Vom Energiefresser zur Solarzelle – die Glasfront hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
Die Weltausstellung in London im Jahr 1851 stellte nicht nur ein großes Ereignis für die Hauptstadt des Britischen Empires dar. Mit dem Crystal Palace, welcher die Ausstellung beherbergte, begann, schenkt man dem britischen Architekten Norman Foster in einem Interview auf dezeen.com Glauben, „die Geburtsstunde moderner Architektur, […] der sich erhebenden Spannweiten der Transparenz.“ Das revolutionäre Ausstellungsgebäude maß 564 Meter Länge und 39 Meter Breite. Joseph Paxtons Design aus Stahlstreben und Glasplatten spiegelte über das Material die Errungenschaften des Industriezeitalters wider, strahlte Modernität und Fortschrittsstreben aus.
Von Scheerbarts und Tauts farbiger Glasarchitektur und den reflektierenden Hochhausfronten großer Metropolen im 20. Jahrhundert hin zu kulturellen Zentren des 21. Jahrhunderts, wie Hamburgs Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron und dem „Your Rainbow Panorama“ Gang von Olafur Eliasson auf dem Dach des Aarhus Kunstmuseums – Glas bleibt prägend für Ideen moderner Architektur. Mehrere grundlegende Fakten machen den Werkstoff beliebt: Glas ist kompressionsstark, korrosionsbeständig und ein wiederverwertbares, und somit umweltfreundliches Baumaterial. So lässt sich im heutigen Umgang mit Glasfassaden nicht nur eine anhaltende, kreative Auseinandersetzung mit in der Architektur oft als monoton wahrgenommenen, glattpolierten Außenflächen feststellen, wie Thomas Schielke auf archdaily.com ausführt. Auch ist Glas auf bemerkenswerte Weise mit der Zeit gegangen.
Manhattan ohne Glas
Glasfassaden fangen das Sonnenlicht ein. Dies ist Teil ihrer Großstadtmagie, macht sie zu beliebten Motiven in Fotografie und von Zeitrafferaufnahmen in Dokumentationen und Filmen. Das bedeutet jedoch auch, dass Glasfronten eine Schlüsselfunktion für den Energieverbrauch des Gebäudes einnehmen. Glas isoliert sehr schlecht, lässt im Winter Wärme entweichen und lädt Innenräume im Sommer auf. Wolkenkratzer seien Energieverbrechen, deklarierte daher The Guardian 2019. Im selben Jahr verkündete New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio. “Wir werden eine Gesetzgebung zum Verbot von Glas- und Stahlwolkenkratzern, die so viel zur Erderwärmung beigetragen haben, vorstellen. Sie haben keinen Platz in unserer Stadt und auf unserer Erde.“ Eine Drohung, welche, laut The New York Times, die Architekturszene in Schrecken versetze und letztendlich weniger ein Verbot von Glas, als die Einführung strengerer Regularien einleiten sollte.
Energieeffizienz und Ästhetik
Für eine klimaverträgliche Zukunft der Glasfassade sind daher nicht nur gestalterische Innovation, sondern vor allem Fortschritte in der thermischen Isolierung von Nöten. Indium wird damit für die klassische Hochhausfassade von zentraler Bedeutung. Das silbrig-glänzende Metall kommt um Einsatz, um Infrarotstrahlung zu absorbieren und so die Erwärmung des Gebäudes zu verhindern. Das Ergebnis ist die bekannte spiegelgleiche Außenoptik vieler Hochhäuser.
Die Leistung unterschiedlicher Glasbeschichtungen hat in den letzten Jahren aber weiter zugenommen. Elektrochromes Smart Glas, welches meist mit Indium-Zinn-Oxid beschichtet ist, passt sich flexibel den Lichtbedingungen an. Bei starker Sonneneinstrahlung kann die Front verdunkelt und Erhitzung vermieden, am späten Nachmittag das schwindende Tageslicht durch die transparente Fassade effektiv genutzt werden.
Eine ideale Verschmelzung von Kunst und Umweltdenken stellt die Hamburger Elbphilharmonie dar. Viel wurde in die thermische Isolation der 21.800 Quadratmeter großen Glasfassade investiert. „Die Verglasung” berichtet glassonline.com, „besteht aus einer Low-E-Beschichtung, einer Sonnenschutzbeschichtung, Chromspiegelpunkten und einer Keramik-Siebdruck-Schicht“. Etwa 25 Prozent der auf das Gebäude prallenden Wärme werden laut Baunetzwissen alleine durch die die Chromspiegelpunkte reflektiert. Besonders macht die Elbphilharmonie die Tatsache, dass alle Schichten teils mit dem Glas auf 600 Grad erhitzt wurden, um über gebogene Glaselemente die für die Elbphilharmonie typische Wasseroberflächenillusion zu erzeugen.
Indium und die Zukunft der Glasfront
Bei auf Absorption und Reflektion beruhenden Verfahren geht jedoch die gesamte Energie wieder verloren. Die Forschung arbeitet daher intensiv daran, dass moderne Glasarchitektur und Energieneutralität Hand in Hand gehen können. Dazu ist es nötig, die Sonnenenergie der Gebäudeoberfläche in nutzbaren Strom zu verwandeln. Eine Lösungsansatz sind unsichtbare Solarzellen in gebäudeintegrierter Photovoltaik. Organische Indium-Zinn-Oxid Solarzellen, so haben Forschungen an der Universität Michigan in 2020 ergeben, haben als neuste Generation dieser Technologie mit 3,5 Prozent eine höhere Lichtausbeute, als gewöhnliche unsichtbare Solarzellen, welche lediglich 2-3 Prozent erreichen.
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