Lateinamerika bietet Investoren viele Schätze 

von | 6. Mrz 2023 - 08:40 | Kutzers Corner

Schwellenländer stehen im Fokus internationaler Investoren. China sorgt für die meisten Schlagzeilen. Aber nicht nur die asiatischen Märkte verdienen Beachtung: Auch der Handel mit Lateinamerika gewinnt an Bedeutung.

Tobias Friedrich, Senior Manager bei Santander Asset Management, gibt einen interessanten Überblick zur historischen Entwicklung und zum aktuellen Status von Lateinamerika in den Bereichen: Handelsabkommen, Rohstoffe, ESG und Investmentchancen. Auch andere Experten haben diese Region und ihr Potential aus Sicht ausländischer Partner wiederentdeckt. Deshalb greife ich im Folgenden die aktuelle Betrachtung Friedrichs in wesentlichen Auszügen auf.

Lateinamerika war schon immer eine Wirtschaftsregion, die sehr offen für Handel und Handelsabkommen war. So besteht beispielsweise seit mehr als 30 Jahren die wohl bekannteste Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur. Der Name ist eine Abkürzung für Mercado Común del Sur. Das bedeutet übersetzt „Gemeinsamer Markt des Südens“. Am 29. November 1991 wurde die Gemeinschaft von den Gründungsländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay mit dem Ziel ins Leben gerufen, schrittweise einen gemeinsamen Markt zu schaffen, wirtschaftspolitische Abstimmungen auszubauen, Rechtsvorschriften anzugleichen und den Schutz der Umwelt voranzutreiben. Chile, Peru, Bolivien, Ecuador und weitere Länder gehören durch Freihandelsabkommen ebenfalls zum Staatenverbund.

Wirtschaftsregion ist offen für Handel

Mit Indien und Ägypten wurden auch außerhalb Lateinamerikas Abkommen auf den Weg gebracht, doch das Wichtigste ist derzeit das Abkommen mit der Europäischen Union. Fast 20 Jahre dauerten die Verhandlungen über ein gemeinsames Handelsabkommen. Am 28. Juni 2019 konnte eine Einigung erzielt werden, allerdings passiert seitdem nicht viel, das Abkommen liegt seither auf Eis. Durch den Russland-Ukraine-Konflikt gewinnt Mercosur insbesondere für Deutschland sowohl für die nachhaltige Gewinnung von Rohstoffen und Energie als auch im Hinblick auf die Absatzmärkte immer mehr an Bedeutung. Das neu erwachte deutsche Interesse an der Region könnte bald konkrete Ergebnisse bringen. Die stockende Ratifizierung des 2019 ausgehandelten EU-Mercosur-Freihandelsvertrags könnte in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 unter der spanischen EU-Ratspräsidentschaft an Fahrt gewinnen. Zur Wirtschaftsregion Lateinamerika gehört unter anderen aber auch die 2012 von Mexiko, Kolumbien, Chile und Peru gegründete Freihandelszone Pazifik-Allianz. Im Fokus stehen hier die Ermöglichung eines regionalen Handels und die Förderung wirtschaftlicher Integration sowie eine Zollunion, Reise- und Visafreiheiten.

Drei Gruppen von Rohstoffmärkten

Wirtschaftlich verfügt Lateinamerika über wichtige Rohstoffmärkte, die sich in drei Untergruppen unterteilen lassen:

Erdöl und Erdgas: Die Erdölpreise sind in jüngster Vergangenheit deutlich gesunken und haben sich um die 80 US-Dollar-Marke pro Barrel (1 Fass = 159 l) eingependelt. Während die Ölförderung in Kolumbien, Brasilien und Mexiko stabil geblieben ist, ist sie in Venezuela auf ein Rekordtief gefallen, nachdem jahrelang Investitionen in den Sektor und die Wartung der Anlagen vernachlässigt worden war, nur kleinere Unternehmen haben expandiert. Derzeit fördert das sozialistische Land etwa 700.000 Barrel, 2002 waren es noch 2,3 Millionen Barrel. Zur Erinnerung: Venezuela gehört zu den Gründungsmitgliedern der Organisation erdölexportierender Länder (Opec).

