IAA Mobility 2021: Debatte um alternative Antriebe geht weiter

von | 25. Aug 2021 - 09:25 | Technologien

E-Auto, Wasserstoff oder E-Fuel? Die Zukunft der klimaneutralen Mobilität ist noch nicht entschieden. Der Rohstoffverbrauch aber steigt – so oder so.

Tesla-Chef Elon Musk hat die Frage von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet nach der Frage zur Zukunft des Automobils vergangene Woche einfach weggelacht. Auf einem PR-Termin vor der neuen Tesla Fabrik in Grünheide ließ Musk keinen Zweifel: Die Zukunft der Autos sei „auf jeden Fall elektrisch“. Nun mag Musk nicht gerade der perfekte Gesprächspartner für eine Debatte um alternative Antriebe sein, doch fest steht: Klimaneutrale Mobilität ist eines der zentralen Themen in Politik, Wirtschaft und Forschung.

Der wachsende politische und gesellschaftliche Druck zwingt vor allem die Automobilkonzerne zu einem – oft genug – radikalen Umdenken. So stellte die EU-Kommission bei der Vorstellung ihres Klimaplans am 14. Juli klar: Ab 2035 sollen nur noch emissionsfreie Pkw neu zugelassen werden. Vor wenigen Tagen erst beschloss der Bund auf seinem mittlerweile 6. Autogipfel: Mit einer Milliarde Euro soll in den nächsten Jahren der Strukturwandel der hiesigen Automobilindustrie auf ihrem Weg zu klimaneutraler Mobilität gefördert werden.

Und so wird auch die Internationale Automobilausstellung IAA Mobility, die vom 7. bis 12. September erstmals in München stattfindet, ein Schaulaufen neuer Antriebsysteme und darauf abgestimmter Modellportfolios sein. Ein Blick auf die IAA-News der großen Automobilkonzerne zeigt: Bei alternativen Antrieben liegt der Fokus derzeit, wenig überraschend, auf  E-Mobilität. Bei Volvo etwa soll schon bis 2025 die Hälfte der verkauften Fahrzeuge rein elektrisch sein, ab 2030 will Volvo dann ausschließlich Elektrofahrzeuge anbieten.

Ende Juli präsentierte auch Volkswagen CEO Herbert Diess seine Zukunftspläne. Die neue Konzernstrategie mit dem sonderbaren Namen New Auto sieht vor, dass der Konzern bis 2030 den Anteil der Verkäufe von Elektrofahrzeugen auf rund 50 Prozent steigert, bis 2040 sollen nahezu 100 Prozent der neuen Konzernfahrzeuge in den Hauptmärkten emissionsfrei sein. Die Luxusmarke Bentley (auch aus dem Volkswagenkonzern) will schon ab 2030 ausschließlich E-Autos produzieren. Audi (dito) will ab 2026 keine neuen Modelle mehr mit Verbrennungsmotor auf den Markt bringen. Bei BMW soll spätestens 2030 zumindest die Hälfte der weltweit verkauften Fahrzeuge elektrisch sein, Tochterunternehmen Mini soll bis dahin schon den kompletten Umstieg schaffen. Ebenfalls bis 2030 voll elektrisch unterwegs sein wollen Ford, Fiat und Jaguar.

Bei Daimler hören sich die Pläne hingegen etwas kryptischer an. Laut einer Mitteilung des Konzerns sollen „neue Plattformen und Batterie-Fabriken ermöglichen, dass Mercedes-Benz noch vor Ende des Jahrzehnts vollelektrisch werden kann, wo immer die Marktbedingungen es zulassen“. Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, sagte Ende Juli: „Der Wendepunkt rückt näher, und wir werden bereit sein, wenn die Märkte bis zum Ende des Jahrzehnts vollständig auf Elektroautos umstellen.“

