Heiße Städte in Nordafrika mit schlechter Luft
Ein beachtlicher Teil des nördlichen Afrikas wird von der größten Wüste der Welt eingenommen – der Sahara. Das extrem trockene und niederschlagsarme Gebiet erstreckt sich über eine Fläche fast so groß wie die USA und gilt als eine der lebensfeindlichsten Regionen weltweit. Auch der Klimawandel macht vor Nordafrika nicht Halt: Spürbar ist er durch länger anhaltende Hitzewellen, weniger Niederschläge und mehr Dürren – so wie an vielen anderen Orten rund um den Globus. Im Land mit der drittgrößten Bevölkerung Afrikas leben rund 95 Prozent der über 100 Millionen Einwohner Ägyptens am Nil, der Lebensader des Landes, oder unweit des Nildeltas – eines der fruchtbarsten und am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt.
In letzterem ist auch die rund 23 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt Kairo gelegen, wo stark verschmutzte Luft als weitere Auswirkung des Klimawandels hinzukommt.
Zwei Aspekte sind für die stark beeinträchtigte Luftqualität und hohen Emissionen maßgeblich verantwortlich: die offene Verbrennung von Müll sowie das hohe Verkehrsaufkommen auf Kairos Straßen.
Grüne Mobilität in und um die ägyptische Metropole
Seit 2019 nimmt Ägyptens Metropole am Programm „Grüne Städte“ der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) teil und erhält finanzielle Unterstützung zur Umwandlung in eine grüne, nachhaltige Stadt. In diesem Rahmen arbeitet Kairo zusammen mit der EBWE daran, die Umweltbedingungen vor Ort zu verbessern und Maßnahmen aufzustellen, um die Herausforderungen durch den Klimawandel zu meistern. Auch die Weltbank leistet in der Metropole am Nildelta mit dem seit 2021 laufenden Projekt „Greater Cairo Air Pollution Management and Climate Change Project“ (Deutsch: Luftverschmutzungsmanagement- und Klimawandelprojekt für den Großraum Kairo) einen Beitrag dazu, Luft- und Klimaemissionen in kritischen Sektoren wie dem Verkehr zu reduzieren. Daneben geht es auch darum, die Stadt nachhaltiger und widerstandsfähiger gegen die Luftverschmutzung zu machen. Da die steigenden CO₂-Emissionen vor allem auf den Verkehrssektor zurückzuführen sind, setzen die Maßnahmen zur Reduktion der Schadstoffe genau hier an: Das nordafrikanische Land möchte seinen Straßenverkehr in Kairo und an anderen Orten nachhaltiger gestalten. Dazu baut es die E-Mobilität aus und senkt den Kraftstoffverbrauch. So erhält Ägyptens Metropole beispielsweise 200 Millionen US-Dollar von der Weltbank, um 100 Elektrobusse im Großraum der Hauptstadt einzusetzen. Das ist ein Anfang für die täglich 350 Millionen Fahrgäste, die in Kairo öffentliche Verkehrsmittel zur Fortbewegung nutzen und es zu einem sehr stark frequentierten urbanen Raum machen – aber eben auch nicht mehr als das.
Das ägyptische Verkehrsministerium arbeitet außerdem am Ausbau und der Verbesserung des U-Bahn-Netzwerkes in der Hauptstadtregion. Zudem ist in Kairo im November 2022 der erste, zwei Kilometer lange Fahrradweg eröffnet worden, weitere Kilometer Radweg sollen noch folgen. Ein System zum Leihen von Rädern wurde parallel dazu eingeführt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Einwohner in Ballungsräumen wie der ägyptischen Hauptstadt zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder zu bewegen und dadurch die Emissionen zu reduzieren sowie letztlich die Luftverschmutzung zu verringern. Darüber hinaus plant das Land, mithilfe des deutschen Unternehmens Siemens Mobility ein voll elektrisches Schienensystem mit Hochgeschwindigkeitszügen und einem größeren Schienennetz auf den Weg zu bringen. Das Netz soll 2.000 Kilometer umfassen.
Besseres Abfallmanagement
Ein weiterer maßgeblicher Aspekt des „Luftverschmutzungsmanagement- und Klimawandelprojekts für den Großraum Kairo“ umfasst einen anderen Umgang mit Abfällen, da dieser neben dem Verkehr eine der Hauptursachen für die starke Luftverschmutzung der Stadt ist: Von der offenen Verbrennung fester Abfälle möchte man übergehen zu einer integrierten Abfallbewirtschaftungsanlage am Stadtrand, wo Industrie-, Fest- und Sondermüll recycelt, verarbeitet, behandelt und entsorgt werden kann – von Elektroschrott über Gesundheitsabfällen bis hin zu Haushaltsmüll. Eine alte Mülldeponie im Kairoer Großraum soll hingegen geschlossen werden.
Bereits in den 1980er Jahren wurde eine 30 Hektar große Müllhalde neben dem historischen Teil Kairos stillgelegt, der dortige Schutt abgetragen und renaturiert, um auf der großen Fläche eine riesige Parkanlage, den Al-Azhar Park, zu bauen. Noch heute fungiert sie als grüne Lunge der Stadt.
