Warum Anleger bessere Beratung brauchen

von | 2. Jan 2024 - 08:35 | Kutzers Corner

Der Bedarf an Informationen über die Finanzmärkte nimmt seit Jahren zu. Parallel hat sich schon ein Überangebot entwickelt – die Flut der Nachrichten stellt Börsenprofis und Privatanleger vor neue Herausforderungen. Das gilt auch für die Anlageberatung.

Je länger ich an meinem neuartigen Börsenlesebuch „Zwischen Bullen und Bären – Spätlese eines Börsenbeobachters“ (vorläufiger Titel) arbeite, um so deutlich sind die vielen Veränderungen und Neuentwicklungen der Kapitalanlage zu erkennen. Der Wandel zur Digitalisierung seit Mitte der 1980er Jahre macht es möglich. Börsenbücher sind inflationär. Mir kommt in den meisten Veröffentlichungen ebenso wie in der Anlageberatung der private Anleger selbst zu kurz, der ja selbst verantwortlich für sein Geldmanagement sein sollte. Rezepte können nur begrenzt weiterhelfen, weil die Ausgangslagen und Zielsetzungen der individuellen Anleger einfach zu unterschiedlich sind.

Erfahrung wichtiger als Insiderwissen

Mein Ziel ist (auch in meinen Kolumnen) nicht etwa die Weitergabe von „Geheimnissen“ oder „Insiderwissen“, sondern die Ausschüttung von Erfahrungen, die ich in mehr als 50 Jahren journalistischer Beobachtung der nationalen und internationalen Finanzmärkte gesammelt habe. Mir geht es vor allem darum zu zeigen, wie eng Wirtschaft und Politik zusammenhängen, dass die Finanzmärkte trotz spekulativer Elemente kein Selbstzweck sind und dass Börsen nichts mit Glücksspiel zu tun haben.

Und doch, ich verbinde mit dem Lesebuch naturgemäß auch konkrete Ziele (neben dem Unterhaltungswert). Zum einen möchte ich Sympathie für die Börse in der breiten Bevölkerung fördern und dabei insbesondere für die langfristige Aktienanlage plädieren. Zum anderen warne ich vor dem Versuch, die täglichen Kurszuckungen allzu ernst zu nehmen: Die Begründungen für das kurzfristige Auf und Ab der Kurse sind oft fadenscheinig und führen zu Fehlentscheidungen.

Quantitative und qualitative Veränderungen

Schon drei (geradezu dramatische) strukturelle Veränderungen der Finanzmärkte haben im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte die Szene für alle Beteiligten verändert: Zum einen ist alles viel schneller geworden, vom Börsengeschehen bis zu seiner Publizität. An den elektronischen Handel selbst musste man sich gewöhnen, das Börsenparkett spielt seither eher eine Nebenrolle. Gleichzeitig ist die Zahl der neuer Anlageinstrumente und ihrer Derivate weltweit in neue Dimensionen gewachsen. Schließlich sind die schon vorher internationalen Märkte noch weiter geöffnet worden – meist kann man jetzt von globalen Märkten sprechen.

Aktuelle Stimmen zum Jahreswechsel

Die Aktienindizes Dow Jones, Dax und Co. haben im zurückliegenden Jahr satte Kursgewinne verbucht.  Auch Anleihen standen 2023 wegen deutlich gestiegener Zinsen verstärkt im Fokus der Anleger. Und das nach Phasen stärkerer Schwankungen. Wie geht es bei Aktien und Anleihen im Jahr 2024 weiter? Die Kollegen des Informationsdienstes Biallo (biallo.de) haben sich bei Marktexperten umgehört. Deren Prognosen von Ende vergangener Woche hier in Auszügen:

Ein wesentlicher Grund für die jüngste Kursrally ist die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen der Notenbanken. Nachdem die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen 2022 und 2023 drastisch nach oben geschraubt hatten, um die Inflation in den Griff zu bekommen, gab es von Seiten der Notenbanken zuletzt Signale, dass es mit der Zinswende aufgrund der sinkenden Teuerungsraten bald vorbei sein könnte. Die Aussicht auf eine Lockerung der Geldpolitik verleiht Aktien grundsätzlich Rückenwind: Zum einen könnten die Unternehmen sich dann wieder günstiger finanzieren. Zum anderen würden festverzinsliche Papiere durch Zinssenkungen an Attraktivität verlieren. Mit der Folge, dass sich Investoren wieder stärker auf renditeträchtige Aktien fokussieren, was wiederum die Aktienkurse tendenziell nach oben treibt.

