Was hat welchen Einfluss auf die Aktienkurse? Ich will aus aktuellem Anlass an eine uralte, aber wichtige Beobachtung erinnern: Die Stimmung unter den Anlegern wird nicht nur von allgemein wirksamen Entwicklungen im Börsenumfeld bestimmt. Es können auch einzelne Neuigkeiten sein, die von den Marktteilnehmern mit ihren eigenen Erwartungen abgeglichen werden. Das spielt für das kurzfristige Kaufen-Halten-Verkaufen insbesondere in unsicheren Phasen eine wichtige Rolle, fördert uneinheitliche und volatile Kurstendenzen. Deshalb sollten Sie, geschätzte Anleger, nicht nur die allgemeinen Themen (Corona, Inflation, Geldpolitik etc.) im Auge behalten, sondern zunehmend auch die einzelnen News aus Ländern, Branchen und Unternehmen für Ihre Taktik berücksichtigen.
Den noch unerfahrenen Anlegern sei gesagt, dass der Überraschungsfaktor am Aktienmarkt meist für überdurchschnittliche Kursveränderungen sorgt. Dazu stark vereinfachte Beispiele (Zahlen willkürlich festgesetzt). Der Kurs der A-Aktie bewegt sich kaum noch, pendelt nach einer Aufwärtsbewegung um 100. Börsenprofis erwarten eine starke Steigerung des Quartalsgewinns von 10 auf 20. Diese Hoffnung erfüllt sich, die Agenturen melden bei der Vorlage des Zwischenberichts „wie erwartet“. Danach verändert sich der Aktienkurs nicht oder nur wenig – man hatte die gute Nachricht ja erwartet.
Wenn Erwartungen übertroffen werden
Wird die Erwartung aber deutlich übertroffen (Gewinn ist sogar auf 30 gesprungen), freuen sich die Anleger und kaufen, der Kurs klettert auf 120. Umgekehrt: Gibt es eine Enttäuschung, weil der Gewinn nur wenig von 10 auf 12 geklettert ist, entsteht Verkaufsdruck – der Aktienkurs gibt innerhalb weniger Tage von 100 auf 90 nach. Typische Beispiele. Aber keine feste Regel! Es kann auch ganz anders kommen, wenn andere Einflüsse stärkeres Gewicht auf das Kursgeschehen gewinnen. Mein Rat: Versuchen Sie ab jetzt und in den kommenden Wochen herauszufinden, welche Ereignisse und Neuigkeiten sich mehr oder weniger stark auf welche Aktienmärkte auswirken!
International werden die Ost-West-Spannungen durch den massiven Aufmarsch russischer Streitkräfte nahe der ukrainischen Grenze zunehmend beachtet: Bereitet Putin eine Großoffensive auf die Ukraine vor? Der Ölpreis sinkt, Gas bleibt knapp. Der globale Energiemarkt hat sich zwar etwas entspannt. Doch in Europa bleibt einer der wichtigsten Energieträger knapp. Kaltes Wetter und ungewöhnlich geringe Lieferungen in den vergangenen Wochen sorgen dafür, dass die Europäer in den kommenden Monaten völlig von der Gunst des Kremls abhängig sind.
US-Arbeitsmarkt hat Börsianer enttäuscht
Inmitten der Abkehr vom Krisenmodus sieht sich die US-Notenbank mit einer stockenden Erholung am Arbeitsmarkt konfrontiert. Das ist wichtig sowohl für die Geldpolitik der Fed als auch für die Börsen. Denn die Arbeitsmarktdaten gelten in den USA als besonders aussagekräftig für die wirtschaftliche Entwicklung. Im November entstanden lediglich 210.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft, wie die Regierung am Freitag. Von Reuters befragte Experten hatten mit 550.000 gerechnet. Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote fiel zugleich auf 4,2 von zuvor 4,6 Prozent und damit deutlicher als erwartet. Doch der personelle Aderlass zu Beginn der Pandemie in den USA im Frühjahr 2020 wirkt nach: Der Verlust an Jobs gegenüber dem Vorkrisenniveau beläuft sich laut Experten auf noch immer knapp 4 Millionen Stellen. Bei der US-Notenbank leuchten zugleich wegen der Inflationsgefahr die Warnleuchten.
Die türkische Zentralbank hat der taumelnden Landeswährung Lira zum zweiten Mal in dieser Woche unter die Arme gegriffen. Die türkische Lira hat in diesem Jahr rund 47 Prozent an Wert verloren. Das liegt auch daran, dass die Zentralbank ihren Leitzins zuletzt mehrfach auf aktuell 15 Prozent gesenkt hat – trotz einer Inflationsrate von mittlerweile mehr als 21 Prozent im November! Kann sich daraus eine internationale Finanzkrise entwickeln? fragen sich besorgte Experten.
Bei uns hat die Chipkrise den Automarkt weiter fest im Griff: Im November brach der Neuwagenabsatz um 31,7 Prozent auf nur noch rund 198.000 Fahrzeuge ein, wie aus der Neuzulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamtes hervorgeht. Im Oktober waren die Neuregistrierungen sogar um 35 Prozent gefallen, im September um gut ein Viertel. Grund für den massiven Rückgang sind nach Branchenangaben die anhaltenden Produktionsausfälle wegen fehlender Bauteile.
Überraschende Dividendenpläne der Allianz
Für Aufsehen hat bei uns zuletzt eine positive Überraschung gesorgt: Die Allianz will ihren Aktionären künftig jährlich steigende Dividenden auszahlen. Die Ausschüttung je Aktie soll zumindest um 5 Prozent über dem Vorjahreswert liegen, teilte der Versicherer am Donnerstag mit. Diese Regelung gelte bereits für die Dividende des Geschäftsjahres 2021. Darüber hinaus gibt die Allianz überschüssiges Kapital auf flexible Weise an die Anteilseigner zurück, etwa über Aktienrückkäufe. Das hört die Börse gern.
Und die neue Woche? Neue Zahlen kommen u.a. zur Produktion der deutschen Industrie. Dazu der monatliche ZEW-Indikator: Es ist zu befürchten, dass die Finanzmarktanalysten ihre in der Dezember-Umfrage des Mannheimer Instituts geäußerten Konjunkturerwartungen wie auch ihre Lageeinschätzung merklich nach unten korrigieren.