Gestern wie heute: Inflation und Geldpolitik stehen im Mittelpunkt der Finanzmärkte. Auch in der neuen Woche blicken die Investoren wieder intensiv auf entsprechende Beschlüsse und Prognosen der führenden Notenbanken.
Die Einschätzungen und Erwartungen namhafter Analysten haben sich inzwischen angenähert, gehen nicht mehr so weit auseinander wie noch vor Monaten. So fasst das Metzler Asset Management zusammen: Die Leitzinserhöhung der EZB war eine schwierige Entscheidung, da sich die EZB zwischen Inflation und Wirtschaftswachstum entscheiden musste. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone dürfte sich also weiter verlangsamen. Unter den Industrienationen sticht allerdings Großbritannien derzeit mit immer noch sehr hohen Inflationsraten bei gleichzeitig sehr schwachen Konjunkturdaten hervor. Während in Europa das Wirtschaftswachstum schwächelt, läuft es für die japanische Wirtschaft derzeit gut – allerdings hält sich gleichzeitig eine ungewöhnlich hohe Inflation.
Was macht jetzt die Fed?
Allerdings geht es bei den Vorhersagen nicht ohne Einschränkungen und Vorbehalte. So schreiben die Asset Manager von Allianz Global Investors: Die kommende Fed-Sitzung findet vor dem Hintergrund äußerst erfreulicher Konjunkturdaten statt, die eine positive Entwicklung der US-Wirtschaft unterstreichen. Demnach hat sich die realwirtschaftliche Dynamik weiter verfestigt, während sowohl die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt als auch die Kerninflation nachgelassen haben. Auch wenn dies manche dazu ermutigen könnte, daraus zu schließen, dass das Endspiel so gut wie gelaufen sei und der Sieg gegen die Inflation in greifbare Nähe rücke: Wir sind der Überzeugung, dass der geldpolitische Straffungskurs noch nicht abgeschlossen ist. In der Vergangenheit hat ein Rückgang der Inflation von der Spitze oftmals eine Welle der Renaissance nach sich gezogen – eine Entwicklung, die sich angesichts jüngster Ölpreissteigerungen zu wiederholen droht. Aus diesem Grund halten wir es für wahrscheinlich, dass die Fed in ihrer kommenden Sitzung den Leitzins unverändert lassen, in ihren Prognosen weiterhin eine letzte Anhebung vor Jahresende signalisieren und womöglich die Aussichten auf Zinssenkungen im nächsten Jahr nochmals dämpfen wird.
Robeco blickt fünf Jahre voraus
Soweit die kurz- bis mittelfristigen Marktbetrachtungen. Sie gehören zur Tagesordnung, obwohl sie für den langfristig denkenden Privatanleger nicht im Mittelpunkt stehen sollten. Eine Besonderheit sind die jährlichen Reports „Expected Returns“ von Robeco – diesmal für den Zeitraum 2024 bis 2028. In der neuen Publikation untersuchen die internationalen Investments-Experten, was Investoren von allen wichtigen Assetklassen über einen Zeitraum von fünf Jahren erwarten können, und geben Einblick in gesamtwirtschaftliche Prognosen. Daraus im Folgendem wesentliche Auszüge. Der neue 5-Jahres-Ausblick trägt den Titel „Dreifache Machtprobe“ und prognostiziert eine starke Machtdynamik, die das wirtschaftliche Umfeld in den kommenden Jahren prägen wird. Dabei finden auf drei Ebenen Machtkämpfe statt: zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Steuer- und Geldpolitik sowie zwischen den USA und China, deren Beziehung sich klar verschlechtert hat.
Rückblick: Hohe Gewinne der Unternehmen
In den letzten Jahrzehnten haben die Unternehmen rekordhohe Gewinne erwirtschaftet, während der Anteil des Produktionsfaktors Arbeit an der Wirtschaftsleistung zurückgegangen ist. Der zunehmende Trend zur Rückverlagerung von Produktion und Betrieben ins Inland („Reshoring“) könnte die Unternehmensgewinne angesichts der gestärkten Verhandlungsposition der Arbeitnehmer jedoch vor Herausforderungen stellen. Eine erneute Fokussierung der Regierungen auf höhere Einnahmen aus Unternehmenssteuern könnte das Gleichgewicht wieder in Richtung Arbeit verschieben.
