Recycling mal anders: Bergbauabfall und Abwasser

von | 3. Feb 2022 - 12:29 | Technologien

Kritische Rohstoffe lagern in ungenutzten Bergbaurückständen und finden sich sogar im Abwasser. Lohnt sich ein Recycling?

Bei kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden und Technologiemetallen ist Europa stark auf Importe aus China angewiesen. Um die Abhängigkeit zu reduzieren, will die EU Recycling stärken (wir berichteten). Im Fokus stehen vor allem Elektroschrott und ausgediente Akkus aus Laptops oder Mobiltelefonen. Doch auch stillgelegte Bergwerke gewinnen in diesem Zusammenhang wieder an Bedeutung, denn in ihrem „Abfall“ lagern ungenutzte Schätze. Darunter sind nicht nur Reste von Zinn, Silber oder Wolfram, die hier einst abgebaut wurden, sondern auch Begleitelemente wie Indium, Lithium oder Seltene Erden. Deren Förderung war früher technisch nicht möglich oder für die Industrie schlichtweg nicht von Interesse. Heute aber kommen viele Technologien nicht mehr ohne sie aus. Wo früher Schlägel und Eisen geschwungen wurden, könnten also bald mit hochmodernen Methoden wieder Rohstoffe gewonnen werden.

„Bergbau nach dem Bergbau“

Wie sich die Bergbaurückstände wirtschaftlich fördern lassen, erforschen das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie und die TU Bergakademie Freiberg unter anderem im Erzgebirge. Hier entsteht eine Modellregion für die zukunftsorientierte Sanierung von Bergwerksrückständen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Programm „rECOmine“bringt dafür Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Umweltschutz spielt eine zentrale Rolle in dem Projekt, denn durch „ReMining“ oder „Bergbau nach dem Bergbau“ sollen zugleich Schadstoffe aus künstlich angelegten Bergehalden und Bergeteichen entfernt werden.

Im Erzgebirge wird dazu unter anderem das Verfahren Bioleaching oder auf deutsch Biolaugung erprobt. Mikroorganismen extrahieren dabei durch ihre Stoffwechselprozesse Rohstoffe aus Roherz, aber auch aus sekundären Quellen wie Bergbauhalden, Schlamm, Schlacken und Elektroschrott. Verglichen mit herkömmlichen Fördertechnologien ist der Energiebedarf beim Bioleaching gering und es entstehen keine umweltschädlichen Abgase wie CO2.

An der Davidschachthalde in Freiberg wird eine Pilotanlage zur Gewinnung von Indium, Zinn, Blei, Kupfer und Kobalt gebaut, die durch ihre modulare, semi-mobile Bauweise künftig auch an anderen Standorten eingesetzt werden könnte.

Aus Bergbauabfällen lassen sich noch viele Rohstoffe gewinnen.
Aus Bergbauabfällen lassen sich noch viele Rohstoffe gewinnen.

Tonnenweise wertvolle Rohstoffe im Schlamm

In anderen ehemaligen Bergbauregionen könnte Bioleaching bald ebenfalls zum Einsatz kommen. Erste Erfolge aus dem Labor stimmen zuversichtlich: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) untersuchte Proben aus alten Bergeteichen in Goslar im Harz und konnte mithilfe spezieller Bakterien rund 90 Prozent des darin enthaltenen Kobalts extrahieren. Eine Rückgewinnung in großem Stil sei laut BGR-Geomikrobiologe Axel Schippers durchaus denkbar. Lohnenswert wären die Harzer Bergeteiche als Rohstoffquelle allemal: Im Schlamm verbergen sich fast 1.300 Tonnen Kobalt im Wert von aktuell 65 Millionen Dollar, sagte Professor Daniel Goldmann von der dort forschenden TU Clausthal gegenüber dem NDR gegenüber dem NDR. Hinzu kämen noch einmal insgesamt sechs Tonnen anderer Metalle wie Kupfer, Silber und Indium.

Auch in anderen Ländern findet der Ansatz, Rohstoffe aus Bergbauabfällen zu gewinnen, zunehmend Beachtung. In Spanien hat die Penouta-Mine nach über 30 Jahren wieder den Betrieb aufgenommen. Neben der Produktion im Tagebau werden hier Rohstoffe wie Zinn und Tantal aus alten Lagerstätten gewonnen. In Chile und Brasilien werden – jeweils im Rahmen einer Partnerschaft mit Deutschland – Verfahren entwickelt, um ungenutzte Bergbaurückstände zu recyclen.

Seltene Erden gelangen auch ins Abwasser

Wertvolle Rohstoffe verstecken sich jedoch nicht nur in Bergbaurückständen. Weil Technologiemetalle heute allgegenwärtig sind, verwundert es kaum, dass sich Spuren von ihnen auch im Abwasser finden. Im Rhein etwa wies die Bremer Jacobs University 2013 erhebliche Mengen der Seltenen Erden Lanthan, Gadolinium und Samarium nach. Das Schweizer Wasserforschungsinstitut EAWAG belegte 2017 und 2021 durch landesweite Untersuchungen, dass Seltenerdelemente, die in Industrie und Krankenhäusern eingesetzt werden, häufig im Abwasser landen. Mit hochgerechnet insgesamt vier Tonnen wurde 2021 die höchste Konzentration für Cer gemessen, das die Industrie in Form von Cerdioxid als Schleifmittel nutzt. Gadolinium fanden Wissenschaftler bereits in den 90er Jahren in europäischen Gewässern. Es dient vor allem zur Produktion von MRT-Kontrastmitteln, die über die Nieren ausgeschieden schließlich ins Abwasser gelangen. Susanne Heise von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg gibt diesbezüglich aber Entwarnung. Es sei unwahrscheinlich, dass die heute in Europa auftretenden Seltenerdkonzentrationen für Menschen gesundheitsschädlich sein können, äußerte sie gegenüber der Zeitung Welt (Bezahlartikel), auch wenn es „noch viele offene Fragen“ gebe.

Rohstoffe aus Abwässern gewinnen?

Anders als bei der Nutzung alter Bergbauabfälle existieren noch keine großangelegten Projekte, um Rohstoffe aus dem Abwasser zurückzuholen. Wissenschaftlern der EAWAG zufolge lohne sich die Rückgewinnung nur an wenigen Orten. Gleichwohl wird erforscht, wie das möglich wäre, zum Beispiel mit Zeolith, der die Materialien im Wasser bindet, oder Filz, der sie filtert und auffängt. Angesichts der stetig wachsenden Rohstoffnachfrage könnten Abwässer als Recyclingquelle künftig durchaus interessant werden.

Photos : iStock/Weerayuth Kanchanacharoen; iStock/mariusz_prusaczyk