Die für Zukunftstechnologien benötigten Seltenen Erden stammen überwiegend aus China. Diese Marktmacht wird immer wieder als mögliche Bedrohung wahrgenommen.
Chinas Dominanz bei Produktion und Export von Seltenen Erden führt im Rest der Welt immer wieder zu Bedenken, dass die Versorgung mit den strategischen Rohstoffen unterbrochen werden könnte, um politische Ziele der Volksrepublik durchzusetzen. Woher diese Sorgen stammen, wird deutlicher, wenn man mehrere Jahrzehnte zurückblickt.
Chinas Aufstieg zur Rohstoffsupermacht kam nicht überraschend
Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar: Noch in den 1980er Jahren waren die Vereinigten Staaten Marktführer bei der Produktion Seltener Erden. Zwischen 1965 und 1995 stammte der größte Teil der weltweit genutzten Seltenen Erden aus der Mountain Pass Mine in Kalifornien. Aufgrund von Umweltauflagen und der zunehmenden Unwirtschaftlichkeit des Abbaus durch die Konkurrenz aus China, wurde 1998 jedoch zunächst die Separationsanlage für das geförderten Material außer Dienst gestellt und 2002 schließlich der Minenbetrieb eingestellt.
Seltenerdvorkommen werden in China bereits seit den 1950er Jahren erschlossen und wirtschaftlich genutzt. 1990 wurden sie als strategischer Rohstoff unter staatlichen Schutz gestellt, ausländischen Investoren war nun der Abbau Seltener Erden in China untersagt. Nur über Joint-Ventures mit chinesischen Unternehmen war es möglich, sich vor Ort an der Weiterverarbeitung des Materials zu beteiligen. Weniger strenge Umweltregularien als in den USA trugen in der Folge dazu bei, dass China spätestens Ende der 90er Jahre zum Markführer der Branche wurde, eine Position, die das Land bis heute innehat. In diese Zeit fallen auch die ersten Exportquoten für Seltene Erden. Sie dienen der chinesischen Regierung zufolge dem Schutz der Umwelt und der Sicherung der Eigenversorgung mit Rohstoffen. Seit 2006 wurden die staatlich festgelegten Exportquoten zunehmend strenger. Laut Zahlen des US Geographical Service (USGS) ist die Menge der exportierten Seltenen Erden bis 2010 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen.
Gleichzeitig stieg der Bedarf für die Herstellung von Halbleitern und ähnlichen Technologien. Dies gilt auch für China, wo neben der Förderung der Seltenen Erden in die Aufbereitung und Verarbeitung der Rohstoffe investiert wurde. Fehlendes Knowhow wurde durch Firmenübernahmen und -beteiligungen im Ausland erworben. Dazu gehört unter anderem die Herstellung von Permanentmagneten aus Neodym-Eisen-Bor. Die USA, Japan und Europa waren auf diesem Gebiet lange führend. Dies änderte sich 1995 mit dem Verkauf der General Motors Tochter Magnequench an ein chinesisches Konsortium. Die Fertigungsstätten wurden wenige Jahre nach der Übernahme nach China verlagert. Das Land erlangte in den folgenden Jahren ebenfalls in diesem Bereich die Marktführung.
Auf Kollisionskurs
In das Blickfeld der Allgemeinheit rückte die potenzielle Gefahr, von der Rohstoffversorgung abgeschnitten zu werden, im September 2010. Nach der Kollision eines chinesischen Fischtrawlers mit einem Schiff der japanischen Küstenwache vor den Senkaku-Inseln, einer Inselgruppe, die von beiden Ländern beansprucht wird, wurde der Kapitän des chinesischen Schiffs von den japanischen Behörden festgenommen. Die diplomatischen Spannungen führten zu einem Exportembargo, wie die New York Times und andere Medien berichteten. Japan erhalte demnach keine Seltenen Erden mehr aus China. Von chinesischer Seite wurden diese Berichte umgehend zurückgewiesen und jegliches Embargo bestritten. Die vorliegenden Daten zeigen im Oktober und November jedoch einen deutlichen Rückgang der Seltenerdexporte nach Japan, passend zu den diplomatischen Nachwehen des Vorfalls bei den Senkaku-Inseln. Dass China in der zweiten Jahreshälfte allgemein weniger exportieren würde, war andererseits schon im Juli angekündigt worden. Dieser Umstand und die Beteuerung von Premierminister Wen Jiabao, wonach sein Land Seltene Erden nicht als Druckmittel einsetze, änderten wenig an der Außenwahrnehmung der Geschehnisse. So wurde ab 2011 die Förderung von Seltenen Erden in den USA, Australien und Russland wieder aufgenommen, beziehungsweise ausgebaut. Die weiterhin niedrigen Exportquoten führten 2011 zu einem Allzeithoch der Seltenerdpreise. Ein Jahr später wurden die Exportbeschränkungen Gegenstand einer Klage der USA vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO. Japan und die Europäische Union schlossen sich der Klage auf der Seite der USA an. Das Gericht entschied 2014 gegen China, die Quoten wurden 2015 fallengelassen.
Neue Spannungen
An der dominierenden Position des Landes hat dieser Schiedsspruch jedoch nichts geändert. Denn auch wenn Seltenerdvorkommen zunehmend andernorts abgebaut werden, erfolgt die weitere Aufbereitung überwiegend in China. Das gilt auch für die Mountain Pass Mine, die nach mehreren Eigentümerwechseln wieder in Betrieb ist. Erworben wurde die Mine von einem Konsortium unter chinesischer Führung, das heute noch acht Prozent Anteile hält. Hier zeigt sich, wie umfassend Chinas Rohstoffstrategie ist. Denn investiert wird auch in die Förderung außerhalb des eigenen Landes. Wenngleich diese Bestrebungen wie im Falle von Lynas, dem größten Seltenerdproduzenten außerhalb Chinas, nicht immer erfolgreich sind – der Anteilserwerb wurde durch den Prüfungsausschuss für Auslandsinvestitionen abgelehnt – führt, wenn es um Seltene Erden geht, am Reich der Mitte derzeit also kaum ein Weg vorbei. Neuen Auftrieb bekommen die Bestrebung vieler Länder zur Rohstoffunabhängigkeit durch die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China. Zudem steigt die Eigenbevorratung Chinas mit kritischen Rohstoffen an, wodurch die Exporte sinken könnten.
Wie erfolgreich die Strategien zum Aufbau eigener Seltenerdwertschöpfungsketten sind, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, schon 2010 kam der dem US-Kongress unterstellte Rechnungshof (Government Accountability Office) zu dem Ergebnis, dass hierfür zehn bis fünfzehn Jahre Zeit erforderlich seien. Jüngst wurde ein Gesetzesentwurf in das Repräsentantenhaus eingebracht, der mit Steueranreizen die Magnetproduktion „Made in USA“ fördern soll. Die Europäische Union plant ähnliche Maßnahmen, wie Ende August berichtet wurde.
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