Seltene Erde können helfen, chemische Waffen unschädlich zu machen: Wissenschaftler in Kanada präsentieren spannende Forschungsergebnisse.
Die Rüstungsindustrie gehört zu den vielfältigen Einsatzgebieten von Seltenen Erden. Hier werden sie etwa für Triebwerke, Laser, Radar- oder Raketenlenksysteme verwendet. Dass die Rohstoffe aber auch ganz im Gegenteil zur Abrüstung beitragen können, zeigen Forschungen der kanadischen Concordia University. Dort wurde eine Verbindung mit Seltenen Erden entwickelt, die unter Einwirkung von ultraviolettem Licht in Minutenschnelle chemische Waffen entschärfen kann. Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Arbeitsgruppe um Doktorand Victor Quezada-Novoa und Forschungsleiterin Ashlee Howarth in der Zeitschrift Chemistry of Materials.
Als Basis dient die Stoffklasse der sogenannten MOFs: (von „metal-organic frameworks“, zu Deutsch metall-organische Gerüstverbindungen): Künstliche Netzwerke aus Metallionen oder Metallclustern, verbunden durch organische Moleküle, die „Linker“. Die offene, hochporöse Struktur eignet sich hervorragend, um Gas zu speichern und zu absorbieren. Durch chemische Reaktionen können MOFs sogar toxische Stoffe unschädlich machen. Ein ideales Werkzeug also, um Kampfgase zu neutralisieren. Bereits seit längerem wird deshalb erforscht, wie MOFs im Militär eingesetzt werden können.
Neues Material mit außergewöhnlichen Eigenschaften
Genau für diesen Zweck hat das Concordia-Forschungsteam ein Material entwickelt, das sich nach eigenen Angaben von allen bisherigen MOFs unterscheiden. Darin werden Seltenerdmoleküle von Linkern auf Pyrenbasis zusammengehalten, die unter UV-Licht eine außergewöhnlich reaktive Sauerstoffspezies erzeugen. Diese ist in der Lage, Senfgas zu zerstören, erklärt Quezada-Novoa. Die Verbindung trägt die Bezeichnung RE-CU-10 (RE für „Rare Earths“ und CU für „Concordia University“) und enthält die Seltenerdmetalle Yttrium und Terbium.
Der stark ätzende, hochgiftige Kampfstoff Senfgas, eigentlich Bissulfid, ist vor allem für seine Verwendung im Ersten Weltkrieg berüchtigt. Auch heute noch wird die chemische Waffe gelagert und eingesetzt. Im Labor zeigte RE-CU-10 sich hocheffektiv bei der Zersetzung von 23 Millilitern Senfgas-Simulans. Die Substanzen wurden dafür mit Methanol in ein Glasfläschen gefüllt, das anschließend mit UV-Licht bestrahlt wurde. Nach nur dreieinhalb Minuten war die Hälfte des Senfgas-Simulans neutralisiert, nach 15 Minuten der Rest.
Nun hoffen Quezada-Novoa, Howarth und ihre Mitstreiter, ihr MOF eines Tages in einer militärischen Laborumgebung testen zu können. Ein wünschenswertes Ziel angesichts der Tatsache, dass heute noch weltweit große Mengen Senfgas existieren.
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