Inflationsrate auf Rekordniveau wirkt sich auch auf die weltweiten Rohstoffmärkte aus

von | 7. Sep 2021 - 09:21 | Markt

Goldpreis aktuell volatil, Silber schwächelt. Die Preise für Kupfer, Lithium und Neodym steigen weiter.

Zum ersten Mal seit 1993 kletterte die Inflationsrate in Deutschland im August auf 3,9 Prozent. Viele Analysten und Experten, aber auch Verbraucher, Sparer und Anleger sind verunsichert. Daniel Mohr etwa kommentiert am 1.9. in der FAZ: „Die Inflation ist die größere Bedrohung für das Vermögen. Die Kaufkraft des Geldes auf dem Girokonto oder Sparbuch schmilzt unbarmherzig, oft zunächst unbemerkt, das ist ja das Gemeine“. Mohr rechnet vor: Schon bei 2 Prozent Inflation werden aus 1000 Euro Kaufkraft in zehn Jahren 820 Euro, bei 4 Prozent sogar nur 675 Euro.

Dabei trifft die hohe Inflationsrate nicht nur Deutschland. Im gesamten Euroraum lag der Wert im August bei 3 Prozent, das ist der höchste Wert seit 2011. Im Juli lag die Rate europaweit noch bei 2,2 Prozent. In den USA ist die Inflationsrate noch höher. Dort stiegen die Verbraucherpreise im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,4 Prozent.

Im Euroraum verteuerten sich im August vor allem die Energiepreise – um satte 15,4 Prozent. Industriegüter legten im gleichen Zeitraum um 2,7 Prozent zu, Lebens- und Genussmittel um 2 Prozent. Noch allerdings will die Europäische Zentralbank (EZB) nicht gegensteuern. Der Spiegel schreibt, die EZB erachte die derzeit hohe Inflationsrate „als temporär“ und verweise „auf zahlreiche Sondereffekte, die überwiegend auf die Coronakrise zurückgehen“.

Bei Anlegern führen die Rekordmarken indes schon jetzt zu spürbaren Reaktionen. Die  Teuerungsrate beobachtet das Portal Finanzen.net, erinnere Anleger daran, verstärkt Inflationsschutz zu betreiben. Noch klarer formuliert es Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie. Vermögensverwaltung in Köln. In einem Gastbeitrag für Das Investment, schreibt er:  „Um es prägnant zu sagen: 270.000 Euro auf dem Konto und 30.000 in ETF sind nicht inflationstauglich“. Gegen eine höhere Inflation würden in erster Linie Sachwerte helfen. „Dazu zählen Aktien, Immobilien, Rohstoffe und Gold. Hier sollte jeder prüfen, welchen Anteil im Depot die Sachwerte haben: Mit einer Quote von unter 30 Prozent haben selbst konservative Investoren zu wenig an Sachwerten im Depot, wenn es um Inflationsschutz geht. Alle anderen Investoren vertragen problemlos einen höheren Anteil an Sachwerten“, so Albrech.

Deutsche kauften im 1. Halbjahr 90 Tonnen Gold

Nicht alle scheinen bislang dem Rat des Investmentberaters zu folgen. Der Goldpreis etwa, oft genug ein guter Seismograf für das Absicherungsverhalten der Anleger, zeigt in diesen Tagen ein recht volatiles Bild. Am 9. August etwa rutschte das Edelmetall innerhalb weniger Minuten erstmals seit März 2020 auf einen Preis unter 1700 Dollar je Feinunze (rund 31,1 Gramm), doch fast ebenso schnell erholte sich der Wert wieder (Rohstoff.net berichtete).

Im aktuellen Jahresvergleich sank der Goldpreis zwar um rund 7,9 Prozent, in der vergangenen Woche aber legte er um 1,3 Prozent zu. Das Schweizer Portal Investrends merkt dazu am 30. August an: „Goldanlagen werden traditionell als Inflationsschutz wahrgenommen. Allerdings: 2021 kam Gold dieser Funktion bisher nur bedingt nach“. Mehr noch: Als Inflationsschutz habe Gold in den letzten Monaten enttäuscht und bleibe kurzfristig wenig attraktiv.

Fakt ist aber auch: Seit Jahresbeginn haben sich die Deutschen ein stattliches Golddepot zugelegt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres kauften sie laut Handelsblatt über 90 Tonnen Gold in Barren und Münzen. Dies sei „die größte Menge verkauften physischen Goldes in Deutschland innerhalb eines Halbjahres seit 2009“ und übertreffe damit sogar den bisherigen Rekord aus dem ersten Corona-Halbjahr 2020.

Deutlich nachgegeben hat indes Silber. Im Jahresvergleich sank sein Wert um rund 15 Prozent. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, schrieb Ende August in einem Newsletter: „Kürzlich fiel das weiße Metall auf Jahrestiefststände. Auch im Verhältnis zu Gold wurde Silber Ende vergangener Woche so preiswert gehandelt wie seit Dezember 2020 nicht mehr.“ Doch Stephan glaubt an eine baldige Trendwende: „Mittelfristig sollte sich dies ändern. Analysten schätzen, dass die Nachfrage der Autoindustrie dank zunehmender Elektromobilität von 61 Millionen Feinunzen 2021 auf jährlich rund 90 Millionen Feinunzen 2025 klettern dürfte.“ Zudem sollte auch die weiterhin zunehmende Nachfrage für Fotovoltaik-Zwecke die Silberpreise stützen, glaubt Stephan. Mit einer Einschränkung: „Ähnlich wie bei Gold besteht allerdings das Risiko, dass steigende Realzinsen auf der Investment-Nachfrage lasten könnten.“

Deutlich stabiler als Gold und Silber entwickelten sich derweil zwei andere Edelmetalle: Der Palladiumpreis stieg im Jahresvergleich um rund 8,4 Prozent, der Preis für Platin um 7,8 Prozent.

