2040 könnte die Hälfte der H2-Produktion nachhaltig sein.
Die 2030er Jahre werden nach Ansicht der Unternehmensberatung Roland Berger entscheidend für den Erfolg der Wasserstoffwirtschaft sein. Bis dahin wird laut einer heute vorgestellten Studie die Wasserstoffproduktion im Durchschnitt um zwei Prozent jährlich wachsen. 2030 dürften rund zwölf Prozent davon mithilfe Erneuerbarer Energien erzeugt werden. Auf diesem sogenannten grünen Wasserstoff ruht die Hoffnung zur Dekarbonisierung der energieintensiven Industrien, so etwa der Stahlherstellung. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Ausbau von Elektrolyseuren notwendig, sie spalten Wasser mittels elektrischen Stroms in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Dieser Zubau findet laut Roland Berger viel zu langsam statt, daher müsste im nächsten Dekade jährlich so viel Elektrolysekapazität hinzukommen wie in den gesamten 2020er Jahren. Gelingt dies, könnte 2040 bereits die Hälfte der erzeugten Menge grüner Wasserstoff sein. Dann werde sich auch die Nutzung deutlich ausdifferenzierter. Denn neben der Industrie als Hauptabnehmer wird der Prognose zufolge die Nutzung von Wasserstoff im Mobilitätssektor, aber auch in der Beheizung von Gebäuden zunehmen.
Forderung nach mehr Strukturpolitik und eine Warnung
Für das Gelingen müssten bereits jetzt die richtigen Weichen gestellt werden, so die Studienautoren. Statt Detailfragen wie der Definition für grünen Wasserstoff müssten strukturpolitische Maßnahmen ergriffen werden, dabei verweist Roland Berger unter anderem auf den Inflation Reduction Act in den USA. Was grüner Wasserstoff ist und was nicht, wurde in Europa Anfang dieses Jahres debattiert, schließlich einigte man sich darauf, dass auch Strom aus Atomkraftwerken für die Erzeugung des nachhaltigen Energieträgers genutzt werden darf.
Die Studie enthält auch eine deutliche Warnung: Erbringen die aktuellen Projekte zum Einsatz von Wasserstoff zur Reduzierung von Emissionen in der Industrie und anderswo nicht die erhofften Ergebnisse, könnte die Debatte auf die Verlagerung energieintensiver Branchen in andere Länder überschwenken, die den Zugang zu kostengünstiger und sauberer Energie versprechen.
Kein Erfolg ohne Sicherung der Rohstoffversorgung
Nicht nur der politische Willen ist gefragt, um der Wasserstoffwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen, sondern auch die Sicherung der Lieferketten für die notwendigen Rohstoffe. Für die Elektrolyseure sind dies Metalle der Platingruppe wie Iridium, dessen Produktion stark regional konzentriert ist und die nicht beliebig hochgefahren werden kann. Die Gewinnung erfolgt ausschließlich als Nebenprodukt der Platinförderung vor allem in Südafrika und Simbabwe. Erst im September warnte der Nationale Wasserstoffrat in Deutschland deutlich vor drohenden Knappheiten bei Iridium, da diese „drastische Auswirkungen“ auf den H2-Sektor hätten (wir berichteten). Bereits im Februar 2022 hat die Deutsche Rohstoffagentur DERA auf Versorgungsrisiken bei den für die Wasserstoffherstellung notwendigen mineralischen Rohstoffen hingewiesen. Das größte Risiko neben dem erwähnten Iridium sieht das Kompetenzzentrum bei Scandium. Das zu den Seltenen Erden gehörende Metall wird ebenfalls in bestimmten Elektrolyseverfahren eingesetzt.