Hightech-Haut aus Gallium als Gesundheitswächter

von | 31. Aug 2022 - 11:06 | Technologien

MIT-Ingenieure entwickeln tragbaren drahtlosen Sensor ohne Chips und Batterien.

Sie zählen die täglichen Schritte, messen Vitalwerte wie Puls oder Blutdruck, werten die Schlafqualität aus: Wearables, also am Körper tragbare Computersysteme. Die smarten Gesundheitshelfer wie Armbänder, Pflaster, Brustgurte oder Textilien überwachen mit Sensoren und Elektroden die Körperfunktionen und übermitteln die Daten drahtlos an Geräte wie das Smartphone. In den letzten Jahren haben sie enorme Verbreitung gefunden.

Unterschieden wird zwischen frei verkäuflichen Freizeit-Wearables wie der Apple Watch und medizinischen Geräten, die entsprechenden strengen Regularien bei der Zulassung unterliegen. Besonders letzter Bereich gilt als Zukunftsmarkt, der sogar das Potenzial hat, die Gesundheitsbranche zu revolutionieren. Medizinische Wearables ermöglichen es, Gesundheitsparameter auf vergleichsweise unkomplizierte, kosten- und zeitsparende Weise in Echtzeit zu überwachen. Die gewonnenen Daten könnten massiv zur Prävention, Diagnose und Kontrolle von Krankheiten beitragen. Doch damit sind die Einsatzmöglichkeiten noch lange nicht erschöpft: Entwickelt werden etwa auch Geräte, die Medikamente abgeben, Schmerzen lindern oder bei Normabweichungen Alarm schlagen.

Galliumnitrid statt Chips und Batterien

Ein Ingenieurteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA hat jetzt eine Technik konzipiert, um die drahtlose Kommunikation dieser Gadgets zu optimieren. Bislang erfolgt die Datenübertragung in der Regel über eingebettete Bluetooth-Chips, die ihrerseits von kleinen Batterien gespeist werden. Doch beides könnte für künftige Wearables, die tendenziell immer kleiner, dünner und flexibler werden, bald zu sperrig sein, heißt es in einer Mitteilung der Universität. Chips haben zudem einen hohen Stromverbrauch. Der in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Entwurf setzt hingegen auf das Wirkprinzip der Piezoelektrizität, unter Einsatz des Halbleitermaterials Galliumnitrid.

Der piezoelektrische Effekt beschreibt das Zusammenspiel von mechanischer Belastung und elektrischer Spannung in Festkörpern. Bestimmte Materialien erzeugen unter Druck elektrische Ladungen. Umgekehrt verformen sie sich als Reaktion auf einen elektrischen Impuls. Durch seine bidirektionalen piezoelektrischen Eigenschaften könnte Galliumnitrid, so die Idee der Forscher, zugleich als Sensor und drahtloser Kommunikator für akustische Oberflächenwellen fungieren, die im Wesentlichen Vibrationen seien. Das bedeutet: Jede Veränderung des Hautzustandes, etwa durch eine beschleunigte Herzfrequenz, würde die mechanischen Schwingungen des Geräts und das automatisch ausgesendete elektrische Signal beeinflussen. Letzteres könnte an einen Empfänger wie ein Smartphone übermittelt werden, da der Sensor selbst keine Daten speichert und keine Anzeige besitzt.

Um die Technik zu testen, stellte das Team eine Art elektronische Haut aus Galliumnitrid her, eine flexible, haftende Folie, die mit 250 Nanometern etwa 100-mal feiner ist als ein menschliches Haar. Zur Verstärkung des elektrischen Signals wurde zusätzlich eine Goldschicht angebracht. Der hauchdünne Film stellte sich als empfindlich genug heraus, um mit Vibrationen auf den Herzschlag von Personen und auf das Salz in ihrem Schweiß zu reagieren. Mehr noch: Der dadurch erzeugte elektrische Impuls konnte von einem drahtlosen Empfänger in der Nähe gelesen werden.

Photo: MIT/mit freundlicher Genehmigung der Forscher

Die Forscher sehen ihre Ergebnisse als einen ersten Schritt auf dem Weg zu chipfreien drahtlosen Sensoren zum Gesundheitsmonitoring. Gekoppelt mit selektiven Sensormembranen, könnten verschiedene lebenswichtige Biomarker überwacht werden. Autor und MIT-Postdoc Jun Min Suh nennt etwa Glukose oder das Stresshormon Cortisol; es sei „eine ziemlich vielseitige Plattform.“

Mehr über Gallium: Das Technologiemetall ist ein wahres Multitalent und könnte künftig etwa auch im Klimaschutz, in der Krebsforschung oder gegen Strom-Blackouts eingesetzt werden.

Beitragsphoto: iStock/tonefotografia

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