Was kann man jetzt kaufen? Das ist die wohl häufigste Frage, die sich Kapitalanleger stellen. Mal erwarten sie Antwort von einem Profi, mal versuchen sie selbst Chancen und Risiken von Aktien zu ergründen. Viele Privatanleger vernachlässigen dabei, ihre ganz persönliche Philosophie zu definieren und danach zu handeln. Denn den typischen oder durchschnittlichen Anleger gibt es nicht.
Interessant ist deshalb eine von Morningstar vorgelegte Untersuchung über die internationalen Unterschiede von Anlegertypen. Die erste Studie der Analyse- und Ratinggesellschaft zur Portfoliokonstruktion in 14 Märkten weltweit bestätigt, dass es so etwas wie einen Durchschnittsanleger nicht gibt. Vielmehr fällen Anleger ihre Investment-Entscheidungen nach lokalen Gepflogenheiten und Kultur, aber auch gemäß den regulatorischen Bestimmungen und Praktiken der Altersvorsorge. Die Anleger in Deutschland sind in der Regel vergleichsweise risikoscheu. Anleger weltweit? Vielmehr unterscheidet sich das übliche Anlageverhalten je nach Markt und Region erheblich – nicht nur in Bezug auf die Risikobereitschaft der Anleger, sondern auch in Bezug auf die Wahl der Anlageprodukte, Home Bias oder Bedeutung von Nachhaltigkeit.
Der Home Bias ist weltweit verbreitet
Allerdings: einen gewissen Home Bias, also eine starke Ausrichtung auf den Heimatmarkt, ist in allen Ländern verbreitet. Zusätzlich zu den traditionellen Ursachen wie Vertrautheit, Zugangsmöglichkeiten und Vermeidung von Währungsrisiken gibt es oft weitere Gründe, wie etwa die Größe der heimischen Aktien- und Anleihemärkte, mögliche Kapitalverkehrskontrollen und Steuern zeigt sich, dass Anleger risikobereiter sind, wenn sie schon früh im Leben zu investieren beginnen. Deutlich wird das vor allem in Märkten, in denen eine beitragsorientierte Altersvorsorge vorherrscht. Dies trifft insbesondere auf Märkte wie Australien, Neuseeland, das Vereinigten Königreich und die USA zu.
Private Altersvorsorge gewinnt an Bedeutung
Im Gegensatz dazu sind die Anleger in Ländern mit leistungsorientierten Altersvorsorgesystemen („Defined Benefit“), einer allgemeinen Gesundheitsversorgung und einem umfassenden Sozialversicherungsnetz meist konservativer und gehen ein geringeres Aktienmarktrisiko ein. Dazu gehören Länder wie Deutschland, Frankreich und Japan. Allerdings gibt es in diesen Ländern auch ein wachsendes Bewusstsein für die Anfälligkeit der öffentlichen Finanzen und Rentensysteme. Die private Altersvorsorge gewinnt dadurch an Stellenwert.
Unterschiedliche Rolle der Investmentfonds
Der Trend zu beitragsorientierten Rentenkonten hat sich auch auf die Beliebtheit der Anlagemöglichkeiten ausgewirkt und dazu geführt, dass Investmentfonds zum dominierenden Anlageinstrument geworden sind. Doch zeigt die Studie auch, dass es viele andere Märkte gibt, in denen Investmentfonds nur die zweite Geige spielen. In Asien etwa sind direkte Aktien beliebt, gefolgt von einer Vielzahl von Produkten. Einige Beispiele: Anleger in Hongkong setzen häufig auf Devisen, während japanische Portfolios Annuitäten enthalten und indische Anleger eher auf festverzinsliche Anlagen als auf Fonds setzen. In Europa indes finden sich in den Portfolios häufig verschiedene Arten von Bargeld und festverzinslichen Anlagen sowie Versicherungsprodukte.
Besondere Bedeutung der Immobilien
Immobilien spielen weltweit eine wichtige Rolle bei den persönlichen Finanzen. Sie machen in der Regel den größten Teil des Vermögens an nichtfinanziellen Vermögenswerten aus und sind der Hauptgrund dafür, dass Anleger hohe Schulden aufnehmen, insbesondere in hoch verschuldeten Märkten wie Australien, Kanada, China, Hongkong und Neuseeland. Europäische Anleger ziehen es vor, ihr Vermögen durch Immobilien aufzubauen statt am Finanzmarkt. Und in Indien sind nichtfinanzielle Anlagen wie Immobilien und Gold – oft in physischer Form – beliebter als Aktien und Fonds.