Saubere Energie braucht das Land
Auch den Energiesektor möchte Ägypten zunehmend nachhaltig gestalten und den Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien auf 20 Prozent bis 2022 und auf 42 Prozent bis 2035 ausbauen; allerdings liegt ihr aktueller Anteil bei nur etwa acht bis neun Prozent. Das Land der Pyramiden baut hierzu vor allem auf Wind- und Solarenergie: 2018 eröffnete der größte Solarpark der Welt in Benban, etwa 650 Kilometer von Kairo. Dieser dient nicht nur der Nachhaltigkeit, sondern auch dazu, die Stromversorgung des Landes zu sichern; letzterer war in den vergangenen Jahren knapp. Der Park umfasst voraussichtlich sieben Millionen Solarpaneele, die bis zu 1.800 Megawatt Strom produzieren sollen. Daneben plant Ägypten zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten den Bau des weltweit größten Windparks, dessen Kapazität bei zehn Gigawatt und 47.790 Gigawattstunden grüner Energie jährlich liegen soll. Der Bau der Anlage startet voraussichtlich 2024.
Auch durch ein Programm zur Errichtung von klimafreundlichen Gebäuden im Bereich des sozialen Wohnungsbaus will der Staat Energie einsparen sowie einkommensschwache Familien unterstützen und somit auch die Umwelt schonen. Der Energieverbrauch in solchen „grünen“ Gebäuden soll um 24 bis 50 Prozent geringer sein als in konventionellen Gebäuden. Umweltfreundliche Baumaterialien, sparsamer Gebrauch von Wasser und weiteren Ressourcen sorgen zudem dafür, dem Klimawandel entgegenzutreten.
Städte kühlen
Die von hohen Temperaturen geplagten Städte des nordafrikanischen Landes haben innovative Architekturmaßnahmen zur Kühlung ergriffen: Mit hellen Fassadenfarben, die Hauswände kühlen, begrünten Dachflächen und Schattenspendern wirkt man auf das Mikroklima in einzelnen Stadtvierteln oder Straßenzügen ein. Werden neue Gebäude errichtet, nutzt man unter anderem Solarthermen, Photovoltaikanlagen und durch Hohlräume isolierte Wände. Begrünte Dächer tragen vor allem dazu bei, dass sich städtische Areale weniger aufheizen und sich nicht in Hitzeinseln verwandeln. Zudem führen sie zu einer höheren Energieeffizienz von Gebäuden, sorgen dafür, dass weniger Regenwasser abfließt, und reinigen die Luft. Sie tragen nicht nur zu einer besseren Energiebilanz, sondern auch zu einer gesteigerten Luftqualität bei.
Grüne Oasen in Kairo ungleich verteilt
Ägypten hat in seinem Plan „Egypt Vision 2030“ festgelegt, die Grünflächen in Städten pro Kopf von einem Quadratmeter auf drei zu erhöhen. Wissenschaftler der American University in Kairo haben sich in einem Forschungsprojekt mit dem Thema Grünflächen im Großraum Kairo näher befasst. Dabei stellten sie eine ungleiche Verteilung fest: Während immer mehr sogenannte Gated Communities mit umfangreichen Grünflächen in den Außenbezirken der ägyptischen Hauptstadt entstehen würden, wären diese im Zentrum in den vergangenen Jahren sogar reduziert worden. Zwei Drittel der begrünten Flächen der gesamten Stadt sind zudem nicht frei zugänglich, sondern exklusiv, da sie entweder zu Gated Communities, in denen nur ein kleiner Teil der Einwohner lebt, oder beispielsweise Sportvereinen gehören. Dies bedeutet, einem großen Teil der Kairoer Bevölkerung bleibt der Zugang zu grünen Oasen verwehrt. Die Wissenschaftler fordern daher, die Klimaplanung multidisziplinär und integrativ zu gestalten, sodass alle Bevölkerungsschichten in den Plänen mitgedacht werden. Als ein Beispiel werden Dachgärten im urbanen Zentrum genannt, da sie mit wenig Aufwand und einem großen Output verbunden sind.
Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen verhindern
Der Klimawandel gilt weltweit als Hauptursache für Hunger und Armut und trifft vor allem die ärmsten Menschen der Erde. Da sich dieser Effekt in den kommenden Jahren weiter verschärfen könnte, ist es wichtig, Gegenmaßnahmen zu schaffen, wie beispielsweise die Welthungerhilfe fordert.
Bei anderen Faktoren wird der ärmste Teil der Bevölkerung bereits berücksichtigt, um ihn nicht noch stärker zu benachteiligen. Gerade diese Menschen haben in Ägypten und weltweit den geringsten Anteil an den Ursachen des Klimawandels, sind aber besonders auf die Vorkommen der Natur in den Wäldern, Flüssen und Meeren angewiesen.
Um die ohnehin bereits benachteiligte Menschengruppe nicht auch noch unter notwendigen Reformen zur Erreichung der Klimaziele leiden lassen zu müssen, hat Ägypten ein Programm mit dem Namen „Solidarität und Würde“ (Original: „Takaful and Karama „) initiiert, das als soziales Sicherheitsnetz fungiert. Es wurde 2015 mithilfe von 400 Millionen US-Dollar seitens der Weltbank eingeführt. Bis 2018 konnte damit über neun Millionen Ägyptern bzw. 2,3 Millionen Haushalten geholfen werden. Das Programm umfasst finanzielle Unterstützung, um die Lebensmittelversorgung zu verbessern und es den Kindern zu ermöglichen, weiterhin eine Schule zu besuchen, bietet aber auch Hilfe zu einer besseren Gesundheitsversorgung. Ein weiterer Teil richtet sich an ältere Mitglieder der Bevölkerung sowie behinderte Menschen: Diese erhalten medizinische und finanzielle Unterstützung durch den Staat.
Es ist denkbar, dass in Ägypten und darüber hinaus künftig noch weitere Projekte auf den Weg gebracht werden, um gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels nicht noch weiter zu verschärfen.
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