Recycling von Rohstoffen: Forschung und Industrie suchen neue Lösungen

von | 31. Aug 2021 - 11:38 | Technologien

Die EU will Kreislaufwirtschaft und Recycling stärken. Doch so einfach ist das nicht. Nur ein Prozent der Seltenen Erden wird bislang recycelt.

Rohstoffe aus Geräten, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, einfach wegzuwerfen, sei „das Dümmste, das man tun kann“, schreibt Wirtschaftsjournalist Helmut Martin-Jung Mitte August in der Süddeutschen Zeitung. Und damit hat der Mann natürlich Recht. Vor allem Strategische Metalle und Seltene Erden aus sogenannten End-of-Life-Produkten, also aus nicht mehr brauchbaren Geräten, sind in Förderung und Aufbereitung nicht nur aufwendig und teuer. Der Hunger zahlreicher Industrien nach diesen Rohstoffen wird mit wachsenden Einsatzmöglichkeiten größer. Ob Halbleiter, Photovoltaik, Windkraft oder Elektromobilität – strategische Metalle wie Lithium, Mangan, Kupfer und Gallium, aber auch Seltene Erden wie Neodym und Praseodym spielen für immer mehr Zukunftstechnologien eine entscheidende Rolle. Die begehrten Stoffe stecken in LEDs, Displays, Smartphones, iPads und Laptops, sie stecken in Turbinen und Triebwerken. Und sie stecken in Elektromotoren und E-Auto-Batterien. 

Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und der massive Ausbau von Recyclingquoten stehen deshalb im Fokus vieler aktueller Überlegungen seitens Politik und Industrie. Die EU hat Ende 2020 im Rahmen des New Green Deal auch einen Vorschlag zur Moderni­sierung der EU-Rechts­vorschriften für Batterien vorgestellt. Dieser sieht unter anderem eine Steigerung des Kreislaufpotentials von Batterien vor, einen verpflichtenden Sekundärrohstoffanteil (also die Verwendung recycelter Rohstoffe) sowie eine Harmonisierung der Produktanforderungen für Batterien. Letzteres ist wichtig, um auch Recyclingprozesse künftig besser standardisieren und skalieren zu können. Ab Januar 2022 sollen die neuen EU-Vorschriften angewendet werden.

Sekundärrohstoffe mit Qualitätsproblemen

Allerdings: Je nach Rohstoff und Einsatzgebiet ist das Recycling alles andere als einfach. Das liegt vor allem daran, dass die Stoffe fast immer als Legierungen beziehungsweise im chemischen Verbund mit anderen Rohstoffen genutzt werden. Diese im Recyclingprozess wieder sortenrein beziehungsweise in wiederverwertbarer Qualität zu trennen, ist schwer möglich oder mit so hohem Aufwand und Kosten verbunden, dass sich die Prozesse – zumindest bislang – allenfalls im Labor darstellen lassen. Vor allem Seltene Erden, die stets in Legierungen und immer in nur sehr geringen Mengen in End-to-Life-Produkten vorkommen, werden bislang so gut wie gar nicht recycelt. Genauer gesagt sind es weniger als ein Prozent, zitiert die FAZ ein Forscherteam um Simon Jowitt von der University of Nevada in Las Vegas aus einem Übersichtsartikel von 2018. In einer Nachricht des Bundesverband Schrott, E-Schrott und Kfz Recycling (BVSE) heißt es: „Nicht nur die Rückgewinnung aus Produkten ist nach wie vor schwierig, sondern auch, die chemisch ähnlichen Elemente voneinander zu trennen“. Trotzdem oder gerade deshalb forschen auch in Deutschland immer mehr Wissenschaftler an neuen Recyclingtechnologien für Seltene Erden. Doch dazu später mehr.

E-Mobilität fordert Forscher heraus

Wenig überraschend ist es, dass die EU im Rahmen des New Green Deal ein besonderes Augenmerk auf Batterien legt. Denn im internationalen Vergleich steht die Europäische Union hier besonders schlecht da. „Große Mengen der in Europa zum Recycling anfallenden Batterien werden nach Asien exportiert und dort verwertet“, so die aktuelle Studie „Rohstoffe für die E-Mobilität“, die die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) herausgebracht hat. China liegt danach im weltweiten Ranking für das Recycling von Zellen, Kathoden- und Anodenmaterialien auf Platz 1. Während von chinesischen Unternehmen 2018 rund 70 Prozent der Batteriezellen recycelt wurden, waren es in Europa weniger als 5 Prozent. Dies, so die Studie, liege unter anderem daran, dass China bereits über einen großen Markt verfügt, Recycling staatlich gefördert wird und Unternehmen guten Zugriff auf recyclingfähiges Material haben. „Das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) verpflichtet Hersteller von E-Fahrzeugen Recyclinganlagen für Batterien einzurichten und zu standardisieren“, ist in der Studie zu lesen.

