Auch Motorrad-Akkus brauchen Seltene Erden. Doch der Biker-Szene geht es um ganz andere Dinge. Ein Ex-Puma-Manager will das jetzt ändern.
Noch ist der Markt an E-Motorrädern weltweit überschaubar. Zu wenig Reichweite, zu wenig Sound, zu wenig Sexappeal – so die gängigen Meinungen unter Motorradfans. Geht es jedoch nach Harley Davidson, soll sich das alles bald ändern. Per Pressemitteilung kündigte die Kultmarke jetzt an, mit Livewire eine eigene Marke für E-Motorräder zu launchen. Und mehr noch: Harley Davidson will mit Livewire führend in diesem Segment werden.
Das erste reguläre Modell feierte Anfang Juli auf der International Motorcycle Show im kalifornischen Irvine Premiere. Die Maschine, die auch in Deutschland zu haben ist, soll rund 33.000 Euro kosten. Die Reichweite ihres 15,5 kWH-Akkus soll laut Hersteller zwischen 158 (Kombiniert Landstraße und Stop-and-Go-Verkehr) und 235 Kilometern (Stadtverkehr) liegen.
Metamorphose von Puma-Manager Jochen Zeitz
Interessant an der Story ist aber noch etwas anderes: Hinter der Elektroinitiative steckt Jochen Zeitz, seit Frühjahr 2020 neuer CEO von Harley Davidson. Der Deutsche ist nicht nur der erste Nichtamerikaner an der Spitze des US-Konzerns. Zeitz war viele Jahre Chef des Sportartikelherstellers Puma, bevor er beschloss, aus dem Business-Hamsterrad auszusteigen und sich ausschließlich Nachhaltigkeitsprojekten zu widmen.
Und nun also eine weitere Metamorphose des mittlerweile 58-Jährigen. Jetzt will er Bikerglück mit Nachhaltigkeit verbinden. „Mit dem Launch von Livewire ergreifen wir die Chance, den Markt der Elektrofahrzeuge anzuführen und zu bestimmen“, sagt Zeitz. Außerdem soll Livewire neue Technologien entwickeln, die später auch in E-Motorräder der Marke Harley Davidson verbaut werden können. Mit anderen Worten: Auch Harleys sollen irgendwann elektrisch werden.
Akkus brauchen Seltene Erden
Ob Zeitz das alles auch gelingen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Schließlich sind die E-Motorräder zwar nachhaltiger als klassische Verbrenner, doch die Akkus, für deren Magnete auch Seltene Erden wie Dysprosium und Neodym verbraucht werden, schaffen meist noch nicht genug Leistung – bei gleichzeitig hohen Anschaffungskosten. Motorrad Online.de schrieb erst Ende März wieder: „Der heftige Sog der Elektroautos ist beim Motorrad weiterhin nicht zu spüren. Hier sind die Verbrenner weiterhin in der Hochentwicklung.“
Dokuserie „Long way up“
Das mag aber auch daran liegen, dass die Biker-Klientel – wie viele andere eingeschworene Communities auch – nicht gerade mit großem Veränderungswillen gesegnet ist. So zumindest könnte man eine Umfrage interpretieren, die die britische Motorcycle Action Group (MAG) gerade durchgeführt hat. Danach würden immerhin 31 Prozent der britischen Biker das Motorradfahren lieber aufgeben, wenn nur noch Elektromotorräder erlaubt wären. Wieviele davon Harley-Davidson-Fahrerinnen oder -Fahrer sind, ist leider nicht verbrieft.
Da verwundert es nicht, dass Harley Davidson wenig unversucht lässt, um die PR-Trommeln zu rühren. So hatte schon im Herbst 2020 die Dokuserie „Long way up“ Premiere, die auch hierzulande auf AppleTV+ zu sehen ist. Der Dreiteiler begleitet den Schauspieler Ewan McGregor und seinen Freund Charley Boorman auf einer rund 21.000 Kilometer langen Motorradtour von der Südspitze Südamerikas bis Los Angeles. Und welche Bikes nutzen die Jungs für den knallharten Ausdauerstresstest? Elektrische Motorräder der Marke Harley Davidson natürlich. Besser kann man gegen Reichweitenkritik und Softie Image wohl kaum angehen.