Preise für Industriemetalle steigen

Auch bei den Industriemetallen setzt sich der Preisanstieg fort. Insbesondere Kupfer und Aluminium legen deutlich zu. Aluminium erreichte Ende August ein „10-Jahres-Hoch“, schreibt Finanzen.net. Die Tonne Aluminium dotierte demnach Ende August an der Londoner Börse bis auf 2726 US-Dollar. Damit bewege sich der Preis für Aluminium weiter in Richtung Rekordhoch, das bei etwa 3300 Dollar je Tonne liegt. Das Portal zitiert Daniel Briesemann, Rohstoffexperte der Commerzbank, wonach Aluminium – nach Zinn – in diesem Jahr die zweitstärkste Preisentwicklung unter den Industriemetallen aufweisen könne. Als Ursache für den Preissprung bei Aluminium gelten aber nicht steigende Inflationsraten, sondern unter anderem Maßnahmen der chinesischen Regierung, die auf Eindämmung der Umweltverschmutzung und einen geringeren Energieverbrauch abzielen. „Nun soll auch in der südwestchinesischen Provinz Guangxi die Produktion energieintensiver Materialien wie zum Beispiel Aluminium gedrosselt werden“, so Briesemann gegenüber Finanzen.net. „Die Sorgen der Marktteilnehmer vor einem hohen Angebotsdefizit bei Aluminium wachsen stetig“.

Einen „Superzyklus“ erwarten manche Experten bereits für Kupfer. Stefan Breintner, Fondsmanager bei der DJE Kapital AG mit Sitz in Pullach, sagt gegenüber Investrends, dass Faktoren wie der Ausbau erneuerbarer Energien und Zunahme der E-Mobilität „bis 2030 zu einer zusätzlichen Kupfernachfrage von rund drei Millionen Tonnen pro Jahr führen“ könnten. Bereits in den letzten neun Jahren sei die weltweite Kupfernachfrage um ein Volumen von rund fünf Millionen Tonnen auf 25 Millionen Tonnen gestiegen. Laut Finanzen.net ist der Kupferpreis in den vergangenen fünf Jahren um 102 Prozent gestiegen, in den vergangenen drei Jahren um 57 Prozent und allein im vergangenen Jahr um  38,9 Prozent.

Lithium und Kobalt entwickeln sich stark

Hohe Preisanstiege werden in den nächsten Jahren auch für Lithium und Kobalt erwartet – ebenfalls nicht wegen hoher Inflationsraten, sondern wegen steigender Nachfrage. So könnte sich laut Analysten der Marktwert von Lithium allein aufgrund der Anfang August von US-Präsident Joe Biden verkündeten Pläne, dass bis 2030 rund 50 Prozent aller verkauften Neuwagen in den USA emissionsfrei sein sollen, verdreifachen.

Das deckt sich mit einer Studie der Deutschen Rohstoffagentur DERA, die im März 2021 erschien. Danach sind die Preise für Lithium und Kobalt, beide „Schlüsselrohstoffe“ für Lithium-Ionen-Batterien, seit Ende 2020 bereits deutlich gestiegen. In verschiedenen Zukunftsszenarien kommt die DERA zudem zu dem Schluss, dass sich beim Fokus auf eine explizit nachhaltige Wirtschaftsentwicklungen der Bedarf an Lithium bis zum Jahr 2040 knapp versechsfachen wird, der Bedarf an Kobald nahezu vervierfachen.

Gleiches gilt auch für zahlreiche andere Strategische Metalle und Seltene Erden. So sorgt vor allem die geplante Energiewende unter anderem dank Ausbau erneuerbarer Energien und anderer Zukunftstechnologien nicht nur für einen steigenden Anstieg der Kupfernachfrage, sondern pusht beispielsweise auch die Nachfrage und die Preise für Gallium, Neodym, Praseodym und Dysprosium.

Nicht alle fürchten Inflation

Fazit: Die rasant steigende Inflation hält Analysten und Anleger in Atem. Noch aber ist nicht valide vorherzusehen, wie stark und vor allem wie nachhaltig die Verbraucherpreise in den nächsten Monaten und Jahren tatsächlich ansteigen werden. Entsprechend wechselhaft ist derzeit das Anlegerverhalten, auch auf dem Rohstoffmarkt. Stabiler entwickeln sich die Preise hingegen für einige Rohstoffe, die vor allem durch industrielle Nachfrage auf den Weltmärkten getrieben werden.

Es gibt deshalb auch Stimmen, die der Aufregung um die aktuellen Inflationsrekorde – zumindest bislang – noch standhalten. So schreibt der Autor Bastian Brinkmann am 29. August in einem bemerkenswerten Kommentar mit der Headline „Gut, dass die Inflation steigt“ in der Süddeutschen Zeitung: „Hinter den vermeintlich schockierenden Zahlen verbirgt sich eine positive Entwicklung. Die Angst vor der Inflation ist unbegründet“. Die momentan erhöhte Inflation sei eine gute Nachricht, keine schlechte, denn sie bedeute: „Es geht wirtschaftlich wieder voran. Jetzt wollen die Leute wieder alles, worauf sie so lange verzichten mussten. Diesen Heißhunger auf Konsum spüren viele. Ökonomen nennen das ganz unpoetisch Nachfragedruck“.

Photo: iStock/photoschmidt

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