Wo Anleger unterbewertete Dax-Titel finden können

von | 14. Aug 2023 - 08:26 | Kutzers Corner

Die Experten vermitteln Anlegern momentan keinen souveränen Eindruck. Mehr noch als im ersten Halbjahr sind klare Aussagen zu den Börsenperspektiven die Ausnahme. Dennoch gibt es für ungeduldige Investoren Hinweise auf unterbewertete Aktien.

Die Finanzmärkte sind wacklig. Und die Stimmung bleibt unsicher – je nach aktueller Nachrichtenlage im Dreieck von Inflation, Zinspolitik und Konjunkturverlauf. Vereinzelt wird zwar vor einer nahenden Aktienschwäche gewarnt, andererseits werden aber bullische Vorhersagen formuliert und frühere Aktienprognosen nach oben korrigiert. Dazu wächst die Kritik an der innenpolitischen Entwicklung hierzulande: Ist Deutschland schon wieder der kranke Mann Europas?

Wirtschaftsindikatoren sorgen für Unsicherheit

Die Medien sind mittlerweile mit den Unsicherheit ausstrahlenden Entwicklungen in Wirtschaft und Politik gut beschäftigt. Unabhängig vom individuellen Standpunkt kommt man nicht an der Erkenntnis vorbei, dass es in Deutschland derzeit nicht rund läuft. Aber auch ohne die regelmäßige Zeitungslektüre und ohne die genaue Analyse von Wirtschaftsdaten entgeht einem aufmerksamen Beobachter nicht, dass das Land seit einigen Jahren tendenziell zu stagnieren scheint – vor allem im Vergleich zu vielen anderen westlichen Volkswirtschaften.

Laut Bloomberg wird für die US-Wirtschaft in den nächsten zwei Jahren nur ein einziges Quartal mit minimal negativem Wachstum erwartet (das vierte Quartal 2023), während man für das Gesamtjahr 2024 von einer Konsumentenpreisinflation von nur noch 2,5 % ausgeht. Da liegt es für die Aktienmärkte nahe, Applaus in Form höherer Bewertungen zu spenden. Im Gegensatz dazu handelten die Anleihemärkte zuletzt unruhig. Sie zeigten sich hin und her gerissen zwischen unerwartet hohen Budgetdefiziten zum Beispiel in den USA, aber auch der für Anleihen positiven Perspektive, dass derzeit nur noch wenig Notwendigkeit für weitere Zinserhöhungen gesehen wird.

Es gibt noch unterbewertete Dax-Unternehmen

Aktienfans sind meist ungeduldige Typen und deshalb immer auf der Suche nach günstig bewerteten Unternehmen. Das Ende der Berichtssaison scheint daher ein guter Zeitpunkt, einmal zu schauen, wie sich die deutschen Unternehmen geschlagen haben. Die unabhängigen Analysten von Morningstar decken 32 Dax-Konzerne ab. Und eine ganze Reihe davon halten sie für unterbewertet. Für langfristig ausgerichtete Anleger gibt es also einige Ideen.

Die Daten zeigen aber auch: die Luft wird dünner für die deutschen Konzerne. So stiegen die Umsätze und Gewinne deutlich langsamer als noch vor einem Jahr. Insbesondere die Chemiebranche kämpft mit vergleichsweise hohen Kosten.

Die Auswertung zeigt: Die Morningstar-Analysten haben von den 32 Dax-Unternehmen, die sie abdecken, die Schätzung des Fair Value von acht Konzernen nach oben angepasst. Besonders stark ging es nach oben bei Heidelberg Materials. Morningstar-Analyst Matthew Donen hob die Fair Value-Schätzung angesichts nachhaltiger Produktpreiserhöhungen und sinkender Energiepreise um knapp 13 % an. Die Aktien des Konzerns (3 Sterne) legten im Jahresverlauf bisher bereits 47 % zu. Für ein Unternehmen, BASF, wurde die Schätzung nach unten revidiert. Hiermit reagieren die Analysten auf den etwas pessimistischeren Ausblick des Chemiekonzerns für 2023.