Toyota will sich noch nicht festlegen

Doch es gibt auch andere Stimmen. Vor allem Toyota fällt bei der Liste der – meist sehr öffentlichkeitswirksam –  selbsterklärten E-Auto-Fans aus dem Rahmen. Die Japaner, die schon 1997 mit dem Prius das weltweit erste Auto mit Hybridantrieb auf den Markt brachten, wollen sich noch lange nicht endgültig vom Verbrenner verabschieden. Einerseits können die Japaner sich das leisten. Dank ihrer traditionell bereits recht großen Hybrid-Flotte, unterliegen sie nicht so stark dem politischen Druck, immer strengere Emissionswerte einhalten zu müssen. Andererseits halten sie die Rigorosität, mit der sich Volkswagen & Co jetzt auf E-Mobilität stürzen, für einen Fehler. Bisher sei „das Spiel mit den E-Autos“ noch nicht ganz aufgegangen, zitiert das Portal Ecomento vergangene Woche Ferry M. M. Franz, Direktor bei Toyota Motor Europe. Er denke, dass „global gesehen auch die Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren nicht ganz aus den Augen verloren werden sollte.“ Franz verweist zudem auf Wasserstoff beziehungsweise Brennstoffzellen als alternativen Antrieb: „Ja, die Energieeffizienz ist nicht so gut wie bei Elektro, aber deutlich besser als bei Verbrennern. Und über Energieeffizienz hat sich in den vergangenen 100 Jahren bei Verbrennern nie jemand aufgeregt, die wurde mehr oder weniger als gottgegeben akzeptiert.“

VW-Chef Diess hält E-Fuels für Unsinn

Tatsächlich entbrennt, pünktlich vor dem Start der IAA Mobility, einmal mehr ein Expertenstreit über das Für und Wider der verschiedenen alternativen Antriebe. Angeheizt nicht zuletzt durch ein Interview, das Volkswagen-Chef Herbert Diess kürzlich der Auto Motor und Sport gab. Er halte die Debatte über alternative Kraftstoffe wie E-Fuels (synthetische Kraftstoffe) und grünen Wasserstoff für Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge für falsch, zitiert Ecomento aus dem Interview. Elektromobilität sei der einzige Weg, die CO2-Emissionen der individuellen Mobilität schnell und effizient zu reduzieren, so Diess. Der CEO pflegt sein E-Fan-Image gerne auch mal, indem er sich per Video auf einem elektrischen Surfboard zeigt und sagt: „Man kann gerne an E-Fuels und Brennstoffzellen weiterarbeiten, das tun wir im VW-Konzern ja auch. Für den Straßenverkehr ist es in der Breite aber Unsinn.“ Das sei schließlich eine ganz einfache Rechnung: Bei der Brennstoffzelle brauche man dreimal so viel Wind wie bei den reinen Batterie-Autos, bei E-Fuels nochmals doppelt so viel – also sechsmal mehr als bei reinen E-Fahrzeugen.

Doch auch wenn die Zahlen stimmen mögen, hat Diess an dieser Stelle vermutlich etwas zugespitzt und mit Fokus auf den europäischen Markt argumentiert. Denn keine zwei Tage vor Diess, zitiert Auto Motor und Sport aus einem LinkedIn-Post von VW-Markenchef Ralf Brandstätter: „Für die europäischen Märkte werden voraussichtlich im Zeitraum 2033 bis 2035 die letzten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor produziert.“ In anderen Weltregionen würde sich die Transformation nicht so schnell vollziehen. Ziel dort sei es, CO2-neutrale Mobilität auf Basis von Ethanol und anderen Biokraftstoffen für Schwellenländer zu ermöglichen. „Bio Fuels können bis zur vollständigen Elektrifizierung der Flotte einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten“, so Brandstätter.

Einen sanfteren Übergang sieht auch Porsche als richtigen Weg an. Zwar wird der Konzern auf der IAA Mobility ebenfalls eine neue E-Auto-Studie vorstellen, doch schon im Februar machte Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner in einem Interview mit Auto Motor und Sport klar: „Wir glauben weiter an den Dreiklang aus klassischen Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos wie dem Taycan. Wobei Steiner für die beiden Erstgenannten künftig auf Synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels setzen will: „E-Fuels müssen aus unserer Sicht mit bestehenden Motoren funktionieren, weil unsere Fahrzeuge sehr lange gefahren werden“, so der Porsche-Manager.

