Kritische Rohstoffe: Ein Blick nach Frankreich

von | 30. Okt 2022 - 12:57 | Wirtschaft

Nachdem die sichere Rohstoffversorgung für Zukunftstechnologien wie Halbleiter, Erneuerbare Energien oder Elektromobilität auch in der europäischen Politik als eine der drängenden Herausforderungen angekommen ist, stellt sich die Frage, warum nicht schon früher gehandelt wurde. Die asiatische, vor allem chinesische, Dominanz auf dem Markt für strategische Rohstoffe hatte sich schließlich bereits Ende der 1990er Jahre abgezeichnet. Fast könnte der Eindruck entstehen, es habe sich seitdem wenig getan. Dass dies nicht so ist, zeigt ein Blick ins Nachbarland Frankreich.

So fand die Ankündigung des in Paris ansässige Rohstoffkonzern Imerys, groß in den Abbau von Lithium in Europa einsteigen zu wollen, international ein breites Medienecho. In Zentralfrankreich, im Departement Allier, wo Imerys bisher Kaolin für die Keramikproduktion abbaut, wurden Vorkommen des Batteriemetalls gefunden. 34.000 Tonnen des Rohstoffs könnten ab 2028 jährlich produziert werden, so das Ziel des Konzerns. Das würde ausreichen, um 700.000 E-Autos im Jahr auszurüsten. Lithium findet sich auch in anderen Regionen des Landes, wie etwa in der Bretagne oder im Elsass, wo der Bau einer Aufbereitungsanlage geplant ist. Anders als bei Imerys soll hier jedoch Lithium aus Argentinien verarbeiten werden.

Die Batterie nimmt in E-Autos viel Platz ein und ist die teuerste Komponente. (Photo: iStock/Chesky_W)

Lange Tradition im Rohstoffrecycling

Auch was andere Komponenten für die Elektromobilität angeht, sind aus Frankreich positive Nachrichten zu vermelden. In La Rochelle, im Westen des Landes, plant der belgische Konzern Solvay den Ausbau seiner Raffinerie für Seltene Erden, um künftig auch das als Ausgangsmaterial für Permanentmagneten produzieren zu können. Diese sind  zentrale Komponenten der Motoren von emissionsfreien Fahrzeugen. Etwa 98 Prozent dieser Magneten in der EU stammen derzeit aus China.

Solvay kann sich bei seinem Vorhaben auf langjähriges Knowhow stützen, denn mit der 2011 erfolgten Übernahme des Konzerns Rhodia ging auch dessen international tätige Sparte Rare Earth Systems, die auch im Bereich des Recyclings Seltener Erden aktiv war, in den Besitz des Unternehmens über. Ein Weg, den Solvay seither weiter beschreitet.

Recycling von Rohstoffen wird wichtiger

Bereits vor der Seltenerdkrise 2011, als den Industrienationen der Welt ihre starke Abhängigkeit von China eindrücklich vor Augen geführt wurde und die Preise auf ein historisches Hoch stiegen, gab es Bemühungen zur Wiedergewinnung dieser wichtigen Rohstoffe. Zehn Jahre später wird jedoch weniger als ein Prozent der Seltenen Erden in Europa recycelt, wie die European Raw Material Alliance (ERMA) in einem Report (PDF) zur Versorgungslage bei kritischen Rohstoffen in der Automobilindustrie schrieb. Dies dürfte auch daran liegen, dass sich das Preisniveau nach der Krise wieder entspannt hat und den teuren Prozess des Recyclings unwirtschaftlich erscheinen ließ.

Mit dem rapiden Ausbau der Elektromobilität, aber auch der Windenergie – ebenfalls ein wichtiges Anwendungsgebiet für die Magneten – und  erneut steigenden Rohstoffkosten gewinnen diese Projekte nun wieder an Dringlichkeit. So möchte das junge Unternehmen Carester aus Lyon in die Wiederverwertung von Permanentmagneten einsteigen und plant den Bau einer entsprechenden Anlage. Der französische Staat fördert den Bau mit 15 Millionen Euro.

Das Auto als Rohstoffquelle

Noch einen Schritt weiter geht Frankreichs größter Autohersteller Renault. Mit der Ende Oktober gegründeten Unternehmenstochter The Future is Neutral erhebt das Unternehmen das Automobil zur Rohstoffquelle, wie es in der dazugehörigen Pressemitteilung hieß. Zusammen mit Renaults Partnernetzwerk würden technische und industrielle Lösungen für die Kreislaufwirtschaft entwickelt. Angestrebt sei dabei unter anderem eine Führungsrolle beim Recycling von Batterien. Diese enthalten die bedeutenden Rohstoffe Nickel, Mangan, Kobalt und eben Lithium. Bei letzterem setzt Renault auch auf die Förderung im europäischen Ausland. Mit der deutschen Tochter des australischen Konzerns Vulcan Energy wurden dafür bereits zwei Verträge zur Belieferung mit dem Batteriemetall geschlossen. Gewonnen werden soll der Rohstoff aus Thermalwasser im Oberrheingraben. Noch wird an dem Pilotprojekt gearbeitet, doch es hat neben Renault auch den Opel-Mutterkonzern Stellantis überzeugt.

Ohne Zweifel: Um Europas Rohstoffversorgung auf eine breitere Basis zu stellen, sind vielfältige und bisweilen auch ungewöhnliche Ansätze notwendig. Die Anfänge wurden bereits gemacht. Dass sich auch die politischen Entscheidungsträger das Thema auf die Fahne geschrieben haben, ist ein wichtiges Signal. Welche Herausforderungen der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für kritische Rohstoffe noch mit sich bringt, erläuterte Jürgen Gassmann, Leiter Magnetwerkstoffe der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS, im vergangenen Oktober im Interview mit Rohstoff.net.

Beitragsbild: iStock/MasterLu

Ab Frühjahr: Unser Rohstoff-Newsletter

Jetzt schon anmelden und auf dem Laufenden bleiben!

Rohstoff.net Newsletter
Jetzt anmelden und auf dem Laufenden bleiben!

Für den Versand unserer Newsletter nutzen wir rapidmail. Mit Ihrer Anmeldung stimmen Sie zu, dass die eingegebenen Daten an rapidmail übermittelt werden. Beachten Sie bitte auch die AGB und Datenschutzbestimmungen.