Droht uns ein mieser Börsenmonat? Möglich, aber kaum vorhersehbar. Dennoch beschäftigen auch derart kurzfristige Fragen die routinierten Anlagestrategen. Privatanleger sollten aber eher einen langfristigen Zeithorizont im Auge haben.
In unserer schnelllebigen (Börsen-)Welt stellt sich zugleich die Frage nach dem Wert von Prognosen. Eine beliebte Streitfrage. Ich erinnere an Mark Twain, der kein erfolgreicher Anleger gewesen sein soll, denn er spottete: Voraussagen soll man unbedingt vermeiden, besonders solche über die Zukunft. Aber ohne Vorhersagen (die ja auf Erfahrungen aus der Vergangenheit und aktuellen Analysen basieren) kommt man nicht aus – ob beim Wetter oder am Aktienmarkt. Wichtiger für den Verbraucher ist die Umsetzung: Wie nutze ich die Meinungen und Informationen für mein Vorgehen?
Das sagt die Statistik zum „September-Effekt“
Was ist dran am „September-Effekt, fragte am Wochenende auch Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, am Wochenende. Der September genießt den Ruf als außergewöhnlich schlechter Aktienmonat. Denn seit 1928 hat der S&P 500 in den Septembermonaten durchschnittlich rund ein Prozent verloren. Kein anderer Monat weist eine negative Performance auf. Die Erklärungsansätze für den sogenannten „September-Effekt“ sind zahlreich. Ein Ansatz ist, dass Anleger Aktien verkaufen, um die fälligen Studien- beziehungsweise Schulgebühren ihrer Kinder zahlen zu können. Andere Theorien vermuten hinter dem Effekt strategische Verkäufe von Aktien mit Verlusten, um Kapitalertragsteuer zu sparen. Fazit von Stephan: „Wissenschaftliche Studien konnten bislang allerdings keine kausale Erklärung finden. Entsprechend rate ich Anlegern, sich nicht von derartigen statistischen Eigenarten verunsichern zu lassen und an ihrer langfristigen Anlagestrategie festzuhalten.“ Das möchte ich unterstreichen.
Anleihen jetzt Alternativen zu Aktien?
In diesen Tagen fällt auf, dass sich immer mehr heimische und internationale Anlageberater für Anleihen als Alternative stark machen, so u.a. Allianz Global Investors: Anleihen sind derzeit für solche Anleger interessant, die in absehbarer Zeit auf wieder fallende Zinsen und damit auf Kursgewinne setzen. Dies wäre vor allem bei einem merklichen Konjunkturabschwung wahrscheinlich. Dann hätten die Zentralbanken mit ihrer verschärften Geldpolitik schlussendlich die Nachfrage gedrosselt und die Inflation gedämpft.
Insgesamt gilt: Die Anleihemärkte können nicht mehr abfällig als zinsloses Risiko bezeichnet werden, sie sind für alle Beobachter hoch interessant. Richtig attraktiv sind sie aber noch nicht.
Aktien für langfristige Anleger attraktiver
Folgende Überlegungen zur Vermögensallokation liegen laut AllianzGI nahe: Aufgrund gestiegener Renditen haben Staatsanleihen ihre relative Attraktivität gegenüber anderen Assetklassen erhöht. Für Langfristinvestoren erscheint das Erreichen von Erträgen über dem Kaufkrafterhalt allerdings mit Aktien weiterhin wahrscheinlicher. Taktisch dürften Anleihen die höchsten Erträge im Szenario eines Konjunkturabschwungs mit einhergehenden Zinssenkungen abwerfen.
Kurzfristig bleiben die Aktienmärkte weiterhin korrekturanfällig. Gestiegene Bewertungen und optimistische Gewinnschätzungen nehmen eine sanfte Landung der Konjunktur vorweg – also rückläufige Inflation ohne das Abgleiten in eine Rezession. Vor allem in China und Europa haben sich die Konjunkturdaten zuletzt merklich eingetrübt. In den USA erscheint die Konjunktur gerade äußerst robust, aber verschiedene Unterstützungsfaktoren dürften sich auch hier bald abschwächen.
Wird der Inflationsrückgang gebremst?
Kurzfristig dürfte der Abwärtstrend bei den Inflationsraten zudem holpriger werden. Gestiegene Ölpreise und weniger günstig wirkende Basiseffekte im Vergleich zum Vorjahr könnten den Rückgang der Inflationsraten bremsen. Die gestiegenen Ölpreise reflektieren zu einem wesentlichen Teil Angebotsverknappungen von Seiten der Förderländer. Der US-Dollar konnte sich zuletzt festigen. Taktisch sollte er von der starken US-Konjunktur und einem unruhigeren Marktumfeld profitieren.
Risiken und Chancen in Deutschland
Während die Wall Street bei den meisten Investment Managern weiter im Mittelpunkt steht – in der Regel mit positivem Vorzeichen –, gehen die Ansichten zu Europa und Asien zum Teil weit auseinander (auch nach einzelnen Ländern). Hierzulande leidet man unter den kaum noch erträglichen innenpolitischen Auseinandersetzungen, speziell unter dem Parteiengezänk. Wird Deutschland ein Verlierer in Europa?
Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management, beschäftigt sich mit der Zukunftsfrage „Deutschland: Von der Wachstumslokomotive zum Schlusslicht“. Denn die deutsche Wirtschaft kämpft mit einem veränderten Umfeld: Die heimische Infrastruktur verfällt, das Bildungsniveau sinkt, und die Innovationskraft lässt nach. Darüber hinaus belasten hohe Energiepreise die Chemie- und Stahlindustrie. Auch die deutsche Exportindustrie leidet unter der Konjunkturschwäche Chinas und der großen Konkurrenz aus Asien auf den Weltmärkten. Enttäuschungen bei Auftragseingängen und bei der Produktion gelten also programmiert. Auch der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors dürfte zeigen, dass sich die Konjunkturschwäche in der Industrie nun ebenfalls auf den Dienstleistungssektor überträgt. Die Abschwungs-Tendenzen in Europa werden also deutlicher.
Wirtschaftspolitik kann richtig Weg weisen
Deutschland und Europa haben aber das Potenzial, durch eine kluge Wirtschaftspolitik wieder aufzuholen, schreibt Walk in seinem Ausblick. Die Voraussetzungen dafür seien durchaus gegeben: „Die „10 Punkte für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ der Bundesregierung sind schon ein Schritt in die richtige Richtung.“
Mark Twain rät von Spekulation ab
Mein Rat: Wer in Aktien spekulieren will, sollte es am besten durch separate Depots tun – getrennt von den längerfristigen Investments. Übrigens: Mark Twain würde von Spekulationen grundsätzlich abraten. Denn ein weiteres berühmtes Börsenzitat lautet: „Es gibt zwei Zeiten im menschlichen Leben, in denen man nicht spekulieren sollte: Wenn man es sich nicht leisten kann und wenn man es kann.“ Und auch zum September-Effekt hatte er Spöttisches geäußert: „Für Börsenspekulationen ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Oktober.“