Börsen erholen sich – und was nun?

von | 30. Jan 2023 - 08:25 | Kutzers Corner

Nach einem hoffnungsvollen Jahresauftakt, aber unverändert vielen Fragezeichen stellt sich Unternehmern und Kapitalanlegern die Frage, wie es 2023 weitergeht. Mehr positive Vorzeichen, ist die „bullische“ Antwort.

Das könnte für die meisten Kennzahlen der Wirtschaft und Indizes der Börsen gelten. Was aber bedeutet dann die Headline eines ausführlichen Agenturberichts vom zurückliegenden Wochenende „Deutsche Wirtschaft vor langer Schwächephase“? Vorsicht, Gefahr von Missverständnissen! Denn gemeint ist nicht etwa eine lange Rezessionsphase, sondern eine Volkswirtschaft mit nur geringen jährlichen Zuwachsraten, denn es heißt: Der deutschen Wirtschaft steht nach Einschätzung prominenter Ökonomen eine jahrelange Phase schwachen Wachstums bevor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen und das Ifo-Institut in München gehen übereinstimmend davon aus, dass die jährlichen Wachstumsraten mittelfristig unter 1 Prozent liegen werden – und damit sehr viel niedriger als im Schnitt der vergangenen dreißig Jahre.

Nur noch weniger als 1 Prozent Wachstum p.a.

„Das Wirtschaftswachstum dürfte in diesem Jahrzehnt deutlich schwächer ausfallen als in den vermeintlich wirtschaftlich erfolgreichen 2010er Jahren“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die Abschwächung des Wirtschaftspotenzials Deutschlands gehe auf eigene Versäumnisse zurück und habe wenig mit dem Krieg in der Ukraine oder der Corona-Pandemie zu tun. Das Potenzialwachstum für die deutsche Wirtschaft dürfte ihm zufolge in diesem Jahrzehnt auf unter 1,0 Prozent sinken. Das sei vor allem dem Rückgang der Beschäftigung durch Demographie und Fachkräftemangel geschuldet. Wenn die verschlafene Transformation zu einer Deindustrialisierung führen sollte, dann könnte das Wachstumspotenzial noch stärker sinken. Deutschland habe in den vergangenen 20 Jahren vier große wirtschaftspolitische Fehler begangen. Als größtes Versagen kritisierte der DIW-Präsident die „bisher gescheiterte ökologische Transformation, die dazu geführt hat, dass Deutschland viel zu abhängig von fossilen und sehr teuren Energieimporten ist und die technologische Transformation zu nachhaltigen und innovativen Technologien verschlafen hat.“

Guter Januar, gutes Börsenjahr?

Wie der Januar, so das Jahr, lautet eine alte Börsenregel. Auch wenn es Dax und EuroStoxx 50 zuletzt etwas langsamer angehen ließen, sind die ersten Wochen des neuen Jahres für Euro-Aktien überdurchschnittlich gut verlaufen. In der zurückgerechneten Dax-Historie finden sich lediglich sieben Jahre, in denen das deutsche Börsenbarometer im Januar mehr als 8 % zulegen konnte und damit gleich im ersten Monat den Ertrag eines ganzen Jahres lieferte. Was also tun: Gewinne mitnehmen und in sichere Rentenpapiere umschichten? Immerhin entwickeln sich Anleihen allmählich wieder zu einer akzeptablen Anlagealternative, analysieren verschiedene Investmentstrategen. Ich kann diese Einschätzung nicht teilen, denn Anleihen liefern immer noch keine positive Realrendite. Und es sind langweilige Instrumente ohne Fantasie. Vorbei sind also die Zeiten von „TINA“ (There Is No Alternative) zur Anlagerklasse Aktie? Noch nicht, sei hier erwidert.

Bemüht man die Historie, so zeigt sich, dass in Jahren mit einem derart furiosen Auftakt durchaus mehr drin ist, geht aus einer Analyse der Frankfurter Helaba hervor. Im Durchschnitt waren es für das Gesamtjahr rund 25 %. Bezogen auf 2023 würde dies bedeuten, dass der Dax bis Jahresende die 17.000er Marke überschreitet. Im aus der Historie abgeleiteten schlechtesten Fall wäre für das Gesamtjahr eine Seitwärtsbewegung, im besten Fall sogar ein Anstieg von 50 % möglich. Nun wissen Sie, geschätzte Anleger, dass bei historischen Mustern eine gewisse Skepsis angebracht ist. Natürlich wäre es fahrlässig, die Ertragserwartungen allein auf Basis vergangener Kursverläufe zu bilden.

Dax-Bewertung ist noch moderat

Daher ein Blick auf die fundamentalen Rahmenbedingungen, die insbesondere für die langfristige Einschätzung des Aktienmarkts von Bedeutung ist: Die Dax-Bewertung ist trotz des Anstiegs der vergangenen Monate moderat. Aktuell liegt der Mittelwert des fairen Bereichs bei 15.000 Punkten (= das aktuelle Niveau), der obere Rand bei gut 17.000 Punkten. Das Jahresendziel 2023, das die Helaba früher gesteckt hatte, wirkt mit 16.000 (für den Dax) inzwischen alles andere als vermessen.

Schließlich sind die konjunkturellen Frühindikatoren positiv und signalisieren, dass die Rezessionsängste hierzulande überzogen waren. Auch relativ zu den USA entwickeln sich die Indikatoren derzeit besser und untermauern somit die Outperformance gegenüber dem S&P 500. Das klingt aus Börsensicht längst nicht so skeptisch wie die eingangs skizzierte der Wissenschaftler. Kurzfristig könnten die anstehenden Zinsentscheide von EZB und Fed zwar für höhere Schwankungen an den Finanzmärkten sorgen, ein Ende des Straffungszyklus ist jedoch bereits absehbar.

Technologiesektor wieder im Fokus

Davon profitierten zuletzt besonders die zuvor arg gebeutelten Technologiewerte, die oft auch als „Wachstumswerte“ bezeichnet werden. Aufgrund ihrer höheren Bewertung sind sie besonders zinssensitiv. So konnte der Nasdaq Composite inzwischen zu Dax und EuroStoxx aufschließen. Im Übrigen schneidet der Technologiesektor in der laufenden Berichtssaison überdurchschnittlich gut ab. Während bislang 72 % aller Unternehmen aus dem S&P 500 positiv überraschen konnten, waren es aus dem Technologiesektor 90 %.

Natürlich ist nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“, erinnern die Helaba-Strategen. Doch gilt der alte Spruch „stocks climb the wall of worry“ und der passt zum diesjährigen Motto der Analysten: „Weltwirtschaft auf Gratwanderung“. Nun gibt es eben auch gute Gründe für Skepsis und Vorsicht, doch müssen die den betont langfristigen Investor nicht abschrecken: Wer sein Kapital für 10, 20 oder noch mehr Jahre in Aktien anlegt (z.B. für die private Altersvorsorge), kann einschließlich Dividenden von 6 bis 9 % Wertzuwachs p.a. ausgehen!

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