Düstere Monate drohen  

von | 29. Aug 2022 - 08:11 | Kutzers Corner

Das Wetter ist noch hochsommerlich, was aber nichts daran ändert, dass der Herbst naht. Die Stimmung in der Wirtschaft und an den Börsen ist bereits derart unsicher und wechselhaft (was nicht alle Akteure zugeben), dass es schwerfällt, den Vorhersagen zu vertrauen. Energiekrise und Inflation entwickeln sich zu einer schweren Belastung – insbesondere für Europa. Deshalb müssen die Propheten im gerne zitierten Nebel stochern. Für Kapitalanleger ist das nicht ermutigend.

Internationale Investmentstrategen versuchen seit Wochen, die kursrelevanten Zusammenhänge aufzudröseln, um ihren Kunden Empfehlungen für die kurz- bis mittelfristige Taktik an die Hand geben zu können. Kein einfaches Unterfangen. Etwa seit Jahresmitte verhalten sich viele Investoren spürbar vorsichtiger. Nach der ernüchternden Entwicklung über weite Teile des ersten Halbjahres waren die meisten Marktteilnehmer in Deckung gegangen und hatten ihre Bargeldbestände erhöht. Nach einer anschließenden Stabilisierung der Kurse entsteht dann vor allem für Anleger mit Trendfolgemodellen Druck bei steigenden Kursen, ihre Aktienquoten wieder aufzustocken. Solche Faktoren haben vor allem in einem Umfeld niedriger Liquidität und Handelsvolumen, wie es in Ferienmonaten oft vorherrscht, einen größeren Einfluss als gewöhnlich.

Fundamentaldaten „out of office?“

Begleitet werden derartige Erscheinungen von selbstkritischen, zweifelnden Analysen prominenter Branchenvertreter. So schreiben die Strategen von Allianz Global Investors (AllianzGI) in ihrer Wochenendbetrachtung: Gleichzeitig drängt sich der Eindruck auf, dass vielen fundamentalen Entwicklungen wenig Beachtung geschenkt wurde. Womöglich, weil viele Analysten „out of office“ weilten. So signalisieren die steigenden europäischen Terminmarktpreise für Gas und Strom ernstzunehmende Knappheiten. Dabei erschwert die Wasserknappheit in Europa die Stromerzeugung über unterschiedliche Wirkkanäle (beispielsweise weniger Wasserkraft, weniger Kühlwasser).

Verschiedene Stimmungsindikatoren weltweit haben sich verschlechtert, vor allem die Konsumlaune. Die Erholung der chinesischen Wirtschaft von den Corona-Lockdowns scheint langsamer als erwartet in Fahrt zu kommen. In den USA gipfeln viele Häusermarktindikatoren und deuten auf eine Abschwächung am Wohnimmobilienmarkt hin. Das mag Hoffnungen schüren, die Notenbanken könnten wieder durch ausbleibende Zinserhöhungen mehr das Wachstum unterstützen, als sich der Inflationsbekämpfung zu widmen. Noch aber haben diese den unterliegenden Preisauftrieb bei Dienstleistungen, Löhnen, Mieten nicht im Griff. Wie immer in wirtschaftlichen Krisenzeiten ruhen die Hoffnungen auf einer expansiven Fiskal- und Geldpolitik, wobei diese die angebotsbedingten Preisschübe bestenfalls dämpfen können. Angesichts der begrenzten Energie bei im Winter steigender Nachfrage bleibt der Preisdruck bestehen, so dass sich ein steuerfinanzierter preislicher Ausgleich immer weniger herbeiführen lässt, glauben Finanzexperten.

Inflation und Rezession?

Also muss es die Geldpolitik richten, doch wie? fragen sich Experten. In der abgelaufenen Handelswoche war das Unbehagen greifbar, ob sich mit einer restriktiven Geldpolitik die Inflation wirksam bekämpfen lässt. Am Ende hätte die Notenbank die Wirtschaft in eine Rezession geführt und der Inflationsdruck bleibt dennoch. Über die Möglichkeit eines solchen Szenarios sowie deren Lösung wird derzeit intensiv diskutiert – und zwar nicht nur auf dem traditionellen geldpolitischen Treffen der Notenbanker Ende vergangener Woche in Jackson Hole in den USA.

Neue fundamentale Impulse zum Monatswechsel

In der kommenden Woche mangelt es nicht an neuen fundamentalen Impulsen. Anfang kommender Woche könnten sich die Marktteilnehmer zunächst mit Erkenntnissen der Notenbanker-Tagung in Jackson Hole auseinandersetzen. Dienstag und Mittwoch dürften die vorläufigen August-Inflationsdaten aus Deutschland und der Eurozone im Mittelpunkt stehen. Außerdem werden am Dienstag die Sentiment-Daten der EU-Kommission sowie das Conference Board Verbrauchervertrauen in den USA veröffentlicht. In der Folge werden dann aus vielen Ländern die (finalen) Einkaufsmanagerindizes für den August berichtet. Dabei sollten viele Augen auf die chinesischen Indizes gerichtet sein, um die Dynamik in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde einschätzen zu können. Der Höhepunkt im Datenkalender folgt aber erst am Freitag mit dem US-Arbeitsmarktbericht. Hier stellt sich die Frage, wie lange sich der US-Arbeitsmarkt noch so kraftstrotzend wie zuletzt präsentieren kann. In einem Umfeld gestiegener Kurse und sich eintrübender Fundamentaldaten bleiben nicht wenige institutionelle Investoren vorsichtig gestimmt. Saisonal steht mit dem September ein oft unruhiger Monat bevor.

Aktienmarkt – Bärentief oder Erholung?

Die Risiken sind also groß. Erfahrende Anleger wissen, dass es aber auch dann große Chancen geben kann – bei entsprechenden Voraussetzungen. Interessant sind deshalb die Andeutungen des amerikanischen Investment-Giganten Goldman Sachs Asset Management (GSAM) in seiner aktuellen Vorschau: Der US-Aktienmarkt notiert auf einem Niveau, das auf beträchtliche makroökonomische Schwächen hindeutet. Zudem verunsichert die Energiekrise die Märkte in Europa und übt Druck auf die Wachstums- und Inflationslage und somit die Gesamtnachfrage aus. Für die weitere Entwicklung der Aktienmärkte gehen die Experten von GSAM davon aus, dass jeder Hinweis auf einen Rückgang der Inflation oder eine Veränderung der geldpolitischen Haltung der US-Notenbank Auslöser von steigenden Kursen und sinkenden Volatilität sein können. Für bestimmte Anleger mag eine Risikoreduzierung sinnvoll sein. Doch Anleger mit entsprechendem Zeithorizont und ausreichender Risikobereitschaft können davon profitieren, Kurs zu halten – vor allem wenn sie bereits Baisseverluste realisiert haben.

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