wert auf ein günstiges Maß gebracht werden. Ob dies letztlich erfolgreich ist, zeigt sich erst im Langzeitexperiment.

Bergbau nach dem Bergbau

Das Erbe der Kohle wird Deutschland also noch lange begleiten. Doch es gibt Hoffnung, denn auch nachdem der fossile Energieträger der Erde entrissen wurde, finden sich in den Bergwerken und anderen Überbleibseln des Bergbaus noch wertvolle Rohstoffe, so etwa Lithium, Seltene Erden oder Germanium. Im Gegensatz zur Kohle stehen sie aber für Zukunftstechnologien, wie die Elektromobilität, Erneuerbare Energien oder Glasfaserleitungen. Der steigende Bedarf und die Konzentration der Förderung auf nur wenige Länder rückt alternative Quellen für diese kritischen Minerale zunehmend in den Fokus. Verschiedene Forschungsprojekte etwa an der TU Bergakademie Freiberg oder der Technische Hochschule Bochum prüfen, wie die wirtschaftliche Förderung gestaltet werden kann. Auch in den USA gibt es ähnliche Projekte.

Beitragsphoto: iStock/Nachteule

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