Politische Krisen (noch) keine Börsenbremse

von | 11. Dez 2023 - 08:40 | Kutzers Corner

Krisenmodus? Das Wort des Jahres gilt nicht für die Börse, obwohl die Welt an vielen Stellen aus den Fugen geraten ist. Trotz der Hochstimmung bei Anleihen und Aktien sollten die Anleger beim Blick auf 2024 nicht die politischen Risiken vernachlässigen.

Dies ist nicht als etwa als ein Wechsel vom Kreis der Börsen-Bullen ins Lager der Bären zu verstehen, sondern als eine Warnung. Das internationale Krisen- und Kriegsszenario könnte sich im kommenden Jahr weiter ausbreiten und zunehmend für (auch für den Kapitalmarkt relevante!) nationale Turbulenzen sorgen. Die von den Börsianern jetzt noch mit Gelassenheit verfolgten Zusammenhänge zwischen Politik und Wirtschaft bekämen dann spürbar größeres Gewicht.

Inflation bleibt zunächst im Vordergrund  

Typisch die Gedanken von großen Institutionen wie Allianz Global Investors: Die Inflation bleibt weiter im Fokus der Kapitalmärkte. Auf den ersten Blick erscheinen die Nachrichten über die Inflation im Euroraum dabei äußerst vielversprechend. Legt man die von der Europäische Zentralbank veröffentlichten saisonbereinigten Daten zugrunde, so liegt die Kerninflation, je nach Abgrenzung, auf Jahresbasis zwischen 2,0 % und 2,25 %. Damit wäre ja dann eigentlich das Ziel erreicht.

Aber halt, da gibt es einen technischen Faktor: Die Gewichte des Warenkorbs wurden geändert, was die Jahresveränderungsraten besser aussehen lässt, als sie tatsächlich sind. Das wahre Tempo der zugrundeliegenden Inflation werden wir erst Anfang nächsten Jahres erfahren, wenn die Daten aus dieser Änderung herausgewachsen sind. So war die saisonbereinigte Kerninflation im November auf Jahresbasis für nicht-energiebezogene Industriegüter im Vergleich zum Oktober negativ. Ohne die Energie- und Nahrungsmittelkomponenten erreichte sie die Nulllinie. Der einzige Bereich, der hinterherhinkt, ist – wenig überraschend – der Dienstleistungssektor, wo die Inflation immer noch bei etwa 3 % liegt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der in der Eurozone gegenüber den USA deutlich stärkere Anstieg der Kernraten auf ein einheitliches Niveau nach unten nivelliert hat.

Zinssenkungsfantasie stimuliert die Märkte

Die neue Woche dürfte von den Zentralbanken der USA (Mittwoch) und der Eurozone (Donnerstag) dominiert werden. Dass die vorweihnachtliche, geldpolitische Ruhe noch einmal gestört wird, ist laut AllianzGI kaum zu erwarten. Sowohl die Federal Reserve Bank (Fed) als auch die EZB dürften ihren Kurs bestätigen. Im Kontext vor allem der jüngeren Preisdaten wird dabei das „Wording“ bezüglich des zukünftig zu erwartenden Zinspfades wichtig. Jüngst wurden aus den Reihen der Fed Stimmen laut, die auf eine frühere Zinssenkung hindeuten.

Dies kann allerdings noch nicht als allgemeine Meinungsbildung ausgelegt werden. Sowohl Fed-Chef Jerome Powell als auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde sollten sich den Rücken für ein „höher für länger“ freihalten wollen. Wir sind jetzt in der Phase geldpolitischer Feinsteuerung angekommen. Wer zu schnell Signale der Entwarnung an der Preisfront gibt, nährt nicht nur die Zinssenkungsfantasie, sondern auch die Inflationserwartungen. Was ja in der Folge der ruckartig angesprungenen Energiepreise als Folge des Angriffs auf die Ukraine unterging, ist, dass die lockere Geldpolitik durchaus ihren Anteil an der Inflation hat. Rücklaufende Preisdaten begründen noch keinen dauerhaften Trend.