Besonders schwierig ist die Situation tatsächlich bei Traktionsbatterien, also jenen großen leistungsstarken Akkus, die in der rasant wachsenden Elektromobilität genutzt werden. Denn während das Recycling bei Kleingeräten wie beispielsweise Smartphones teilweise ganz gut vorankommt – Apple etwa nutzt beim iPhone 12 inzwischen immerhin zu 99 Prozent recycelten Wolfram und zu 98 Prozent recycelte Seltene Erden –  sieht die Recyclingquote bei Traktionsbatterien eher düster aus. Hier wird neben Recycling deshalb auch zu Pfand- und Leihsystemen, Möglichkeiten der Substitution sowie vor allem zu Second Life-Lösungen geforscht.

Stationärer Betrieb von Altakkus

Akkus, die für den Einsatz im Auto nicht mehr leistungsfähig genug sind, sind keineswegs wertlos“, schreibt der ADAC. In der Regel hätten sie nach rund 1500 bis 2500 Ladezyklen immer noch einen Energieinhalt von 70 bis 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. Es sei deshalb weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, sie in diesem Zustand zu entsorgen. Stattdessen könnten die Akkus im „sogenannten Second Life, also im stationären Betrieb weiterverwendet werden“. Entsprechende Messreihen von Alterungsprozessen im Labor hätten gezeigt, dass das Second Life noch 10 bis 12 Jahre währen könne. Und der ADAC kennt auch ein prominentes Beispiel: Im BMW-Werk Leipzig, wo der BMW i3 gebaut wird, hat der Konzern einen stationären Speicher errichtet, der aus 700 zusammen geschalteten Akkus des i3 besteht. In diesem Großspeicher würde der am Werk von BMW erzeugte Solar- und Windstrom gespeichert und dann für die Produktion genutzt.

Doch nicht immer ist Second Life eine passende Lösung. Vor allem dann nicht, wenn die Akkus im stationären Einsatz, anders als bei BMW, nicht an Ort und Stelle beziehungsweise vom gleichen Produzenten genutzt werden. In der bereits zitierten Studie von BGR und GIZ heißt es dazu: „Die Zellen, die sich nicht mehr für den Einsatz in E-Fahrzeugen nutzen lassen, können als stationäre Energiespeicher in kleinem oder großem Maßstab genutzt werden, etwa als Energiespeicher für erneuerbare Energien in Wohnhäusern. Auch einzelne Bauteile können entfernt und als Ersatzteile wiederverkauft werden.“ Diese Prozesse seien jedoch arbeitsaufwendig, und unterschiedliche Herstellungs- und Packverfahren der Batterien (unter anderem gemäß von Brandschutzbestimmungen) würden die Aufarbeitung und Automatisierung erschweren.

Substitution schafft neue Probleme beim Recycling

Eine weitere Möglichkeit, wertvolle Rohstoffressourcen zu sparen, ist die Substitution, also der Ersatz bestimmter Rohstoffe durch andere. Auch diese Methode spielt bei Traktionsmotoren längst eine wichtige Rolle. Geforscht wird vor allem an Möglichkeiten, den Kobaltanteil zu reduzieren. So liegt der Kobaltanteil einer NMC111-Kathode bei rund 20 Prozent, bei einer moderneren NMC811-Kathode nur noch bei 6 Prozent. Teslas NCA-Batterie kommt auf einen Kobaltanteil von rund 9 Prozent.

Das allerdings schafft neue Probleme beim Recycling. Denn der reduzierte Kobaltgehalt macht die Akkus im wahrsten Sinne des Wortes wertloser und damit weniger attraktiv für das Recycling. „Die von etwa 1990 – 2010 handelsübliche, mittlerweile nicht mehr verwendete Lithium-Kobalt-Oxid-Batterie hatte einen Wert von circa 8 Euro pro Kilogramm auf Grund ihres hohen Kobaltgehalts“, heißt es in der BGR/GIZ-Studie. Die moderne NMC-Batterie hingegen habe nur noch einen Wert von 4,70 bis 5,50 Euro pro Kilogramm. Kobaltfreie Batterien kommen auf einen Wert von 2 Euro pro Kilogramm. Auch deshalb, so das Fazit der Studienautoren, hätten „gesetzliche Produktanforderungen zu der anteiligen Verwendung von Sekundärrohstoffen einen großen Einfluss auf die Nachfrage und Rentabilität des Recyclings“.

