(Un-)Sicherheitsfaktor: Taiwans Chipindustrie

von | 22. Okt 2021 - 15:14 | Wissen

Für Taiwan ist die Produktion von Halbleiterchips nicht nur wirtschaftlich bedeutsam. Auch geopolitisch ist die Branche wichtig, um sich gegenüber China zu behaupten. Die Rede ist sogar von einem Siliziumschild, das die Insel beschützt.

Einen Umsatzverlust von 210 Milliarden Dollar wird der Mangel an Computerchips die Autobranche kosten, wie der Sender CNBC unter Berufung von Zahlen der Unternehmensberatung AlixPartners Ende September berichtete. Die überwiegend aus Siliziumhalbleitern bestehenden Komponenten steuern zahlreiche Funktionen in den Fahrzeugen. Ihre Anzahl wächst außerdem stetig: Autonomes Fahren, E-Mobilität und Vernetzung erfordern immer mehr Rechenleistung. Gleiches gilt für Computer oder Mobiltelefone.

Die leistungsstärksten Chips stammen aus Asien, wie die Boston Consulting Group in einer Studie mitteilte. Dabei nimmt Taiwan mit 92 Prozent einen deutlich größeren Marktanteil ein als Südkorea, das die restlichen acht Prozent für sich reklamieren kann. Wichtigstes Unternehmen der Branche in Taiwan ist Taiwan Semiconductor Manufacturing Co (TSMC), ein Auftragshersteller, der für Chipentwickler wie AMD, Qualcomm oder NVIDIA die Produktion übernimmt. Diese besitzen keine eigenen Foundries (Englisch für Gießerei), wie die Chipfabriken auch genannt werden.

Sicherheitsfaktor Chipproduktion

Die Branche um TSMC ist für Taiwan von herausragender Bedeutung, sie trägt 15 Prozent zum Bruttosozialprodukt des Inselstaates bei. Das über Jahrzehnte aufgebaute Technologie Knowhow gilt auch als ein As im Ärmel gegen die Ambitionen Chinas zur Wiedervereinigung beider Länder. Würde sich daraus ein militärischer Konflikt entwickeln und die Chipproduktion unterbrochen werden, wären die Auswirkungen weltweit zu spüren, schrieb der Journalist Craig Addison 2000 in der New York Times. Für die von der Produktion abhängige USA wäre dies ein triftiger Grund für eine Intervention, so Addison, der den Begriff des „Silicon Shields“ (Siliziumschild) prägte, der Taiwan schütze.

Dass Taiwan durchaus Grund zur Beunruhigung hat, zeigte sich jüngst: Chinesische Militärflugzeuge drangen mehrfach in den Luftraum Taiwans ein. Hinzu kamen Übungen zum Anlanden am Strand, die in einer Taiwan gegenüberliegenden Provinz abgehalten wurden. Die Situation sei so angespannt wie seit 40 Jahren nicht mehr, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Taiwans Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng.

China deckt seinen Chipbedarf überwiegend  durch den Import, alleine im Juni wurden Chips im Wert von 38 Milliarden US-Dollar eingekauft, wie die South China Morning Post schreibt. Die Bauteile sind damit das wichtigste Importprodukt des Landes, noch weit vor etwa Rohöl. Es verwundert daher nicht, dass China eine eigene Halbleiterindustrie aufbauen will. Skizziert wurde das Vorhaben 2015 als „Made in China 2025“, das die Produktion in der Volksrepublik fortschrittlicher machen soll.

Bis dahin scheint es noch ein weitere Weg zu sein, derzeit beträgt der Entwicklungsrückstand von Chinas bedeutendstem Chipunternehmen Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) gegenüber TSMC fünf bis sechs Jahre, so die Einschätzung vom Bloomberg. Um dieses Defizit auszugleichen, versuchte China immer wieder Chipexperten aus Taiwan abzuwerben. Die Regierung in Taipeh hat hierauf Ende April mit einem generellen Verbot von Ausschreibungen für Stellen in China reagiert. Chinesische Unternehmen sind zudem Aktivitäten in bestimmten Bereichen der taiwanischen Wirtschaft untersagt, was die Halbleiterbranche einschließt. Auch hiergegen gab es in der Vergangenheit Verstöße, wie die Financial Times berichtet.

Europäische Lösung oder technische Isolation?

Bestrebungen, Entwicklung und Produktion selbst zu übernehmen, gibt es ebenfalls in den USA und Europa. Die EU-Kommission hat dazu einen „European Chips Act“ angekündigt. Das Arbeitsprogramm wurde bislang nicht der Öffentlichkeit vorgestellt, das Handelsblatt zitierte aber vor einigen Tages aus dem ihm vorliegenden Dokument. Es sieht unter anderem die Reduzierung der Abhängigkeit vor und eine verstärkte Investition in die Innovation. Noch nicht veröffentlicht und das Inkrafttreten im dritten Quartal 2022 noch fern am Horizont, ruft das Vorhaben bereits Kritiker auf den Plan. Eine Abkoppelung Europas von den internationalen Lieferketten sei ein Fehler, so eine Stellungnahme, die auf der Webseite der niederländischen Regierung veröffentlich wurde. Den europäischen Interessen sei mit einem offenen Ökosystem, das Investitionen anzieht, Innovationen beschleunigt und einen Marktwert schafft, besser gedient.

Den Vorsprung TSMCs im Alleingang aufzuholen, erscheint ohnehin wenig realistisch, denn auch in China wird die Entwicklung seit Jahren umfangreich vom Staat gefördert und sie ist wie erwähnt noch nicht auf Augenhöhe mit Taiwan. Unklar ist zudem, wie die hohen Kosten unter den europäischen Ländern aufgeteilt werden sollen. Eine moderne Foundry kostet laut TSMC etwa 20 Milliarden Dollar.

Nicht zuletzt müsste auch die Versorgung mit den zur Fertigung der Chips notwendigen Rohstoffen geklärt und gesichert werden. Die wichtigsten Materialien – Silizium und Germanium – stammen überwiegend aus China, wie Daten des U.S. Geographical Survey zeigen. So schnell wird Asien also nicht irrelevant werden.

Photo: iStock/Mykola Pokhodzhay

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