Anlagejahr 2024: Erst abwarten, dann durchstarten

Kurz vor dem Jahresende notieren zahlreiche Aktien- und Anleihesegmente im Plus und entsprechend dürfte sich 2023 als zufriedenstellendes Anlagejahr einreihen. Bei Aktien waren es insbesondere japanische Papiere – allerdings mit Währungsabsicherung – und beispielsweise die ‚Big Seven‘, wie Apple & Co., die outperformten. Und im Bereich Anleihen erzielten High Yield-Bonds bis dato überdurchschnittliche Erträge. Angesichts der heftigen geldpolitischen Straffung sind diese ansehnlichen Ergebnisse zum Teil außergewöhnlich. Für 2024 erwarten die Strategen von Swisscanto ein Finanzjahr mit zwei Gesichtern: „Für die erste Hälfte gilt es erst einmal abzuwarten, da die bremsende Wirkung der höheren Zinsen sich nun verstärkt auf Konsum und Investitionen niederschlägt, und defensiv zu agieren, um dann im zweiten Halbjahr, getrieben von ersten Zinssenkungen, durchzustarten.“

Begründung der Schweizer: Der massive Fiskalstimulus in den USA verschob die Rezession. Denn die US-Regierung stimulierte in diesem Jahr bereits so, als wären wir in einer selbigen. Dieser starke Impuls fällt 2024 weg und dazu kommt, dass dem US-Verbraucher langsam die Puste ausgeht. Dies ist deutlich erkennbar an den zunehmenden Verspätungen bei Zahlungen der Kreditkarten- und Autokreditsalden. Daher unsere Zurückhaltung für die ersten sechs Monate in 2024. Für mehr Offensive im zweiten Halbjahr spricht die zu erwartende Wende bei den Zentralbanken. Wenn sich die Inflationsdaten in den gewünschten Sphären bewegen, kann es zu raschen Zinssenkungen kommen, insbesondere da die Zentralbanken in einer Rezession normalerweise nicht restriktiv bleiben.

Dax-Prognose: 18.000 Punkte erreichbar

Zuversichtlich bleiben die Experten von M.M. Warburg, denn sie sagen voraus: Aktienindizes erreichen neue Rekordständen in 2024. Für den Dax halten sie bis Ende nächsten Jahres ein Kursziel von 18.000 Punkten für erreichbar. Dabei gehen sie davon aus, dass die Unternehmen ihre Gewinne im kommenden Jahr leicht steigern können und das aktuell niedrige Bewertungsniveau des DAX wieder etwas ansteigt – und sich dem historischen Durchschnitt der letzten Jahre annähert. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen gilt eine Kursprognose von 18.000 Punkten für unseren Leitindex sogar eher konservativ und wäre auch im Falle negativer Gewinnrevisionen für das Jahr 2024 zu erreichen. Auch in den USA dürfte der S&P 500 ein neues Rekordhoch erreichen. Bei Warburg geht man davon aus, dass die Gewinne der 500 Unternehmen im kommenden Jahr im Durchschnitt etwas stärker steigen werden als in Europa, da der S&P 500 ein höheres Gewicht an Technologieaktien enthält.

Werden die Bullen 2024 Recht behalten?

Nein, keine Prognose meinerseits. Aber es fällt mir zunehmend schwer, Börsenoptimismus ohne Vorbehalte zu verbreiten. Und diese Sorgen basieren in erster Linie auf den Risiken für das kommende Jahr die sich aus den geopolitischen und nationalpolitischen Entwicklungen abzeichnen. Sie brauchen sich nur die Entwicklung bei uns im Lande vor Augen zu halten – denn wir haben ja wirklich so etwas wie den „Krisenmodus“, wenn man an das Haushaltsdebakel der Ampelregierung in Berlin denkt. Doch geht es nicht allein um Deutschland, sondern um Brennpunkte weltweit.

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