Langfristige Anlagechancen durch Disruption

von | 20. Feb 2023 - 08:36 | Kutzers Corner

Im Zuge der Mitte der 1980er Jahre begonnenen Digitalisierung hat sich auch im Börsenwesen viel verändert. Neue Begriffe bestätigen das. Denn aus der ursprünglichen „Innovation“ ist inzwischen „Disruption“ geworden. Anlagestrategen verbinden damit neue Chancen für Anleger.

Goldman Sachs Asset Management hat diesem Thema jetzt eine interessante Betrachtung gewidmet: „Welt im Wandel: Disruption – schwierige Zeiten für die Märkte?“ Was sind disruptive Veränderungen? Kurz skizziert: Als disruptive – also zerstörerische – Technologie bezeichnet man neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle, die Bestehendes verdrängen. Sie sorgen also für Marktverschiebungen. Maria Vassalou, Co-Chief Investment Officer, beschreibt das wie folgt: Zentralisiertere Wirtschaftsstrategien sowie sich wandelnde Allianzen und Handelsmuster können die Struktur der Weltwirtschaft verändern. Dadurch entsteht Disruption, möglicherweise verbessert sich aber auch die wirtschaftliche Resilienz in einigen Ländern und Regionen. Anleger erhalten Zugang zu neuen Chancen, allerdings wird ein robustes Risikomanagement in diesem Investmentumfeld für sie unerlässlich sein.

Neue Allianzen, neue Handelsmuster

Ein weiterer neuer Begriff, mit dem sich Anleger auseinandersetzen sollten: Zunehmende geopolitische Spannungen haben auch zur „Deglobalisierung“ beigetragen und beschleunigen die Destabilisierung der geopolitischen Ordnung. Dazu Goldman Sachs: „Wir gehen vor allem davon aus, dass die Kontrolle von Rohstoffen jenseits der Energie eine wichtige Rolle bei der Bildung politischer Allianzen spielen und eine wichtige Quelle wirtschaftlichen und geopolitischen Einflusses sein wird. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass viele der Länder, die Russland für die Invasion seines Nachbarlandes nicht laut kritisiert haben, beträchtliche Kontrolle über die globale Versorgung mit wichtigen Rohstoffen ausüben.“

Die wichtige Rolle Chinas bei Rohstoffen

Auch China spielt eine sehr große Rolle, wenn es um wichtige Rohstoffe geht. Das Land ist der größte Produzent der Welt von Aluminium, einem wichtigen Rohstoff, der für die Herstellung vieler Güter von Autos bis zu iPhones gebraucht wird. Eine Lieferunterbrechung bei Aluminium hätte Folgen für die Lieferung von Kupfer und anderen Metallen, was zu mehr globaler Unsicherheit hinsichtlich Inflation, Handel und Wirtschaftswachstum führen kann. China und Russland sind zudem beide wichtige Quellen von Kupfer, Zink und Nickel – Mineralien, die für den angestrebten Umstieg auf grüne Energie gebraucht werden. Für die Erzeugung von Windkraft wird beispielsweise die sechsfache Menge dieser Rohstoffe als für ein Kohlekraftwerk und die 13-fache Menge als für ein Gaskraftwerk benötigt. Russland ist außerdem ein wichtiger Lieferant von Weizen und zusammen mit China ein Top-Exporteur von Düngemitteln.

Andere Regierungen rund um den Globus – vor allem solche in großen Industrienationen – werden voraussichtlich versuchen, ihre Rohstoffversorgung in Bezug auf Energiequellen, Metalle, Mineralien und Getreide zu diversifizieren. In den USA hat die Biden-Regierung beschlossen, die einheimische Gewinnung vieler wichtiger Mineralien auszubauen, die für grüne Energie benötigt werden, und in die Raffinierung wichtiger Batterierohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel zu investieren. Derartige Investitionen sind zwar zu begrüßen, sie werden laut Goldman Sachs  aber nicht dazu führen, dass die Welt vollständig und schnell von fossilen Brennstoffen loskommt. Es wird voraussichtlich noch eine Weile dauern, bis Länder in der Lage sind, grüne Energie in ausreichenden Mengen zu speichern. Auf lange Sicht wird der Trend hin zu grüner Energie voraussichtlich im Einklang mit dem Thema der Dekarbonisierung anhalten.