Recycling von LIBs extrem komplex

Wie aufwendig das Recycling der Lithium-Ionen-Batterien (LIB) ist, vor allem das der großen Traktionsbatterien, beschreibt die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in einem im März 2021 erschienen Themenheft „Batterierohstoffe für die Elektromobilität“. Darin heißt es: „Es sind mehrstufige komplexe Trennverfahren nötig, aufgrund der unterschiedlichen Zellchemien und Batteriedesigns ist bisher keine Standardisierung möglich. Die Anzahl der Zellen und Module in einer Traktionsbatterie variiert sehr stark, sie hängt von der Batterieleistung, dem Batterietyp sowie dem Hersteller ab.“ So könne das Gewicht einer einzelnen Zelle von rund 50 g bis zu 2 kg reichen. In einer Traktionsbatterie mit einer Kapazität über 80 kWh könnten mehrere tausend Zellen miteinander verschaltet sein. Die Konsequenz: „Der Großteil der Prozesse befindet sich noch im Aufbau und wird erst im kleinen Maßstab betrieben“, so die DERA. Wenn überhaupt würde bislang die Rückgewinnung der ökonomisch wertvollen Metalle Kobalt, Nickel und Kupfer umgesetzt.

Algen, Viren und Chemie – die Zukunft des Recyclings Seltener Erden

Nahezu vollständig im Bereich der Laborarchitektur befinden sich Rückgewinnungsmethoden für Seltene Erden. Wie bereits beschrieben bremsen derzeit zahlreiche Hürden eine wirtschaftlich und industriell attraktive Vorgehensweise. Nach Meinung vieler Forscher könnte sich das aber in Zukunft ändern.

Im österreichischen Krem etwa arbeiten Wissenschaftler daran, Seltene Erden aus Elektroschrott zu lösen und wiederzuverwerten. Und zwar mit Hilfe von Algen. Gegenüber dem TV-Sender ORF erklärt Dominik Schild, Professor für Biochemie an der Fachhochschule Krems: „Der Elektroschrott, also zum Beispiel Mikrochips aus Handys, wird zu einem weiß-gelblichen Pulver vermahlen. Das kommt dann in die Lösung, in der Algen oder Hefe sind. Die Algen ziehen dann die Seltenen Erden an und nehmen sie in ihren Zellen auf.“ Dann müssten die seltenen Erden aus den Zellen der Algen geholt werden, indem – sehr vereinfacht gesagt – zuerst die äußere Hülle der Zelle abgelöst und dann die innere Hülle aufgebrochen würde. Finanziert wird die Forschung unter anderem vom europäischen Fördertopf für regionale Entwicklung „Interreg“. Noch allerdings befindet sich das Projekt in einer sehr frühen Phase.

Das gilt auch für ein Projekt, über das der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) im Januar berichtete. Danach forscht das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie an einer Recyclingmethode für Seltene Erden mithilfe von Bakteriophagen. Diese Viren, die eigentlich Bakterien befallen, helfen in einem aufwendigen Prozess Baupläne für eine Art Bio-Angeln aus unterschiedlichsten Peptiden (Eiweißen) herzustellen. Mit deren Hilfe könnten die Forscher verschiedene Seltene Erden aus einer Brühe, in der sie zuvor gelöst wurden, „herausfischen“. „Das Eiweiß verbindet sich mit dem Partikel der Seltenen Erde ganz so wie ein Schlüssel in ein bestimmtes Schloss passt“, so der MDR. Bisher allerdings seien die Forscher erst bei Schritt zwei von fünf bei der Entwicklung. Doch in etwa sieben Jahren, schätzen sie, könnte die Technologie ausgereift sein für die industrielle Nutzung.

Die Chemikerin Lena Daumann beschreibt in den „Nachrichten aus der Chemie“ gleich zwei mögliche neue Verfahren, um den Seltenen Erden in Recyclingprozessen zu Leibe zu rücken. So könnten Ionische Flüssigkeiten den Leuchtstoff Yox aus Yttrium und Europium selektiv aus Energiesparlampenabfall mobilisieren. „Unter optimierten Bedingungen lässt sich von den ionischen Flüssigkeiten europiumdotiertes Y2O3 abtrennen, das erneut als Leuchtstoff eingesetzt werden kann“, so Daumann. Eine weitere Recycling- und Trennstrategie böten Bakterien, die seltene Erden adsorbieren. Daumann: „Die Oberfläche von immobilisierten Roseobacter-sp.-Bakterien kann verschiedene Seltene Erden binden und pH-abhängig freisetzen. Bei pH 2,5 bleiben nur die drei schwersten Elemente Thulium, Ytterbium und Lutetium gebunden und werden so von allen anderen Seltenen Erden getrennt.“

Fazit: Recycling von Rohstoffen ist fraglos eine enorme Herausforderung für Politik, Forschung und Industrie. Der wachsende Bedarf an Strategischen Metallen und Seltenen Erden fördert die Forschung an neuen Recylingmethoden. Doch mit schnellen grundlegenden Veränderungen ist aktuell eher zu nicht rechnen.

Photo: iStock/SERGEY ALESHIN

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