Die Tabelle zeigt auch: Eine große Anzahl der Aktien wird zurzeit im unterbewerteten Bereich gehandelt. Fünf Unternehmen liegen im 5 Sterne Bereich von Morningstar. Das bedeutet, sie gelten als stark unterbewertet. Und 14 der analysierten Titel sind zurzeit mit 4 Sternen bewertet. Für den langfristig orientierten Investor bedeutet dies also, dass es Möglichkeiten unter den deutschen Blue Chips gibt.

Dax-Konzerne: Durchwachsenes Quartal

Alles in allem fiel die Berichtssaison für die deutschen Großunternehmen allerdings durchwachsen aus. Der Gesamtumsatz der Dax-Unternehmen stieg im 2. Quartal um 1,1 %. Die Mehrheit der Konzerne legte beim Umsatz zwar zu – immerhin 14 Unternehmen verzeichneten allerdings niedrigere Umsätze als im Vorjahreszeitraum, zeigt eine Analyse der Beratungsgesellschaft EY.

„Nach einem sehr starken Vorjahr ist die Luft für viele Unternehmen nun sehr dünn geworden“, so Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY. „Es fällt immer schwerer, das erreichte hohe Gewinnniveau zu halten, immer stärker spüren viele Unternehmen die schwache Konjunkturentwicklung.“ Zuletzt haben vor allem Chemieunternehmen von gesunkener Nachfrage berichtet und ihre Prognosen nach unten korrigiert – so etwa BASF.

Autokonzerne als Wachstumsmotor

Aufwärts ging es hingegen im zweiten Quartal bei den Autokonzernen, die vom nachlassenden Chipmangel bei hohen Preisen profitieren und weiterhin hohe Gewinne vor allem mit Verbrennern erwirtschaften. Die Autokonzerne liegen im Umsatz- und Gewinnranking weit vorn und erweisen sich weiterhin als Wachstumsmotor – dank immer noch gut gefüllter Auftragsbücher und einer verbesserten Verfügbarkeit von Halbleitern und anderen Vorprodukten.

Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW belegen mit 5,6 Milliarden Euro, 5,0 Milliarden Euro und 4,3 Milliarden Euro die Plätze eins, drei und vier im Gewinnranking. Zusätzlich kann sich die Deutsche Telekom, die einen operativen Gewinn von 5,2 Milliarden Euro auswies, in der Spitze der Rangliste etablieren. Aber auch der Automobilbranche weht der Wind zunehmend ins Gesicht: Denn die Auftragseingänge sind schwach – angesichts der hohen Inflation, zunehmender Konjunktursorgen und dem anhaltend hohen Zinsniveau sinkt die Kaufbereitschaft bei Kunden.

Verhaltener Ausblick: Hohe Kosten am Standort Deutschland

Insgesamt rechnen die Experten damit, dass die zweite Jahreshälfte noch schwieriger wird als die erste. Begründung: Am Konjunkturhimmel ziehen dunkle Wolken auf, Wachstumsimpulse sind nicht in Sicht. Zudem wird das geringe Umsatzwachstum von der nach wie vor hohen Inflation mehr als aufgezehrt, so dass wir es de facto vielfach bereits mit einem Minuswachstum zu tun haben. Gleichzeitig nimmt der Preisdruck zu und viele Unternehmen treten auf die Kostenbremse. Immer drängender wird dabei das Kostenproblem am Standort Deutschland: Gerade die hohen Energiepreise führen dazu, dass Investitionen aufgeschoben werden und über eine Verlagerung der Produktion ins Ausland nachgedacht wird. Diesen Trend verstärken auch die hierzulande sehr komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren.

Internationale Mischung besonders wichtig

Derartige Analysen von Wirtschaft und Finanzmärkten verdeutlichen Anlegern die wichtige Rolle der Mischung von Aktien und Anleihen über den Heimatmarkt hinaus. Gerade jetzt entwickeln sich die einzelnen Branchen und damit auch die deutschen Dax-Konzerne unterschiedlich. Stockpicking ist also schon hierzulande angesagt. An Aktien der Wall Street kommt man erst recht nicht vorbei. Und für größere Depots sind auch die Märkte der Schwellenländer ein Muss.

Betont vorsichtige Anleger unter Ihnen, geschätzte Leser, dürften mit neuen Engagements eher zurückhaltend bleiben, bis sich Stimmung und Kursentwicklung zu klaren Trends entwickeln („The Trend ist your Friend“).

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