Gestiegene Risiken, Herausforderung durch starken Dollar

Öl und andere Rohstoffe notieren in der Regel in Dollar, wodurch zusätzlicher Druck auf die Haushalte von Ländern entsteht, deren Währungen deutlich gegenüber dem US-Dollar abgewertet haben. Ein zunehmender Mangel an sicheren Anlagen, die liquide genug sind, um dem globalen Bedarf gerecht zu werden, erschwert die Lage. US-Staatsanleihen gelten weiterhin als erste Anlaufstelle für Anleger, die relative Sicherheit und Risikoreduzierung anstreben, was die globale Nachfrage nach US-Dollar zusätzlich stützt. Gleichzeitig macht es der aggressive geldpolitische Straffungskurs der Fed Ländern wie Argentinien und der Türkei schwerer, die auf Dollar lautende Schulden in beträchtlicher Höhe zu bedienen haben. Die Dollarstärke ist auch für Industrieländer eine Herausforderung. Sollten sich der Euro, der Yen und das britische Pfund weiter deutlich abschwächen, müssen die Zentralbanken eventuell intervenieren und Dollar verkaufen, um wieder Wechselkursstabilität herzustellen, was auch zur Eindämmung der Inflation beiträgt.

Risikomanagement nicht mehr vernachlässigen

Ein rapider Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen hätte angesichts der globalen Rolle des Dollars breitere Auswirkungen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit des Risikomanagements, das viele Anleger in den letzten zehn Jahren vernachlässigen konnten, weil Zinsen und Volatilität niedrig und die Liquidität ausreichend waren. Man muss auch bedenken, dass die Zinsen heute höher sind als bei Eintritt der globalen Finanzkrise und noch weiter steigen, was bedeuten könnte, dass schon ein geringerer weiterer Anstieg Stress verursacht.

Investieren in eine Welt im Wandel

Anlegern, die sich anpassen und flexibel bleiben können, bieten die heutigen Herausforderungen und Änderungen potenzielle Chancen in vielen Sektoren und Regionen. Geopolitische Unruhe, angespanntere Finanzierungsbedingungen, eine zentralisiertere Wirtschaftspolitik – all das wird zu stärkeren Unterschieden zwischen Anlageklassen, Sektoren und Regionen sowie zwischen Anlagen in Industrie- und Schwellenländern führen. Die Volatilität der breiten Aktienindizes verschleiert beispielsweise die enorme Streuung der Ergebnisse innerhalb eines Index, wodurch ein günstiges Umfeld für die Einzeltitelauswahl an den öffentlichen Märkten entsteht, wenn die Volatilität nachlässt. Diese Chancen gehen über die gewöhnlichen Kategorien von Value und Growth oder bestimmte Branchen hinaus und bieten sich stattdessen bei Unternehmen mit effektiver Geschäftstätigkeit und gesunden Bilanzen, ganz gleich zu welchem Sektor oder Anlagestil sie zählen. Gerade die Selbstentscheider unter Ihnen, geschätzte Anleger, können in „disruptiven Unternehmen“ einen neuen Schwerpunkt bei ihrem „Stockpicking“ setzen.

Anleger sollten ihre Portfolios neu aufstellen

Resümee von Vassalou: „Wir befinden uns in schwierigen Zeiten für die Märkte. Aber die tektonischen Bewegungen, die die Gestalt und Struktur der Weltwirtschaft verändern, schaffen auch eine neue und lebendige Investmentlandschaft. Angesichts der Neubewertung von Risiken haben vorsichtige und gut informierte Anleger unserer Ansicht nach einzigartige Möglichkeiten, ihre Portfolios neu aufzustellen und neue Chancen zu nutzen.“

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