Die Prognosen für 2022 liegen auf dem Tisch. Und sie machen den Anlegern Mut. Überraschungen sind zwar nie auszuschließen, aber die letzten Tage des alten Jahres dürften kaum neue Erkenntnisse liefern. Die Analysen und Prognosen der vergangenen Tage haben sich inhaltlich angenähert – es überwiegt vorsichtiger, vereinzelt sogar ausgeprägter Optimismus für den Aktienmarkt. Dabei sind die Propheten für die ersten Monate eher skeptisch, teils sogar negativ gestimmt und setzen auf eine Aufwärtsentwicklung im Jahresverlauf (= zweites Halbjahr).
Eine relativ verhaltene Ansicht vertritt Axel Cron, Chief Investment Officer bei HSBC Asset Management (Deutschland), ohne euphorisch zu sein: „Investoren sollten nicht mit allzu hohen Erwartungen ins neue Jahr gehen.“ Die Weltwirtschaft befindet sich weiterhin in einer soliden Wachstumsphase, 2022 werden die Zuwachsraten oberhalb der langfristigen Trends liegen. Das gilt etwa für die USA, aber auch für die Eurozone. Das größte Wachstumspotenzial hat nach wie vor Asien, China sollte ein Plus von 5 Prozent und mehr liefern. Da die Notenbanken die Zügel nicht zu straff anziehen und ihre Schritte sehr gut kommunizieren, nehmen sie Unsicherheit aus den Märkten. Zwar harmonieren steigende Zinsen grundsätzlich nicht mit Aktien. Das gilt allerdings nicht direkt nach einer Zinswende. Es gibt typischerweise eine Phase von bis zu zwei Jahren, in der Aktien trotz steigender Zinsen gut laufen. Die Notenbanken dürften die Party also nicht verderben. Aber: Die Bewertungen sind hoch, und in den Kursen ist nicht mehr viel Musik.
Aktienperformance von 5 bis 7 Prozent erwartet
Was heißt das konkret? Die Aktienbewertungen werden derzeit nicht mehr ausgeweitet, sondern eher zurückgenommen. Das Performance-Potenzial entspricht weitgehend der Gewinndynamik der Unternehmen. Das wird sich wahrscheinlich nächstes Jahr fortsetzen. Entsprechend gedämpft sind die Performance-Erwartungen. „Wir halten für 2022 ein Plus von 5 bis 7 Prozent über die Aktienmärkte hinweg für realistisch. In der heutigen Zeit ist das ein auskömmlicher Wert für viele Investoren“, erläutert Cron.
Asiatische Aktien wieder im Fokus
Aktienmärkte der Schwellenländer, speziell China, standen 2021 etwas im Schatten. China hatte sich wirtschaftlich relativ schnell von der Pandemie erholt und geldpolitisch bereits etwas gebremst. Das kostete Wachstum. Nun werden die Regler wieder hochgedreht. Jüngst hat China die Mindestreservesätze leicht gesenkt und die Kreditvergabe erleichtert. Es dürfte allerdings etwas dauern, bis diese Maßnahmen Wirkung zeigen. Hinzu kommt die staatliche Regulierung, die sich fortsetzen wird. Starke Kapitalzuflüsse sind vorerst nicht zu erwarten. Mittel- und langfristig bleibt China ein sehr gutes Anlagethema.
Die Geldpolitik wird es auch 2022 richten
Die dunkelste Wolke über uns bleibt bis auf weiteres Corona mit all seinen schlimmen Auswirkungen. In den verbleibenden zwei Wochen dieses Jahres dürften sich die Anleger weiter mit der Pandemie auseinandersetzen: Wird das Vordringen von Omikron zu neuerlicher Wachstumsunsicherheit führen? Zum Jahreswechsel sollten die Einkaufsmanagerumfragen darüber Auskunft geben. Folgen weitere Inflationsrekorde, wie die deutschen Erzeugerpreise im November mit einem Plus von 19 % andeuten? Gibt es ein Déjà-vu, nicht nur in Bezug auf die Pandemie, sondern auch hinsichtlich des fundamentalen Rahmens? Rückkehr der Inflation, Wachstumsunsicherheiten sowie Konflikte zwischen USA, China und Russland – die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts lassen grüßen. Resümieren die Strategen der Helaba: An den Finanzmärkten überwiegt die Hoffnung. Die Geldpolitik wird es richten, auch 2022.
Die neue Woche wird vor allem zeigen, ob die Sorgen noch tiefere Spuren im Verbraucherverhalten hinterlassen – und damit auch den Aktienmarkt beeindrucken. Am Dienstag wird der aktuelle GfK-Konsumklima-Index veröffentlicht. Am Mittwoch und Donnerstag folgen neue Zahlen zum US-Verbrauchervertrauen und zu den US-Konsumausgaben.
Aktien und Rohstoffe mit den besten Chancen
Meine wichtigste Empfehlung vor dem Jahreswechsel: Investieren Sie auf jeden Fall in Geduld, geschätzte Anleger! Sollte uns tatsächlich die fünfte Pandemie-Welle überrollen, muss zumindest das erste Quartal (wahrscheinlich) abgeschrieben werden. Dann sollte sich aber eine längere und intensive Phase der weltwirtschaftlichen Erholung einstellen. Ich bin überzeugt, dass 2022 neuen Schwung in Konjunktur und Konsum bringen kann, insbesondere im Jahresverlauf. Die Geldpolitik bleibt ein Rückhalt, die Zinsen werden (wenn überhaupt) nur leicht anziehen, die Inflation wird wieder sinken. So oder so – Sachwerte bleiben im Fokus, weil sie die besten Chancen bieten. Das heißt, weiterhin auf Aktien und Rohstoffe setzen, dazu auf Gold als langfristiges Sicherheitselement.