2022 – Ein Jahr im Schatten des Krieges
Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar dieses Jahres wurde eine politische und auch eine wirtschaftliche Zäsur eingeleitet. Die starke Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten und die in der Folge gestiegenen Preise für Strom und Gas bestimmten die Diskussion seither. Mit dem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien soll das Land fit für die klimaschonende Zukunft gemacht werden. Dabei rückte die nächste Abhängigkeit in den Fokus, denn ohne kritische Rohstoffe wie etwa Seltene Erden sind sowohl die Energie- als auch die von der Elektromobilität getragene Verkehrswende gefährdet. Doch die begehrten Seltenerdmetalle Neodym und Dysprosium und daraus gefertigte Komponenten stammen überwiegend aus China. Eine Abhängigkeit nicht gegen eine neue tauschen, mahnte daher unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Überhaupt scheint das Thema kritische Rohstoffe nun vollumfänglich auf der politischen Agenda angekommen zu sein. Rohstoffpartnerschaften werden vermehrt als Lösung ins Spiel gebracht, erste Absichtserklärungen sind bereits unterzeichnet, so etwa mit Kasachstan. Und auch die USA holen sich Unterstützung aus dem Ausland und kooperiert mit dem australischen Bergbaukonzern Lynas, der beim Aufbau einer Seltenerd-Raffinerie hilft und als Aushängeschild für Australiens Ambition als Rohstoffsupermacht betrachtet werden kann.
Trotz aller Bekundungen und Vereinbarungen: Es könnte alles schneller gehen, denn wenn man Lynas-CEO Amanda Lacaze Glauben schenkt, vereint die politischen Entscheidungsträger in den Staaten, aber auch Europa und anderswo eine Eigenschaft: Behäbigkeit. Und das, obwohl die Dringlichkeit bekannt sei.
Wie soll man mit China umgehen?
Ein eher gemütliches Tempo an den Tag gelegt wird offenbar auch, wenn es um den künftigen Umgang mit China geht und das, dabei arbeiten in Deutschland gleich zwei Ministerien – das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck und das Außenministerium unter Annalena Baerbock – an eigenen China-Strategien. Beide Ansätze haben eine Gemeinsamkeit: sie betrachten das Reich der Mitte als Systemrivalen, das unter Xi Jinping zunehmend autoritärer auftritt. Dieser hatte sich im Oktober eine dritte Amtszeit als höchster Mann im Staat gesichert, das hatte zuvor nur Mao Zedong erreicht.
Eine vollständige Entkoppelung Deutschlands von China ist dem Vernehmen nach nicht Teil der Strategiepapiere, wohl aber die Diversifizierung und Bevorratung kritischer Rohstoffe. Die China-Strategie des Auswärtigen Amtes soll nach den Ressortabstimmungen „irgendwann im nächsten Jahr“ Antworten auf die deutsche Position gegenüber der Volksrepublik geben.
In Kanada macht man derweil bereits Nägel mit Köpfen: Mehreren chinesischen Unternehmen wurde das Desinvestment in den Lithiumsektor des nordamerikanischen Landes nahegelegt. Aus Gründen der nationalen Sicherheit, heißt es. Auf chinesischer Seite führte die Ankündigung zu Protesten.
Auch das Verhältnis zwischen China und den USA hat sich in diesem Jahr merklich abgekühlt. Der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, führte zu scharfem Protest der chinesischen Regierung, die Ansprüche auf die Nachbarinsel erhebt. Taiwan ist die Heimat des Chipherstellers TSMC, dessen Technologie als wegweisend gilt und deutlich fortgeschrittener als etwa die chinesische ist. Damit dies tunlichst so bleibt, wurden im Oktober Exportkontrollen für Chips aus US-Fertigung erlassen. US-Präsident Joe Biden sicherte Taiwan militärische Hilfe im Falle eines Angriffs durch den deutlich größeren Nachbarn zu.
Spannungen zeichnen sich auch in den Beziehungen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten ab, die mit umfangreichen Subventionsmaßnahmen die Energie- und Verkehrswende Made-In-America erreichen wollen. Europäische Unternehmen befürchten Wettbewerbsnachteile durch die Regelungen, die im Rahmen des Inflation Reduction Act von Präsident Biden ratifiziert wurden. Eine gemeinsame Taskforce soll den drohenden Streit abwenden.
Lichtblicke
Doch es gab neben all diesen negativen Entwicklungen, die zudem noch auf die Nachwehen der Corona-Pandemie treffen, auch Positives zu berichten: Das James Webb-Weltraumteleskop hat im Sommer erste Bilder aus den Kindertagen des Alls gesendet. Das voller Hightech-Materialien steckende Gerät ist deutlich fortgeschrittener als das mittlerweile legendäre Hubble-Teleskop, das laut NASA noch weit in die 2020er Jahre seinen Dienst verrichten wird. Kosmische Vorgänge wurden im Dezember auch auf der Erde erfolgreich nachgestellt. Aus den USA konnte ein Durchbruch bei der Kernfusion gemeldet werden. Der Vorgang, der auch in Sternen stattfindet, gilt als mögliche Energiequelle der Zukunft. Bis zur Kommerzialisierung wird allerdings noch mindestens ein Jahrzehnt vergehen, heißt es aus der Wissenschaft.
Schneller erfolgt derweil der Hochlauf der Wasserstofftechnologie. In Hessen haben die ersten Wasserstoff-Züge den fahrplanmäßigen Betrieb aufgenommen, sie sollen Teil der weltweit größten H2-Zugflotte werden sollen. Dass der notwendige Wasserstoff nur umweltfreundlich ist, wenn er ohne fossile Energie erzeugt wurde, erfordert unterdessen den raschen Aufbau entsprechender Elektrolyseanlagen. Schon in der von der vorigen Regierung verabschiedeten Wasserstoffstrategie fand sich der Hinweis, dass Deutschland auch langfristig auf den Import des sogenannten Grünen Wasserstoffs angewiesen sein wird. Auch hier sind erste internationale Abkommen unterzeichnet worden, so etwa mit Ägypten, dem Gastgeberland der diesjährigen UN-Klimakonferenz.
Welche Früchte dieses und andere 2022 geschlossene Abkommen und Absichtserklärungen tragen werden, wird sich zeigen. Im Zuge der Debatten über die Energiesicherheit gab es in diesem Jahr vermehrt Stimmen, die sich für eine Renaissance der Atomkraft aussprachen. So planen die Niederlande den Bau neuer Meiler und Südkorea hat den Ausstieg aus dem Ausstieg verkündet und möchte den Anteil der Atomkraft an der Stromproduktion erhöhen.
Wenn also so manches noch in der Schwebe ist, steht jedoch fest: ohne strategische Rohstoffe wird es nicht gehen. Rohstoff.net bleibt auch 2023 am Ball und berichten über die Entwicklungen auf dem Gebiet der Seltenen Erden, der Edel- und Technologiemetalle.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in das neue Jahr!
Ihre Redaktion von Rohstoff.net