Vorweggenommen: Ich wechsle trotz der aktuellen Turbulenzen nicht ins Lager der Börsen-Bären. Doch ist nicht auszuschließen, dass die Finanzmärkte weiterhin den Anlegern wenig Freude bereiten werden – kurz- bis mittelfristig.
Die Optimisten unter den Analysten halten meist an ihrer langfristigen Haltung fest. Zu Ihrer Meinungsbildung, geschätzte Privatanleger, heute ein Querschnitt durch die am Wochenende formulierten Marktbeurteilungen. Typisch: Der Herbst zeigt sich bislang von seiner unfreundlichen Seite – nicht beim Wetter, aber an den Finanzmärkten. Die Inflationsrate in den USA wird vermutlich etwas nachlassen. An den Aktienmärkten kann die gegenwärtige Nervosität die Basis für eine Erholung legen, wenn der Gegenwind vom Rentenmarkt nachlässt. Inzwischen stehen längst die Anleihen im Mittelpunkt und damit verbunden nach wie vor die laufende Diskussion über die Zinspolitik der führenden Notenbanken.
Wie entwickeln sich die Anleiherenditen?
Die Renditen festverzinslicher Anlagen sind in den letzten zwei Jahren um ein Vielfaches gestiegen. Kevin Thozet, Mitglied des Investmentkomitees beim französischen Asset Manager Carmignac, stellt sich die Frage: Wenn sich die aktuelle Situation ändert und die Märkte für festverzinsliche Anlagen nicht die „versprochene“ Rendite liefern, was könnte stattdessen passieren und welche Auswirkungen hätte dies auf die Anleihenmärkte?
Antwort: „In unserem Hauptszenario für die konjunkturelle Entwicklung gehen wir davon aus, dass die Erholung in China an Fahrt gewinnt und sich die US-Wirtschaft weiterhin als robust erweist. Dies dürfte die Erwartung einer sanften Landung des globalen Konjunkturzyklus in den kommenden sechs Monaten unterstützen – ein für die Rentenmärkte besonders günstiges Umfeld.“
Worauf es jetzt ankommt
Laut Allianz Global Investors lassen sich für das kommende Quartal drei wesentliche Impulse identifizieren, die die Märkte beeinflussen: Erstens dürften die Folgen der restriktiven Geldpolitik in Form einer Abkühlung der Konjunktur (USA, China) oder möglicherweise sogar einer Rezession (in vielen europäischen Ländern) immer deutlicher spürbar werden. Diese Entwicklung stellt für jene Aktienmärkte eine Herausforderung dar, an denen steigende Gewinnerwartungen bisher am stärksten zur Performance beigetragen haben. Das spricht für die relativen Vorteile von Strategien, die auf beständige Dividendenerträge ausgerichtet sind.
Wenn die Inflation hoch bleibt
Zweitens bedeutet die Annahme einer – vor dem Hintergrund steigender Ölpreise – auf erhöhtem Niveau bleibenden Inflation, dass Aktienmärkte im Falle einer wieder anziehenden Konjunktur nicht profitieren können. Denn der sich daraus ergebende Anstieg der Anleiherenditen würde den Aufwärtstrend untergraben – wie in den letzten Monaten zu beobachten war. Stattdessen scheinen eine gewisse Dämpfung der Nachfrage sowie Hinweise auf einen weiteren Rückgang der Inflation ausschlaggebend für die Stabilisierung der Zinserwartungen zu sein.
Drittens bleiben die Risiken für die Finanzstabilität erhöht. Die Grundlagen für eine steigende Volatilität scheinen bereits gelegt. Wenn die großen Notenbanken zu weiteren Straffungsmaßnahmen greifen sollten, würde die Finanzstabilität in dieser fortgeschrittenen Phase des Zyklus noch stärker auf die Probe gestellt. Abschließend bleibt ein Thema des vergangenen Monats auf der Agenda: Im Hinblick auf die taktische Allokation lassen steigende Anleiherenditen die Rentenmärkte gegenüber anderen Anlageformen zusehends attraktiver werden.
Risiko einer Rezession in USA
Die Anleiherenditen weltweit sind deutlich gestiegen und der Druck auf Risikoanlagen nimmt zu, erläutert Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, RBC BlueBay Asset Management. Eine Rezession in den USA hält er für wahrscheinlicher als eine sanfte Landung. Der Ausverkauf am globalen Aktienmarkt hat sich in der vergangenen Woche fortgesetzt. Das führte dazu, dass die Renditen 30-jähriger US-Staatsanleihen auf 5 Prozent stiegen – ein Plus von mehr als 100 Basispunkten seit Ende Juni. Das Ausmaß dieser Neubewertung ist auch bei anderen langfristigen Vermögenswerten zu spüren. Aktien und Unternehmensanleihen stehen unter Druck. Zum Teil müssen Risikoanlagen mit wesentlich höheren Abzinsungssätzen für künftige Cashflows rechnen.
Ein weiterer Zinsanstieg könnte zu einer Selbstkorrektur führen. Bei BlueBay ist man der Ansicht, dass der Anstieg der Renditen vorerst weit genug gegangen sein und eine Konsolidierungsphase bevorstehen könnte. Für einen strukturell optimistischeren Blick auf US-Anleihen ist die Aussicht auf niedrigere Zinsen erforderlich. Die 10-jährigen Renditen könnten sich aber wieder in Richtung 4,5 Prozent bewegen, falls sich Wachstumssorgen einstellen sollten.
Wie Aktien und Anleihen mischen?
Schon wenige Stimmen zu den kurz- bis mittelfristigen Marktperspektiven ergeben also kein klares Bild. Kein Wunder, dass professionelle Strategen wieder über die alte, in den USA entwickelte (und beliebte) „60:40-Regel“ diskutieren. Aber 60 % eines Portfolios in Aktien und 40 % in relative Sicherheit versprechende Anleihen zu investieren, macht dann wenig Sinn, wenn beide Anlageklassen weitgehend im Gleichschritt tendieren, wie erlebt. Sie sollten selbst die Struktur Ihrer Anlagen planen und bestimmen, geschätzte Anleger. Prüfen Sie dabei stets auch den Anteil von Liquidität und Gold! Außerdem gehört der „Core-Satellite-Ansatz“ nach wie vor zu meinen empfohlenen Strategien.