Wenn die Märkte Dampf ablassen

von | 7. Feb 2022 - 08:49 | Kutzers Corner

Es ist noch nicht ausgestanden. Der wacklig-nervöse Start ins neue Jahr stimmt die professionellen Börsianer nachdenklich. Wohin mit dem (immer noch reichlich vorhandenen) Anlagekapital? Große Unsicherheit hat auf beiden Seiten des Atlantiks sinkende Risikobereitschaft ausgelöst. Nicht nur bei Aktien herrscht hohe Volatilität der Kurse mit schwächerem Unterton. Und es sieht so aus, als sollten die aktuellen Verhältnisse zumindest in den kommenden Wochen anhalten. Trotzdem keine Angst, geschätzte Anleger, doch Vorsicht bleibt angesagt.

So trösten auch die Zürcher Strategen von Fisch Asset Management: Frühzeitiges „Dampf ablassen“ ist markttechnisch positiv. Die Finanzmärkte verhalten sich aktuell bereits wie bei einer schon umgesetzten starken monetären Straffung sowie größeren Rezessionsgefahren. Das ist ungewöhnlich, denn historisch kam es erst nach mehrmaligen Anhebungen der Leitzinsen zu negativen Reaktionen an den Aktienmärkten. Es baut sich deshalb eine Divergenz zwischen negativen Märkten und gleichzeitig einem gut ausbalancierten, weiterhin soliden konjunkturellen und monetären Umfeld auf. Die Märkte lassen Dampf ab, bevor die Geldpolitik überhaupt wirklich stark gestrafft wird. Zudem erwarten viele Analysten verhältnismäßig große Leitzinserhöhungen und eine baldige und deutliche Reduktion der US-Notenbankbilanz. Hier besteht deshalb Raum für positive Überraschungen, falls sich die Inflation in den kommenden Monaten weniger stark als befürchtet entwickeln sollte.

Bessere Ausgangslage für die monetäre Wende

Ein Vergleich der aktuellen Situation mit dem letzten monetären Straffungszyklus der US-Notenbank in den Jahren 2017 bis 2019 belegt eine heute bessere Ausgangslage für die Finanzmärkte als damals: Die Fed-Funds-Zinsen wurden bis Mitte 2019 auf 2,25 Prozent angehoben und die Bilanz der Notenbank um mehr als 400 Milliarden US-Dollar reduziert. Gleichzeitig invertierte damals die US-Zinskurve und signalisierte eine Rezession. Aktuell ist die Geldpolitik noch wesentlich lockerer. Das private Kreditsystem generiert viel Liquidität und die Konjunktur bleibt solide. Allerdings ist die Inflationsentwicklung heute problematischer als 2019. Da hier aber mittelfristig eine Entspannung eintreten dürfte (aufgrund der konjunkturellen Abkühlung, Basiseffekten, abnehmenden Lieferkettenproblemen), besteht die berechtigte Hoffnung auf nur begrenzte negative inflationäre Störeffekte in den kommenden Monaten.

Keine nachhaltige Baisse erwartet

Das momentan von den Analysten erwartete Basisszenario bleibt deshalb eine Kombination aus konjunktureller Abkühlung ohne Rezession, mittelfristig wieder tieferer Inflation und deshalb nur moderat steigenden langfristigen Zinsen und einer abflachenden Zinskurvenstruktur. Nach den starken Korrekturen der Aktienmärkte sowie den wieder höheren langfristigen Zinsen haben sich das Chancen/Risiko-Verhältnis und die Bewertungen, auch für die Kreditmärkte, wieder verbessert. Die Marktstimmung ist zudem extrem schnell und stark gefallen, was wir ebenfalls als ein eher positives Zeichen für die künftige monetäre Straffung, obwohl nur moderat, noch für längere Zeit zu hoher Volatilität und beschränktem Aufwärtspotenzial führen. Eine langanhaltende Baisse gilt weiter als unwahrscheinlich. Deshalb empfehlen die Schweizer:  Starke Korrekturen können für Käufe bei Aktien, Unternehmens- oder auch Wandelanleihen genutzt werden.

Aussichten besser als die aktuelle Stimmung

Zu einer ganz ähnlichen Einschätzung kommen die Manager der Prima Fonds:  Schwere Zeiten, gute Aussichten, denn die Aussichten sind besser als die aktuelle Stimmung. So darf auch in diesem Jahr mit einem zwar abgeschwächten, aber ordentlichen Wachstum der Weltwirtschaft und der Aktienmärkte gerechnet werden. Digitalisierung und Klimawandel bleiben die Wachstumsmotoren. Die Inflationsraten sollten abnehmen, aber im langjährigen Vergleich hoch bleiben, die Realzinsen negativ.

Unberechenbarer Einfluss der Geopolitik

Solche Argumentationsketten sind plausibel und nachvollziehbar. Welche Rolle kann aber die Geopolitik spielen? Die Börse versucht ja vor allem die wirtschaftlichen Entwicklungen und Aussichten einzupreisen. Die Kurse werden kurzfristig aber in erster Linie von der Geldpolitik der Notenbanken beeinflusst. Die Geopolitik steht (noch) im Hintergrund und wird als Risikofaktor nach meinem Eindruck (bisher) nicht ernst genug genommen. Jedenfalls lassen die jüngsten Veröffentlichungen der Analysten und Volkswirte (noch) keine gesteigerten Sorgen wegen der hohen Politik erkennen. Dabei würde gerade Europa zu den wirtschaftlichen Verlierern einer neuen Ära des Kalten Kriegs gehören. Hoffentlich gelingt in den nächsten Tagen eine Entspannung zwischen Russland und der Nato auf der diplomatischen Ebene!

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