An Wasserstoffantrieb wird weiter geforscht

Weltweit weiter geforscht wird auch an der Wasserstoffbasierten Brennstoffzellentechnologie. Allerdings: Im Pkw-Bereich hat sich Wasserstoff bislang nicht durchgesetzt. Mercedes hatte zwar schon 2018 mit dem GLC F-Cell erstmals einen Van mit Brennstoffzellentechnologie auf den Markt gebracht, ihn aber knapp zwei Jahre später wieder vom Markt genommen. Noch immer serienmäßig mit Wasserstoff unterwegs sind hingegen der Hyundai Nexo und der Toyota Mirai.

Im Nutzfahrzeugbereich sind die Aussichten für Wasserstoffbasierte Brennstoffzellenantriebe hingegen deutlich besser. Allein Bosch investiert rund 1 Milliarde Euro in seine Brennstoffzellenprojekte, davon 600 Millionen in die Brennstoffzelle für LKW, schreibt das Handelsblatt Ende April. Schon 2022 sollen die Brennstoffaggregate in Serie gehen. Daimler und Volvo haben im Frühjahr das Joint Venture Cellcentric gegründet. 2025 soll mit der Serienproduktion von Brennstoffzellen in Europa begonnen werden. Bereits für 2024 hat die Deutz AG den Serienstart für ihren gerade erst präsentierten Wasserstoffmotor geplant, wie Rohstoff.net berichtete.

Rohstoffverbrauch nimmt zu

Welcher alternative Antrieb sich für welche Nutzung letztlich durchsetzen wird, ist also längst nicht ausgemacht. Das wahrscheinlichste Szenario wird ein Mix der verschiedenen Möglichkeiten sein – zumindest für einen sehr langen Übergangszeitraum. Und eines eint alle Lösungen ohnehin: Klimaneutral sind sie nicht per se. E-Autos fahren nur grün, wenn ihre Batterien mit regenerativem Strom gespeist werden, E-Fuel und Wasserstoff sind nur grün, wenn sie mit grünem Strom hergestellt werden. Die Zeit schrieb dazu im März 2020: „Für massenhaft E-Fuel bräuchte man also auch massenhaft Windräder und Photovoltaik.“ Das gleiche gilt für grün hergestellten Wasserstoff. Beide alternativen Antriebe pushen so auch den Verbrauch von Neodym, Praseodym, Dysprosium, Terbium, Tellur und Gallium.

Ebenso verschlingen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge weiterhin Rohstoffe.  Wieviel genau, hat ein Autorenteam 2019, exemplarisch vorgerechnet. In ihrem Beitrag „Rohstoffe für die Verkehrswende“ schreiben sie: „Batterien werden derzeit vor allem auf Basis von Lithium-Metalloxiden gefertigt und erreichen für vollelektrische Pkw Gewichte von bis zu 300 kg. Als Aktivmaterialien der Kathode werden hauptsächlich Nickel-Kobalt-Mangan-Verbindungen, Nickel-Kobalt-Aluminium-Verbindungen oder Lithium-Eisenphosphat-Verbindungen eingesetzt. In der Leistungselektronik finden neben Aluminium, Eisen und Kupfer auch Kleinmengen an Zinn, Gold, Silber, Gallium, Indium, Tantal, Niob, Germanium und Palladium Verwendung. Für den Elektromotor werden in der Regel Permanentmagnete verwendet, für die verschiedene Seltene Erden, insbesondere Neodym, Dysprosium und Praseodym, benötigt werden.“

Lithiumbedarf könnte sich bis 2025 versechsfachen

Auch die kürzlich erschienene Studie „Rohstoffe für die E-Mobilität“ die die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) herausgebracht hat, lässt keinen Zweifel am wachsenden Rohstoffhunger alternativer Antriebe. Darin heißt es: „Ohne Rohstoffe ist keine E-Mobilität möglich“. Allein für Kobalt geht die DERA (Deutsche Rohstoffagentur)  davon aus, dass sich die Nachfrage  Kobalt von 110.000 t (2017) auf bis zu 225.000 t (2025) mehr als verdoppeln könne, für Lithium sogar von 35.000 t (2015) auf bis zu 224.000 t (2025) versechsfachen.

Photo: iStock/Petmal

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