Chinas Autoindustrie wächst, europäische Hersteller müssen sich auf starke Konkurrenz einstellen.
Die E-Mobilität boomt, die Nachfrage nach den für ihre Herstellung notwendigen Rohstoffen wie Lithium und Seltenen Erden wächst stetig an. Während europäische Autohersteller vor allem bei letzteren fast vollkommen auf Importe angewiesen sind, sitzen die chinesischen Mitbewerber sozusagen an der Quelle. Das Land gilt wenig überraschend mittlerweile als größter Markt für emissionsfreie Fahrzeuge. Von den im Reich der Mitte produzierten E-Autos gelangt eine zunehmend größere Anzahl in den Export. 2021 waren es etwa 500.000, berichtete im März Nikkei Asia mit Verweis auf Zahlen der chinesischen Zollbehörde. Ziel der Hälfte dieser Autos war Europa.
Dass dieser Anteil zukünftig noch steigen wird, ist auch dem Zutun europäischer Hersteller geschuldet. Wie das Handelsblatt kürzlich unter Berufung auf gut informierte Kreise schrieb, will der Autohersteller BMW seinen gemeinsam mit dem chinesischen Unternehmen Great Wall Motors (GWM) entwickelten elektrischen „Mini“ auch in den USA verkaufen. Erklärtes Ziel von GWM sei indes Europa. Der Erschließung dieses Marktes dürfte auch das 2016 eröffnete Forschungs- und Entwicklungszentrum im hessischen Dietzenbach dienen.
Türöffner für Chinas Autogiganten?
BMW wird laut Handelsblatt bei seinem in China vom Band rollenden Elektro-„Mini“ überwiegend auf das technische Knowhow von GWM setzen. Die Zeitung spekuliert zudem, dass BMW mit der Übernahme dieser vergleichsweise kostengünstigen Technologie an den europäischen Produktionsstandorten dem eigenen Renditeziel näherkommen könnte. Damit würde der Hersteller aus München allerdings auch Werbung für die Automobilbranche aus Fernost betreiben, die früher aufgrund von Qualitätsmängeln oder abgekupferten Designs oftmals belächelt wurde. Mittlerweile sei bereits die Hälfte der Befragten dem Kauf eines E-Autos aus chinesischer Produktion gegenüber aufgeschlossen, wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners ergab. Für einen Kauf sprächen vor allem ein starkes Preis-/Leistungsverhältnis sowie modernste Technologie.
Gefahr für den Autostandort Europa?
Der Standortvorteil von GWM, SAIC Motors oder Geely ist gewaltig: von bis zu 50 Prozent niedrigeren Produktionskosten aufgrund der effizienteren Beschaffung der Rohstoffe ist laut Nikkei Asia die Rede. Und der chinesischen Regierung dürfte daran gelegen sein, die Rohstoffversorgung der eigenen Industrie zu sichern. Der Export von Permanentmagneten könnte dann deutlich reduziert werden, wie die Marktforschungsgruppe Adamas Intelligence zu bedenken gibt, China verzeichnet einen stark steigenden Eigenbedarf an den zur Herstellung notwendigen Seltenen Erden und deckt einen großen Teil dieses Bedarfs durch den Import, etwa aus Myanmar. Angesichts des Umstandes, dass in der EU 98 Prozent der Magneten für E-Autos aus der Volksrepublik stammen, wären dies dramatische Nachrichten für die hiesigen Autohersteller. Sie würden dann von zwei Seiten in die Zange genommen.
Findet die Industrie kein Rezept gegen die Konkurrenz aus Asien, ist der gesamte Standort Europa gefährdet. Knapp 14 Millionen Menschen arbeiten laut der Europäischen Kommission direkt oder indirekt in der Autobranche. Robin Harding, Asienkorrespondent der Financial Times, verglich die aktuelle Situation mit der Ankunft der mittlerweile gleichwertigen japanischen Autos auf den Weltmärkten Ende der 1970er Jahre. Die Vereinigten Staaten drängten damals auf eine Begrenzung des Imports japanischer Autos. Die Situation wuchs sich zu einem Handelskrieg zwischen den verbündeten Mächten aus, denn auch andere Industrien aus dem Land der aufgehenden Sonne drängten in den Markt.
Langfristig geschadet haben die Auseinandersetzungen den japanischen Unternehmen nicht, sie reagierten mit dem Bau eigener Fertigungsanlagen in den USA. 2021 schließlich hat Toyota erstmals mehr Autos verkauft als GM. Der Hersteller aus Detroit sei damit zum ersten Male seit 1931 nicht mehr der Spitzenreiter in den USA, berichtete CNBC damals.
Im Vergleich zur Situation in den 1980er Jahren seien die Auswirkungen einer weiter erstarkenden chinesischen Autoindustrie deutlich größer, resümiert Harding.
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