Jürgen Gassmann, Leiter Magnetwerkstoffe der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS, über das Recycling Strategischer Metalle und das „Delta zwischen der Herstellung der Produkte mit Seltenen Erden und deren End-of-Life“.
Die Nachfrage nach Strategischen Metallen steigt stetig. Damit gewinnt auch das Recycling dieser wertvollen Rohstoffe immer mehr Relevanz. Der Wirtschaftsjournalist Helmut Martin-Jung schrieb dazu Mitte August in der Süddeutschen Zeitung: Rohstoffe aus Geräten, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, einfach wegzuwerfen, sei „das Dümmste, das man tun kann.“ Auch die EU will Kreislaufwirtschaft und Recycling stärken. Doch wie weit sind die Technologien bereits, wo liegen vor allem in Deutschland und Europa die größten Herausforderungen und welche Rolle spielen dabei die Industrien. Rohstoff.net hat darüber mit Jürgen Gassmann, Leiter Magnetwerkstoffe der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS , gesprochen.
Herr Gassmann, wird das Recycling strategischer Metalle und Seltener Erden in Deutschland und Europa je eine nennenswerte Rolle spielen?
Das Recycling Seltener Erden aus Magnetwerkstoffen wird in naher Zukunft eine zentrale Rolle spielen, da die Nachfrage nach diesen strategischen Metallen extrem steigen wird.
Wie lange werden Forschung und Industrie noch brauchen, bis es soweit ist?
Derzeit gibt es in Deutschland und Europa noch kein flächendeckendes Recycling für diese als kritisch einzustufenden Wertstoffe. Das liegt aber weniger an fehlender Forschungs- und Entwicklungsarbeit, sondern vielmehr daran, dass es noch keine etablierte Kreislaufwirtschaft für diese Materialien gibt. Das betrifft also nicht nur das Recycling an sich, sondern auch die Infrastruktur, die Logistik sowie die Qualifizierung und letztlich die Abnehmer von Rezyklaten. Unterschiedliche Initiativen dazu sind initiiert, unter anderem auch die ERMA (European Raw Materials Alliance), welche sich mit der Wertstoffkette für Seltene Erden in Europa auseinandersetzt.
Es gibt aber auch noch eine Menge Hürden zu nehmen. Welche sind aktuell die größten Herausforderungen beim Recycling der genannten Rohstoffe?
Die größte Herausforderung ist das Delta zwischen der Herstellung der Produkte mit Seltenen Erden und deren End-of-Life. Die Produkte sind noch nicht lange genug auf dem Markt, damit ein Recycling lohnenswert ist – es fehlt schlichtweg noch ein ausreichender Rücklaufstrom.
Zum Beispiel?
Nehmen wir Windkraft in der Nordsee: Windräder wurden ab 2010 installiert und haben eine Lebenszeit von über 25 Jahren. Die darin verbauten Magnete werden also erst in rund 15 Jahren zum Recycling anfallen. Ähnliches gilt für Elektrofahrzeuge, die ihr End-of-Life auch noch nicht erreicht haben.
Oft wird in dem Kontext auch über die Qualität von recyceltem Material gesprochen. Wie problematisch ist eine mangelnde Reinheit recycelter strategischer Metalle für viele Industrien tatsächlich?
Das ist eigentlich kein Grund mehr, Rezyklate, also recycelte Materialien, abzulehnen. Es gibt bereits viele Möglichkeiten, ein „Downcycling“ zu verhindern. Dies hängt auch von der gewählten Technologie der Recyclingroute ab.
Fraunhofer IWKS forscht sehr vielfältig auf diesem Gebiet. Welche Forschungsprojekte sind aktuell besonders spannend beziehungsweise vielversprechend?
Ein wichtiges Projekt in diesem Zusammenhang ist das Zentrum für Demontage und Recycling für Elektromobilität (kurz ZDR-EMIL). Darin geht es um Herausforderungen, die mit dem Lebensende von Fahrzeugen und Komponenten der Elektromobilität einhergehen.
Können Sie auch hier ein Beispiel nennen?
Prominentes und bereits vieldiskutiertes Beispiel ist das Recycling der Li-Ionen-Batterien, aber auch die Materialien für E-Motoren wie Hochleistungspermanentmagnete sind hier zu nennen. Zwar ist der Rücklaufstrom dieser Materialien aktuell noch gering, das wird in Zukunft aber eine Herausforderung sein, die es zu lösen gilt. Zum einen natürlich aus ökologischen Gründen, zum anderen aber auch, um die Importabhängigkeit von wichtigen Rohstoffen in Deutschland und Europa zu reduzieren.
Forschungseinrichtungen kritisieren immer wieder mangelnde Investitionsfreude der Industrie beim Thema Recycling. Können Sie das bestätigen?
Zum Teil ja, wobei da aktuell sehr viel Bewegung am Markt ist und nachhaltige beziehungsweise recycelte Produkte immer mehr in den Fokus gerückt werden.
Unser Eindruck ist: Seit den neuen EU-Bestrebungen nimmt die Investitionsfreude der Industrie deutlich zu. Beobachten Sie das auch?
Diesen Eindruck können wir teilen. Die Industrie hat ein großes Interesse, hier Lösungen zu finden.
Wenn Sie für uns einen Blick in die Glaskugel wagen: Wo wird der Industriestandort Deutschland beim Thema Recycling von strategischen Metallen und Seltenen Erden stehen – in fünf und in zehn Jahren?
Da bin ich sehr optimistisch. In zehn und auch in fünf Jahren schon wird es ein Angebot für unterschiedliche Möglichkeiten zum Recycling von Seltenen Erden aus Deutschland und Europa geben.
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