Das Thema Nachhaltigkeit spielt vor allem in Europa eine große Rolle, die Region Asien-Pazifik hängt indes hinterher. Für die Studie hat Morningstar die Statistiken für 14 wichtige Vermögensmärkte durchforstet, die alle wichtigen Regionen sowie die beiden größten Schwellenländer China und Indien repräsentieren.
Deutsche Anleger sind eher risikoscheu
„Anleger in Deutschland sind in der Regel risikoavers und bevorzugen risikoarme Instrumente wie Festgeld- und Sparkonten sowie Versicherungsprodukte. Weniger als 20% der Anleger besitzen Investmentfonds oder Aktien“, sagt Natalia Wolfstetter, Director of Manager Research.
Anleger, die in Fonds investiert sind, sind aber in der Regel durchaus risikobereit, wobei die Fondsallokationen auf risikoreichere Vermögenswerte wie Aktien ausgerichtet sind. Oft wählen die Anleger den Weg über steuerbegünstigte Produkte, zu denen etwa Versicherungen oder betriebliche Altersversorgungssysteme gehören.
Bemerkenswert: Trotz der steuerlichen Vergünstigungen sind diese Konstruktionen, in den die zugrunde liegenden Fonds Retrozessionen an die Fondsvertreiber zahlen, recht teuer. In Summe fallen höhere Kosten an, als wenn die Anleger direkt in den Fonds investieren würden, so Wolfstetter. Bei Anlegern, die in Eigenregie handeln, gewinnen börsengehandelte Fonds (ETFs) an Beliebtheit. Dies wiederum senkt die Gesamtkosten für die Anleger. Das Thema ESG spielt bei der Auswahl der Produkte eine zunehmend wichtige Rolle. Umfragen zufolge zeigen insbesondere jüngere Anleger und Frauen ein Interesse an Nachhaltigkeitsaspekten bei der Geldanlage. Während Fonds mit Sitz im Ausland häufig genutzt werden, ist der Aktienbesitz tendenziell mit einer mit einer starken Ausrichtung auf das Inland verbunden.
Außerhalb der Finanzanlagen sind Immobilien ein wichtiger Bestandteil der Anlegerportfolios, auch wenn der Anteil der Bevölkerung, der zur Miete wohnt und nicht in einer eigenen Immobilie, im Vergleich zum Rest Europas hoch ist. Unter den wohlhabenderen Haushalten ist Immobilienbesitz jedoch weit verbreitet und macht einen großen Teil des Vermögens aus. Immobilien werden als gute Möglichkeit für den langfristigen Vermögensaufbau und die Altersvorsorge wahrgenommen.
Provisionsbasierte Beratung weit verbreitet
Unabhängige, kostenpflichtige Finanzberatung ist in Deutschland selten. „Die Anlageberatung ist oft sehr produktorientiert und nicht auf eine ganzheitliche Portfoliokonstruktion unter Berücksichtigung aller Vermögenswerte und langfristigen Ziele ausgerichtet“, so Wolfstetter. Auch wenn diese Berater verpflichtet sind, eine Eignungsprüfung durchzuführen, haben sie natürlich Anreize, bestimmte Produkte zu verkaufen. Das Wachstum der digitalen Vermögensplanung, der Robo-Advisors und der digitalen Banken erleichtert jedoch die Portfoliokonstruktion für die wachsende Zahl der Do-it-yourself-Anleger. Ich nenne diesen Anlegertyp „Selbstentscheider“. Diese sind oft jüngere Investoren mit einer Neigung zu ETFs. Das öffentliche Sozial- und Rentensystem verringert zudem den Bedarf an privaten Ersparnissen zur Finanzierung von Bildung, Gesundheitsversorgung oder Altersvorsorge. Dennoch wächst angesichts der demografischen Entwicklung das Interesse an der freiwilligen Altersvorsorge durch private oder betriebliche Pensionspläne.