Weiter steigende Aktienkurse erwartet

„Die Inflation kühlt sich ab und die Anleger bleiben optimistisch gestimmt, was einen Kurswechsel der Notenbanken in der Geldpolitik angeht“, sagt Konstantin Oldenburger, Marktanalyst beim Broker CMC Markets. Damit halte sich auch die Erwartung im Markt, dass die Fed die Zinssätze im Jahr 2024 mehrfach senken wird. „Diese Entwicklung ist allerdings längst nicht in Stein gemeißelt und wird höchstwahrscheinlich zumindest nicht in diesem Ausmaß stattfinden“, so Oldenburger. Banken und Fondsmanager rechnen damit, dass Aktienindizes wie Dax, Euro Stoxx 50 und S&P 500 im Jahr 2024 weiter steigen werden. Die Experten rechnen mit Kursgewinnen zwischen fünf und zehn Prozent.

„Am Kapitalmarkt hat sich die Meinung durchgesetzt, dass die Notenbanken die Zinsen angesichts niedrigerer Inflationszahlen früher senken werden als ursprünglich erwartet“, sagt Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, im Youtube-Interview mit biallo.de. Gleichwohl verweist der Experte darauf, dass die Beschäftigungsquoten derzeit sehr hoch sind und die Löhne weiter steigen. Auch sieht er aufgrund der geopolitischen Risiken Unsicherheiten bei der Energiepreisentwicklung.

Die EZB dürfte laut Stephan „auch aus Reputationsgründen“ die Inflation weiterhin bekämpfen und „wahrscheinlich erst ab Sommer 2024“ die Zinsen senken. Die Deutsche Bank erwartet in der Eurozone drei Zinssenkungen in Höhe von insgesamt 0,75 Prozentpunkten. Dadurch würde der Leitzins bis Ende 2024 von derzeit 4,50 auf dann 3,75 Prozent sinken. Der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank geht zudem davon aus, dass die Inflation im kommenden Jahr langsam abflaut. Wenn man jedoch in Amerika den Wohnbereich aus der Inflation herausrechne, käme man jetzt schon auf eine Teuerungsrate von lediglich 1,5 bis zwei Prozent.

Welche Märkte sind 2024 interessant?

Stephan rechnet fest damit, dass die Wirtschaft 2024 in den Schwellenländern, den sogenannten Emerging Markets, deutlich stärker wächst als in den Industrieländern. Dies gelte besonders für Indien, dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP) seiner Einschätzung nach im kommenden Jahr um sechs bis zehn Prozent wachsen sollte gegenüber knapp fünf Prozent in China. Für Deutschland erwartet Stephan „ein weiteres kompliziertes Jahr“, etwa im verarbeitenden Gewerbe. Der Experte rät davon ab, in energieintensive Unternehmen aus Deutschland zu investieren, da diese hohe Lasten zu tragen hätten. Auch die Schuldenbremse sowie der allgemeine Sparzwang könnten hierzulande Wachstum kosten. Andererseits dürften Unternehmen aus hoffnungsvollen Branchen wie Technologie, Energie, Luxusgüter und Kommunikation Gewinne erzielen, die über den Erwartungen der Marktexperten liegen. So gibt es laut Stephan Nachholpotenzial für Energieunternehmen, die eine große Transformation vor sich haben. Außerdem findet der Experte europäische Finanzwerte interessant, die von den hohen Zinsen profitieren: „Wer Werte mit weniger Volatilität bevorzugt, für den könnten etwa Versicherungen spannend sein. Für mutigere Anleger könnten sich Banken eignen.“

Dr. Jens Ehrhardt erwartet Korrektur am Aktienmarkt

Der renommierte Fondsmanager Dr. Jens Ehrhardt, Chef der DJE Kapital AG, kann sich vorstellen, dass 2024 eher ein Jahr der Anleihen als ein Jahr der Aktien wird. „Aktien könnten zunächst Anlaufschwierigkeiten haben, da die Zinsen gestiegen sind“, sagte Ehrhardt kürzlich in einem Videointerview auf dem hauseigenen Youtube-Kanal. Wenn sich die Konjunktur abschwäche, reagieren die Aktienkurse verhalten. Daher geht der Finanzexperte davon aus, dass die Aktienmärkte zeitweise moderat nach unten laufen werden. Gleichwohl sieht er im Zuge möglicher Zinssenkungen mittelfristig Aufwärtspotenzial für die Aktienmärkte.

Von den derzeit hohen Zinsen würden bei Aktien vor allem Finanzwerte durch hohe Zinseinnahmen profitieren. Andererseits leide der Immobilienmarkt unter dem hohen Zinsniveau. Bei der Titelauswahl helfe ein Blick auf die jeweilige Region. „In Asien beispielsweise gibt es niedrigere Zinsen. Vor allem China, wo es derzeit keine Inflation gibt, versucht die Zentralbank die Konjunktur zu stimulieren“, sagt Ehrhardt. Auch in Japan sei das Zinsniveau sehr gering. Anleger hätten daher die Möglichkeit, japanische Aktien angesichts des geringen Währungsniveaus günstig zu kaufen.

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