Abgesehen von kurzfristigen Spekulationen sind die meisten Anleger an mittel- bis langfristigen Trends interessiert. Am liebsten möchte man morgen schon erahnen, was das nächste Jahr (und die Zeit danach) bringen wird. Doch an den Finanzmärkten funktioniert das nicht. Gerade jetzt liegt viel Spannung in der Luft. Insofern könnte der Börsenverlauf der kommenden Woche zum Test für Widerstandsfähigkeit in einem unsicheren Umfeld werden.
Nachdem einige Indikatoren in der vergangenen Woche enttäuscht haben, wird die Konjunktur mit immer stärkeren Argusaugen beobachtet. Es war auch nur eine Frage der Zeit, bis die starke Aufholbewegung nach der Pandemie, die mit starken fiskalischen und monetären Spritzen aufgepäppelt wurde, ihren Zenit überschreitet. Sie tut dies nach Regionen bzw. Ländern de-synchron. Der Gipfel scheint nun aber überall überschritten. Die Sorgen um die Inflation verdichten sich im Reigen der Konjunkturdaten immer mehr zum Reizwort Stagflation.
Die Strategen von Allianz Global Investors sind nicht die einzigen, die warnen: Die Inflation ist da und dürfte uns noch länger beschäftigen. Die Europäische Zentralbank strebt als optimalen Wert für die Wirtschaft 2 Prozent Teuerung an. Die Inflation im Euroraum lag im September mit 3,4 Prozent jedoch weit darüber. Nach Ansicht der EZB wirken viele Preistreiber nur temporär und sind durch die Folgen der Corona-Krise bedingt – so auch Lieferkettenprobleme und Materialengpässe. Die Währungshüter gehen in ihrem Basis-Szenario davon aus, dass die Teuerungsrate bereits nächstes Jahr wieder unter den Zielwert sinken wird. Doch warnten einige Banker (und nicht nur die) vor der in dieser Woche anstehenden Zinssitzung vor Inflationsgefahren. Auch der scheidende Bundesbankchef Jens Weidmann mahnte an, dieses Risiko nicht aus dem Auge zu verlieren.
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Oktober auf 97,7 Punkte gefallen, nach 98,9 Punkten im September. Die Erwartungen sind immer mehr von Skepsis geprägt. Auch die aktuelle Lage schätzen die Unternehmen weniger gut ein. Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie sinkt. Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung.
Achten auch Sie ab jetzt darauf, ob und wie sich das Mega-Thema Klimawandel auf die Wirtschaft auswirkt. Die physischen Kosten des Klimawandels sowie die Kosten für die Verhinderung eines weiteren Temperaturanstiegs werden die Renditen von Vermögenswerten wahrscheinlich bis mindestens Mitte des Jahrhunderts beeinträchtigen, sagen einschlägige Investmentmanager und Analysten. Es dürfte zu Preisanpassungen kommen, die Frage ist: Welche Vermögenswerte sind betroffen und um wie viel werden sich deren Preise anpassen.
Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bringt jedoch nicht nur Risiken mit sich, sondern auch Investitionschancen, insbesondere im Technologie-Bereich. Unternehmen, die innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen und hocheffizienten Zukunft unterstützen, dürften vom Umbau der Weltwirtschaft profitieren. Heißt es bei den Asset Managern von Nordea: „Zusätzlich zur Messung unseres Klimarisikos müssen wir daher auch unser Engagement in den Klimalösungen messen, die den Übergang vorantreiben, wie erneuerbare Energien, kohlenstoffarme Gebäude und Energieeffizienztechnologien. Viele dieser Chancen materialisieren sich bereits heute.“
Wie eng die entscheidenden Markteinflüsse miteinander verwoben sind (und sich gegenseitig verstärken können), zeigen Energiepreise, Inflation und Klimawandel. Die stark gestiegenen Energiepreise werden nach Ansicht der Weltbank auch im kommenden Jahr hoch bleiben und damit weltweit für Inflationsdruck sorgen. Das Wirtschaftswachstum könnte sich zudem teilweise von den Energieimporteuren auf die Produzenten verlagern, heißt es in einem Bericht zu den Rohstoffmärkten. Die Energiepreise sollen demnach erst in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres angesichts einer besseren Angebotslage und einer langsam wachsenden Nachfrage wieder sinken. Der Anstieg der Energiepreise stellt für die globale Inflation in der kurzen Frist ein bedeutendes Risiko dar und könnte bei weiterem Anhalten auch das Wachstum in Ländern schwächen, die Energie importieren. Der rasche Anstieg der Rohstoffpreise könnte die Erholung von der Corona-Krise komplizierter gestalten. Das sind übergeordnete Faktoren, die Sie im Auge behalten sollten. Wie Sie dann Ihr Anlageverhalten anpassen, ist Ansichtssache – es gibt keine Patentrezepte! So kann man sich vorsichtshalber für einige Zeit von den Börsen zurückziehen oder sogar seine Bestände abbauen. Die Folge wäre höhere private Liquidität, die man auch in Gold parken kann. Wer jedoch weiter investieren möchte, sollte sich mit der Core-Satellite-Strategie beschäftigen, für die sich ETFs eignen können.
Wirtschaftsjournalist Hermann Kutzer beobachtet seit vielen Jahrzehnten das Börsengeschehen. Für Rohstoff.net gibt er regelmäßig einen Ausblick darauf , was in der neuen Woche für Anleger wichtig wird.