Metalle: Lateinamerika zählt unter anderem zu den wichtigsten Bergbauregionen der Welt. Gemessen an dem Vorkommen vieler Metalle belegt der Subkontinent einen der vorderen Ränge. Insbesondere Kupfer, Silber, aber auch Zinn und Zink gehören zu den bedeutendsten Bodenschätzen der Region. Die aktuellen Unruhen in Peru aufgrund der Amtsenthebung von Präsident Pedro Castillo beeinträchtigen daher auch die Preise enorm.

Getreide: Die Getreidepreise sind durch die Russland-Ukraine-Krise ebenfalls nach oben getrieben worden – beide Länder sind bedeutende Lieferanten von Düngemitteln für die Region. Hinzu kommt, dass einige Dürreperioden insbesondere in Argentinien sich auf das Sojabohnenangebot auswirken, was allerdings negative Implikationen auf die Zahlungsbilanz des Landes und den Zugang zu den Reserven haben könnte.

ESG spielt eine wichtige Rolle

In einer Region, in der die Rohstoffindustrie und die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen stark vertreten sind, können ESG-Investitionen einen wesentlichen Einfluss darauf haben, wie die Region produziert und wie die Gesellschaft von ihr profitiert. Anders als in Europa oder den USA haben die Regierungen oder Aufsichtsbehörden der Region den Unternehmen bisher keine ESG-Anforderungen, Ziele und Offenlegungen auferlegt. Dennoch spielt ESG eine wichtige Rolle in der Region. Zum einen werden die Themen von Entwicklungsbanken wie der IDB, IFC oder BNDES in Brasilien gefördert, zum anderen kommen ausländische Interessensgruppen hinzu, die auf die ansässigen Unternehmen Druck ausüben und die Messung und Offenlegung der wesentlichen Risiken sowie eine Politik zur Bewältigung dieser Risiken verlangen. Dies betrifft auch Zulieferer und Kunden, die darauf drängen, den CO2-Fußabdruck der gesamten Wertschöpfungskette zu messen und zu reduzieren. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Brutto-CO2-Emissionen und die CO2-Emissionen pro Einheit der Wirtschaftsleistung aufzeigen, dass die großen lateinamerikanischen Volkswirtschaften relativ geringe Emissionen verursachen. Pro Einheit der Wirtschaftsleistung sind die Emissionen Lateinamerikas ebenfalls niedrig, ähnlich wie die der OECD-Länder, die wesentlich reicher sind.

Investitionschancen in Unternehmensanleihen

Das Jahr 2022 war in Bezug auf die Zinssatzentwicklung das volatilste seit Jahrzehnten. Die anziehende Inflation stellte eine Herausforderung für die Margen der Unternehmen dar – auch in Lateinamerika. Dennoch steht die Region gut da, viele Rohstoffe werden in US-Dollar gehandelt, so dass die ansässigen Exporteure von einem starken US-Dollar sogar profitierten. So haben lateinamerikanische Unternehmensanleihen in diesem Umfeld gut abschneiden können. Durch das höhere Zinsniveau scheint der Risikoappetit der Investoren insbesondere auf Unternehmensanleihen wieder anzuziehen. 2023 gab es bereits beträchtliche Zuflüsse in Schwellenländer, insbesondere nach Lateinamerika. Das macht auch Sinn, denn sobald die Volatilität der risikofreien Zinssätze nachlässt, zeigt sich der Wert der aktuellen Renditen und Spreads. Bei diesen Rendite- und Zinsniveaus müssen die Kosten der Unternehmen für ihren Zinsaufwand im Blick behalten werden. Der EBITDA-Deckungsgrad war viele Jahre lang ein wertloser Indikator, der jetzt sicherlich an Bedeutung gewinnen dürfte. Lateinamerikanische Unternehmen müssen sich aber nicht verstecken: Der Verschuldungsgrad ist sehr niedrig, die Bilanzen sind solide und seit etwa sieben Jahren wird der Schuldenstand abgebaut. Fazit von Santander Asset Management: „Wir sind davon überzeugt, dass diese Unternehmen das derzeitige schwierige Umfeld nicht nur überstehen, sondern auch mittel- bis langfristig interessante Performancechancen bieten.“

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