Ja, es gibt Argumente, die für Wirtschaft und Börse Mut machen können. Gleichzeitig bleiben aber Zweifel, insbesondere durch die geopolitischen Entwicklungen. Deshalb droht 2024 ein gefährlicher Jahrgang zu werden.
Die Kurserholung an den Aktienmärkten der vergangenen Wochen ist für viele Anleger erstaunlich, zumindest überraschend. Ich hätte mir (obwohl bekanntlich ein hartnäckiger Optimist) mir eine stärkere Bremswirkung durch die zunehmenden Krisen und Kriege vorstellen können, zumal die brisanten Brennpunkte rund um den Globus immer gefährlicher werden. Wichtiger noch: Geopolitisch ist keine Beruhigung abzusehen – eher eine weitere, längerfristige Zuspitzung.
Börsianer ticken kurzfristig
Börsenprofis neigen von Berufswegen eher zu einer optimistischen Grundhaltung. Diese – das sollten Privatanleger nicht verdrängen – ist aber von kurzfristiger Natur. Deshalb kann es oft zu stärkeren Stimmungs- und Kursschwankungen kommen. Eine Jahresschluss-Rally, über die seit Wochen diskutiert wird, muss also keine positive Vorgabe für 2024 sein. Vorsicht bleibt geboten!
Hoffnung durch neue Wirtschaftsdaten
Deutsche und europäische Analysten äußerten sich Ende vergangener Woche überwiegend zuversichtlich für den Aktienmarkt. Typisch das (schon seit geraumer Zeit bullische) Helaba Research: In der deutschen Wirtschaft bahnt sich eine konjunkturelle Trendwende an. Das Geschäftsklima ist gestiegen. Die Inflation wird weiter sinken und die Realeinkommen steigen lassen.
Der monatliche Ifo-Geschäftsklimaindex spricht für leichte Erholung im kommenden Jahr: Das am meisten beachtete Wirtschaftsbarometer ist im November erneut gestiegen. Die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate verbesserten sich etwas stärker als die Bewertung der aktuellen Lage. Das zeigt, dass die wirtschaftliche Situation in Deutschland weiterhin angespannt ist. Allerdings spricht die vorausschauende Stimmungsaufhellung dafür, dass sich Europas größte Volkswirtschaft im kommenden Jahr erholen wird (ich bin mir da nicht so sicher) – wenn auch nur in Trippelschritten. Der wirtschaftliche Herbst-Blues verzieht sich somit ein bisschen. Nach Angaben des Ifo-Instituts hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt kaum Auswirkungen auf das Geschäftsklima in der Novemberumfrage.
Stimmung unter den Unternehmen verbessert
Der Ifo, wie er kurz genannt wird, hat sich leicht verbessert und stieg zum dritten Mal in Folge. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage etwas besser. Auch der Pessimismus bei den Erwartungen für die kommenden Monate nahm ab. Die deutsche Wirtschaft stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Im Verarbeitenden Gewerbe ist der Geschäftsklimaindex sogar deutlich gestiegen. Die Unternehmen waren zufriedener mit den laufenden Geschäften. Auch die Skepsis für die kommenden Monate nahm merklich ab. Dies gilt vor allem für viele energieintensive Branchen. Die Unternehmen klagen jedoch weiterhin über fehlende Neuaufträge. Im Dienstleistungssektor hat sich das Geschäftsklima etwas verschlechtert. Die Dienstleister beurteilten ihre aktuelle Lage etwas weniger gut. Zudem korrigierten sie ihre Erwartungen leicht nach unten. Im Handel ist der Index deutlich gestiegen. Die Indikatoren zur aktuellen Geschäftslage und den Erwartungen legten beide merklich zu. Dies zeigte sich insbesondere im Großhandel. Die Einzelhändler hingegen erwarten vom Weihnachtsgeschäft eher wenig.
Gemischte Gefühle für das kommende Jahr
Inzwischen hat auch das DZ Bank Research seine Prognosen für 2024 vorgestellt. Die Analysten blicken mit gemischten Gefühlen auf das kommende Jahr. Man rechnet zwar mit einem weiteren Rückgang der Inflation in der Eurozone und in Deutschland. Das EZB-Ziel wird aber erneut klar verfehlt. Auch die Konjunktur bereitet weiterhin Sorgen. Hierzulande erwarten die Experten ein BIP-Wachstum von 0,5 Prozent. Die US-amerikanische Wirtschaft legt um 1,5 Prozent zu. Immerhin: Eine „harte Landung“ wird nicht zur Realität. Mit „zarten“ Zinssenkungen rechnen die Experten sowohl in Europa als auch auf der anderen Seite des Atlantiks in der zweiten Jahreshälfte. Anleiherendite sollten deshalb fallen. Die großen Aktien-Indizes zeigen sich auch 2024 von der volatilen Weltlage wenig beeindruckt. Die Analysten prognostizieren deshalb für den Dax mit 17.500 Punkten und den S&P 500 mit 4.800 Zählern neue Rekorde.
Fondsmanager befürchten Ende der „rosigen Zeiten“
Bisher gibt es nur wenige Stimmen aus dem Lager der Börsen-Bären, die skeptische Töne anschlagen. Dazu gehört Robeco, die befürchten, dass sich die finanziellen Bedingungen an den Kapitalmärkten im kommenden Jahr verschärfen werden. Gemäß seinem Ausblick für das Kapitalmarktjahr 2024 erwartet der niederländische Asset Manager unter anderem, dass sich das globale Wirtschaftsumfeld im Jahr 2024 grundlegend verändern wird. Die rosigen Zeiten für die Märkte neigen sich ihrem Ende zu, so Peter van der Welle, Multi-Asset-Stratege bei Robeco. Die wichtigsten Aussagen im Überblick:
Die Zinsen dürften (für einen längeren Zeitraum) hoch bleiben und die Renditekurve noch steiler werden. Hohe Realzinsen dürften Staaten, Unternehmen und Haushalte zunehmend beeinträchtigen. Abnehmende Überschussliquidität, geopolitische Risiken und hohe Zinsen belasten die Aktienmärkte. Das Klima bleibt ein Hauptthema für Aktienanleger; Steuertransparenz und KI finden vermehrt Interesse.
Neben dem Kapitalmarkt und seinen Einflussfaktoren nehmen die Robeco-Experten die nachhaltige Kapitalanlage in den Blick: Mit der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit auf regulatorischer Ebene und in der Gesellschaft sind die Aktionäre bei der Wahrnehmung ihrer Eigentumsrechte aktiver geworden.
Selektive Aktienkäufe machen weiter Sinn
Nimmt man diese von den Profis noch uneinheitlich skizzierte Perspektive, so fällt es naturgemäß nicht leicht, sein Portfolio auf das nächste Jahr ein zustellen. Denn „nur“ eine breite internationale Streuung nach Anlageklassen und -regionen reicht nicht aus, wenn Politik und Wirtschaft weltweit belasten. Aktive Privatanleger sollten deshalb in Einzelwerte investieren, die sich gegenüber ihren Konkurrenten und ihrer Branche durch deutlich bessere Zahlen abheben. Eine Fortsetzung der aktuellen Taktik also. Denn „Stockpicking“ ist schon seit Monaten angesagt, zumal die Börse sensibel auf neue Unternehmensentwicklungen und -prognosen reagiert.