Seltene Erden: Wie die USA unabhängiger von China werden wollen

von | 22. Jun 2022 - 09:46 | Markt, Politik

Bei der Versorgung mit Rohstoffen wie Seltenen Erden sind die Vereinigten Staaten stark auf China angewiesen. Das soll sich ändern – durch heimische Produktion und diversifizierte Lieferketten, aber auch durch neue Gesetze.

Kritische Rohstoffe wie Seltene Erden und strategische Metalle sind aus den meisten modernen Technologien nicht wegzudenken. Die Seltenerdmetalle Neodym und Praseodym etwa werden für Elektroautos, Windkraftanlagen, Smartphones und Laptops, aber auch für Militärtechnik benötigt. Bei der Versorgung mit diesen Rohstoffen sind die USA stark vom Weltmarktführer China abhängig: Nach Angaben des US Geological Survey (PDF) stammten 78 Prozent aller Seltenerd-Importe zwischen 2017 und 2020 aus der Volksrepublik. Angesichts anhaltender geopolitischer Spannungen streben die USA danach, neue Bezugsquellen zu erschließen. Die gesamte Wertschöpfungskette vom Bergbau über die Aufbereitung bis zum Recycling soll stabilisiert werden.

„Amerikas Fülle an natürlichen Ressourcen“ [Übersetzung Rohstoff.net] könnte helfen, die Abhängigkeit zu reduzieren, sagt US-Senator Joe Manchin (Demokraten). Gemeinsam mit Joni Ernst (Republikaner), die wie er Mitglied im Senatsausschuss für Streitkräfte ist, brachte Manchin den überparteilichen Gesetzesentwurf Homeland Acceleration of Recovering Deposits and Renewing Onshore Critical Keystones (HARD ROCK) Act ein. Ziel ist die Stärkung des National Defense Stockpile (NDS), ein vom Verteidigungsministerium bereitgehaltener Vorrat an strategischen Materialien. Dieser dient dazu, Verteidigungsunternehmen und wichtige zivile Produzenten in Kriegszeiten oder nationalen Notfällen sofort mit den benötigten Rohstoffen zu versorgen. Durch die starke Importabhängigkeit bei vielen kritischen Mineralien seien die USA nicht ausreichend dafür gerüstet, heißt es in Manchins Mitteilung.

Der HARD ROCK Act ist der jüngste in einer Reihe von Gesetzesentwürfen und Maßnahmen zur Rohstoffsicherung. Im April wurde derObtaining National and Secure Homeland Operations for Rare Earth (ONSHORE) Manufacturing Act vorgestellt, der die Seltenerd-Produktion in den USA fördern soll. Geplant ist auch, ab 2026 keine chinesischen Seltenerdmetalle mehr in Waffensystemen des US-Verteidigungsministeriums einzusetzen (wir berichteten). Angesichts stockender globaler Lieferketten reaktivierte Präsident Joe Biden zudem mehrfach den Defense Production Act, ein Gesetz aus der Zeit des Kalten Krieges. Damit können Unternehmen verpflichtet werden, Aufträge anzunehmen und zu priorisieren, die als notwendig für die nationale Verteidigung erachtet werden. Im März wurde der Defense Production Act zur Sicherstellung von Mineralien für die E-Auto-Produktion, wie Lithium und Kobalt, eingesetzt. Aktuell möchte Biden auf diesem Wege die heimische Produktion von Komponenten für Solarpaneele und andere grüne Energietechnologien erhöhen. Auch bei der Herstellung von Photovoltaikmodulen dominiert China den weltweiten Markt. Bidens Regierung bewilligte kürzlich zudem Fördermittel, für die  Kartierung von Vorkommen kritischer Rohstoffe in zahlreichen US-Bundesstaaten.

Seltene Erden: Bald auch Made in USA

Eine wichtige Rolle beim Aufbau einer eigenständigen Wertschöpfungskette für Seltene Erden spielt das US-Bergbauunternehmen MP Materials. Es betreibt nicht nur die derzeit einzige US-amerikanische Seltenerdmine Mountain Pass, sondern baut auch eine Fabrik, in der die Rohstoffe zu Seltenerdmetallen, -legierungen sowie Permanentmagneten für Elektromotoren weiterverarbeitet werden sollen. Mit dem US-Autoproduzenten General Motors besteht bereits eine Liefervereinbarung. MP Materials wird vom Verteidigungsministerium gefördert, ebenso wie der australische Bergbaukonzern Lynas, der in Texas zwei Anlagen zur Trennung Schwerer bzw. Leichter Seltener Erden plant. Bislang gibt es keine Aufbereitungsanlagen für die kritischen Rohstoffe in den USA, die Weiterverarbeitung erfolgt deshalb überwiegend in Asien.

Mountain Pass California

Mountain Pass California. Photo: Imago/xBarryxSweetx

Neben der Primärproduktion profitieren auch manche Projekte zum Rohstoffrecycling von staatlichen Zuschüssen. Nach Angaben des US-Energieministeriums eignen sich die Hinterlassenschaften der Kohleindustrie besonders gut zur Rückgewinnung von Seltenen Erden (wir berichteten). Mit 140 Millionen US-Dollar soll der Bau einer entsprechenden Anlage gefördert werden. Als Standorte kommen etwa die Appalachenregion, North Dakota oder Wyoming in Frage – Regionen mit vielen stillgelegten Bergwerken, in denen der „Sekundärbergbau“ wieder einen gewissen Aufschwung mit sich bringen könnte. In Wyoming gibt es bereits eine ähnliche Einrichtung: Kürzlich wurde auf einem ehemaligen Bergwerksgelände in Gillette das Wyoming Innovation Center eröffnet, wie Mining.com berichtet. Dort sollen Verfahren entwickelt werden, um aus Kohle und ihren Rückständen Seltene Erden zu gewinnen, aber auch Produkte wie Asphalt oder Graphen herzustellen.

Die Wichtigkeit einer unabhängigeren Versorgung mit kritischen Rohstoffen betonte kürzlich auch US-Finanzministerin Janet Yellen, schreibt Bloomberg. Sie sei jedoch nicht für eine alleinige Produktion in den USA, sondern sprach sich für eine stärkere Zusammenarbeit mit Partnern wie Kanada aus, die „in Bezug auf den internationalen Handel und das Verhalten in der Weltwirtschaft gemeinsame Werte vertreten“ [Übersetzung Rohstoff.net].

Lesen Sie mehr: Während das Thema Rohstoffversorgung in den USA auf höchster Ebene angekommen ist, besteht in anderen Staaten noch Nachholbedarf. Die deutsche Rohstoffpolitik etwa wird in einem aktuellen Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik als nicht mehr zeitgemäß kritisiert.

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