Ein Jahr Inflation Reduction Act

von | 16. Aug 2023 - 13:31 | Politik

„Renaissance“ der Industrie in den USA – Skepsis in Europa.

Genau ein Jahr ist es her, dass U.S.-Präsident Joe Biden den Inflation Reduction Act (IRA) unterzeichnet hat. Während Biden den Namen des IRAs bedauert, hob er anlässlich des Jahrestages die positiven Ergebnisse des Gesetzes hervor. Entgegen seinem Namen fördert das Gesetz in erster Linie das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft und die Transformation der Industrie hin zu erneuerbaren Energien. Mit insgesamt fast 400 Milliarden U.S.-Dollar unterstützen die USA unter anderem den Ausbau der Elektromobilität und Erneuerbarer Energien, um die Emissionen ihrer Industrie zu senken.

Zum einen werden mit dem Gesetz Konsumenten direkt angesprochen, indem der Kauf von E-Autos mit einer Steuergutschrift von mehreren Tausend Dollar unterstützt wird. Zum anderen werden Projekte für Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraftanlagen steuerlich begünstigt und mit Krediten unterstützt. Diese beiden Maßnahmen haben dazu geführt, dass in der produzierenden Industrie nach Jahrzehnten des Stellenabbaus und Outsourcings wieder neue Jobs entstanden sind. Das Center for American Progress beziffert die neu entstanden Arbeitsplätze mit rund 170,000, während über 270 neue Projekte für Erneuerbare Energien angestoßen wurden. Die Unternehmensberatung McKinsey spricht in diesem Zusammenhang davon, dass in den USA dadurch eine „Renaissance der herstellenden Industrie“ eingeleitet wurde.

Europa fürchtet um Wettbewerbsfähigkeit

Auf der anderen Seite des Atlantiks wurde das Gesetz schon vor Inkrafttreten mit Skepsis betrachtet. Denn der IRA setzt den Fokus vorrangig auf die heimische Wirtschaft der USA. Das Gesetz fördert Unternehmen aus den Bereichen Erneuerbare Energien, Batterieherstellung und kritische Rohstoffe, die in den USA produzieren mit Steuererleichterungen in Milliardenhöhe. Zusätzlich sind beispielsweise die Steuergutschriften von insgesamt 7.500 US-Dollar für den Kauf von E-Autos an bestimmte Bedingungen gekoppelt. Sowohl die kritischen Rohstoffe, die in der Batterie enthalten sind, als auch die Batteriekomponenten müssen zu einem Großteil in den USA oder einem Land mit einem Freihandelsabkommen stammen oder verarbeitet werden. Erfüllt ein Auto nur eins der beiden Kriterien, qualifiziert der Kauf nur für die Hälfte der Steuergutschrift. Die Prozentzahlen der Anforderungen erhöhen sich jährlich. Dazu kommt, dass die Endmontage in beiden Fällen zwingend in Nordamerika einschließlich Mexico stattfinden muss.

Diese beiden Anreize bewerten einige Wirtschaftsvertreter als Wettbewerbsverzerrung und fürchten einen Exodus der Industrie aus Europa nach Amerika, um in den Genuss der Vorteile des IRA zu kommen. Die Europäische Union reagierte ihrerseits mit dem Green Deal Industrial Plan und dem Temporary Crisis and Transition Framework, welche die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Industriestandorts sichern sollen. Anträge für Projekte für erneuerbare Energien wurden vereinfacht, indem sie schneller und einfacher gestellt werden können und Auflagen für staatliche Förderung wurden gelockert. Um diese Projekte auch umsetzen zu können, wurde mit den beiden Gesetzen auch beschlossen, Lieferketten für kritische Rohstoffe durch zusätzliche Handelsabkommen auszubauen und zu sichern. Trotzdem mahnt unter anderem die Bertelsmann Stiftung (PDF) weitere Schritte an. Jedoch solle ein Subventionswettlauf verhindert werden, denn das grundsätzliche Ziel des IRA, das Voranschreiten des Klimawandels einzudämmen, sei im Interesse aller.

Mittlerweile schließt der IRA auch E-Autos aus Japan in die Steuergutschriften ein, da das asiatische Land mit den USA Anfang des Jahres ein Handelsabkommen für kritische Rohstoffe schloss. Eine solche Übereinkunft soll noch dieses Jahr auch mit Europa geschlossen werden, was zumindest eine Sorge der deutschen Wirtschaft mildern könnte.

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