Spintronik gilt als vielversprechende Zukunftstechnologie. Doch die Forschung steht noch am Anfang. Mit Kristallen aus Seltenerd-Atomen könnten Wissenschaftler nun ein entscheidendes Bauteil entwickelt haben.
Spintronik könnte die Elektronik der nächsten Generation sein und wesentlich leistungsstärkere, energiesparende Computer ermöglichen. Während die heute gängige Halbleiterelektronik auf der Ladung und Bewegung von Elektronen basiert, steht in der Spintronik deren Drehimpuls im Fokus – der sogenannte Spin. Mit dieser Eigenrotation ist ein magnetisches Moment verknüpft, das genutzt werden kann, um Informationen zu verarbeiten. „Man kann sich die Elektronenspins vorstellen wie winzige magnetische Nadeln, die an den Atomen eines Kristallgitters festgemacht sind und die miteinander kommunizieren“, erklärt Cornelius Krellner, Professor für Experimentalphysik an der Goethe-Universität Frankfurt. Wie diese atomaren Magnetnadeln aufeinander reagieren, hänge vom verwendeten Material und seinen Eigenschaften ab.
Bisher wurden für Spintronik-Versuche vor allem ferromagnetische Materialien genutzt, deren Magnetnadeln bevorzugt in eine Richtung zeigen. Noch größeres Potenzial bieten womöglich Antiferromagnete. Hier orientieren sich benachbarte Spins jeweils in die Gegenrichtung, was für eine noch schnellere und effizientere Schaltbarkeit sorgen soll. Genau solche Antiferromagnete in Form von Kristallen hat Krellner jetzt in Kooperation mit mehreren anderen europäischen Universitäten hergestellt. Als Basis dienen Seltene Erden, deren vergleichsweise schwere Atome starke magnetische Momente aufweisen. Sie gelten deshalb als interessante Kandidaten für die Spintronik.
Im Rahmen seiner Arbeit, die in Nature Materials veröffentlicht wurde, untersuchte das Wissenschaftsteam sieben Materialien mit unterschiedlichen Seltenerd-Atomen, von Holmium bis Praseodym. Das Problem bei der Entwicklung spintronischer Materialien sei, so die Mitteilung der Goethe-Universität, dass man „perfekt maßgeschneiderte Kristalle“ brauche. Denn bereits kleinste Unstimmigkeiten beeinträchtigen die magnetische Gesamtordnung. Zur Herstellung der erwünschten Kristalle waren herkömmliche Kristallisationsverfahren jedoch ungeeignet, erklärt Krellner. Die Seltenen Erden schmelzen nämlich bei rund 1000° C, das ebenfalls benötigte Edelmetall Rhodium aber erst bei rund 2000° C.
Heißes Indium als Lösung
Das Forschungsteam setzte deshalb das Technologiemetall Indium als Lösungsmittel ein: Bei 1500° C lösten sich darin sowohl die Seltenen Erden als auch die zusätzlichen Materialien Rhodium und Silizium. Nachdem die Temperatur rund eine Woche lang gehalten und dann sukzessive heruntergekühlt wurde, bildeten sich die Kristalle. Die anschließende Röntgenuntersuchung habe deutlich gezeigt, dass die Seltenerd-Atome darin sehr schnell magnetisch miteinander reagieren. Die Stärke dieser Reaktion lasse sich sogar gezielt einstellen.
Marktreif sei die Technik freilich noch nicht. So überzeugen die Kristalle bisher nur bei Temperaturen von unter minus 170 Grad mit ihren magnetischen Leistungen. Bis die Seltenerd-Kristalle etwa in neuartigen Computerchips eingesetzt werden können, ist also noch einiges an Forschung nötig.
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