Fiskalpolitik versus Geldpolitik
Während der Pandemie wurde die Wirtschaft vor allem mit fiskal- statt geldpolitischen Maßnahmen gestützt. Doch bergen staatliche Konjunkturprogramme das Risiko, die Inflation weiter anzufachen, während starke Zentralbanken die Auswirkungen abmildern. Regierungen, die ihren Fokus von haushaltspolitischer Vorsicht auf wachsende Investitionen in die Bereiche Sicherheit und Klima verlagern, könnten für zusätzliche Inflation sorgen. Indessen könnten sich die Zentralbanken weigern, eine übermäßig ausgabenfreudige Regierung mit einer Politik des lockeren Geldes zu unterstützen, solange die Inflation über der Zielmarke liegt.
USA versus China
Der Kampf um die technologische Vorherrschaft zwischen den USA und China macht mehr als deutlich, dass wir uns in Richtung einer multipolaren Weltordnung bewegen. Die Friedensdividende scheint aufgezehrt, während zunehmende Handelsspannungen auf das Wachstum des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) drücken könnten. Westliche Regierungen könnten darauf mit stärkerer Regulierung, höheren Militärausgaben und weniger Laissez-faire-Wirtschaft reagieren, um den Status-quo aufrechtzuerhalten.
Erwartete Auswirkungen für Multi Asset-Strategien
Wenn diese Machtkämpfe gemeistert werden können, erwartet Robeco einen wirtschaftlichen Stillstand mit einer leichten Rezession im Jahr 2024 und einer sich stabilisierenden Inflation bei durchschnittlich etwa 2,5 Prozent bis 2029. In einem optimistischen Szenario könnte eine schnelle und breit angelegte Einführung von künstlicher Intelligenz enorme technologische Fortschritte in Gang setzen, die einen inflationsdämpfenden Angebotsschock für die Weltwirtschaft auslösen könnten. In einem pessimistischen Szenario könnte hingegen das Misstrauen zwischen den Supermächten das Wachstum ausbremsen und Stagflation zur Folge haben.
Laurens Swinkels, Head of Quant Strategy im Bereich Sustainable Multi Asset Solutions bei Robeco: „Das Zusammentreffen von starken Kräften macht es zwar wahrscheinlicher, dass extreme Ereignisse eintreten. Für diversifizierte Anlagestrategien, die sich in verschiedenen Szenarien gut entwickeln können, eröffnet ein solches Umfeld aber auch interessante Gelegenheiten. Wir gehen langsam von einer Ära mit niedrigen Zinsen und hohen Aktienrisikoprämien in eine Ära mit höheren Zinsen und niedrigeren Aktienrisikoprämien über. Letztlich sind US-Aktien immer noch teuer.“
Szenarien „KI wird flügge“ und „Risikoabbau“
Im bullischen Szenario „KI wird flügge“ könnten scheinbar hoch bewertete Technologieunternehmen weiter Rückenwind bekommen und die Produktivität in anderen Branchen steigern. In diesem Szenario wären Aktienrenditen von 11 Prozent denkbar. Im bärischen Szenario „Risikoabbau“ müssen die Zentralbanken weiter gegen die Inflation kämpfen, während die Regierungen sie zusätzlich anheizen. Das würde sowohl das Realwachstum als auch die Renditen für Risikoassets nach unten drücken – möglicherweise auf ein Niveau von 2,5 Prozent pro Jahr.
Rendite-Dreieck auch für den Welt-Aktienmarkt
Wem derartige Ausblicke zu unsicher erscheinen, wird sich bei seinen Anlageentscheidungen vielleicht eher auf Erfahrungen aus der langjährigen Vergangenheit stützen. Und wer noch nicht von der langfristigen Attraktivität der Aktien überzeugt ist, dem empfehle ich seit langem die anschauliche Darstellung durch die Rendite-Dreiecke des Deutschen Aktieninstituts. Mittlerweile gibt es diese aussagekräftige Illustration der Wertsteigerung von Aktien nicht nur für den Dax, sondern auch für den MSCI World-Index. Beispiel: Eine monatliche Geldanlage in den globalen MSCI von Ende 2001 bis Ende 2018 brachte eine durchschnittliche jährliche Rendite von 7,9 Prozent!