Mutige Börsenoptimisten trotzen den Kriegssorgen

von | 23. Okt 2023 - 08:40 | Kutzers Corner

Die Unsicherheit aus dem Umfeld nimmt noch mehr zu. Dennoch – und trotz jüngster Kurseinbrüche – breitet sich an den Finanzmärkten (noch) keine Panik aus. Allerdings sind konkrete Prognosen kaum mehr sinnvoll, denn alles ist möglich.

Beispiel Dax. Dass unser Leitindex Ende vergangener Woche unter 15.000 und dann sogar unter 14.800 abgerutscht ist, war von den meisten Anlageexperten nicht erwartet worden. Im bisherigen Jahresverlauf haben die Unternehmensgewinne maßgeblich dazu beigetragen, dass der Aktienmarkt so manchem Gegenwind trotzen konnte. Dazu schreiben mir führende Investmentmanager: Auch wenn die Gewinne derzeit keine hohen Wachstumsraten im Jahresvergleich aufweisen, sollte dies trotzdem als ein Zeichen von Stärke gewertet werden. Die Gesamtheit der Unternehmen scheinen hohe und stark schwankende Rohstoffpreise, steigende Löhne und erhöhte politische Unsicherheit bisher gut weggesteckt zu haben.

Das ist aber nur möglich, wenn der mitentscheidende Börsenfaktor Liquidität stimmt. Deshalb bleibt die monetäre Politik der großen Notenbanken weiterhin im Fokus der Investoren. Und die meisten befürchten keine Geldverknappung.

Wenn die Welt aus den Fugen gerät

Die Eskalation im Nahen Osten hat die geopolitischen Risiken wieder ins Blickfeld der Kapitalmärkte gerückt. Was das für Anlegerinnen und Anleger bedeutet, welche Rolle der Ölpreis dabei spielt und welche weiteren Aspekte zu berücksichtigen sind, erläutert Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M. Warburg, in einer aktuellen Studie mit dem Titel „Die Welt ist aus den Fugen – die Märkte bald auch?“ All das hört sich nicht gut an und das ist es auch nicht. Der Ökonom fährt fort (Auszüge aus seiner Analyse): Wenn man nun zum Ergebnis kommt, dass von dieser Seite eher keine unberechenbare Gefahr lauert, stellt sich die Frage, ob die drohende Einschränkung von Handelswegen im Falle eines Krieges im Nahen Osten nicht die größere Gefahr darstellt. Und in der Tat konnte im März 2021 sehr genau beobachtet werden, was mit dem Welthandel passiert, wenn der Suezkanal blockiert ist. Damals war die „Ever Given“ im Suezkanal auf Grund gelaufen und hatte zu einer veritablen Störung globaler Lieferketten geführt.

Aktien bleiben langfristig attraktiver als Anleihen

Es ist allerdings zweifelhaft, ob ein solches Ereignis überhaupt mit belastbaren Eintrittswahrscheinlichkeiten belegt werden kann. Nüchtern betrachtet sind gerade solche Ereignisse mit „binärem“ Ausgang (entweder es passiert oder es passiert nicht) hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit fast unmöglich einzuordnen. Damit wird es aber auch schwer, auf Basis einer solchen Hypothese eine Investment-Entscheidung zu treffen. So bleibt es dabei, dass die derzeitige geopolitische Lage zwar mehr als unübersichtlich ist, eine komplette Neueinschätzung der Kapitalmarktsituation und eine daraus abgeleitete Umschichtung von Assets aber nicht angebracht erscheint. Trotzdem gehen von der geopolitischen Situation Implikationen für Kapitalmärkte aus; diese sind jedoch eher längerfristig von Bedeutung. Denn in dem Maße, wie sich die Welt auf eine höhere geopolitische Komplexität einstellen muss, sinken die Gewinnwachstumsraten und schmälern dementsprechend das Kurspotenzial. Resümiert der Banker: Verglichen mit Anleihen bleiben Aktien aber trotzdem immer noch die langfristig attraktivere Assetklasse. (Sie wissen, geschätzte Anleger, dass dies auch meiner Einschätzung entspricht.)

Frühzyklische Aktien empfohlen

Eine positive Empfehlung zum Aktienmarkt liefert auch Geir Lode, Head of Global Equities von Federated Hermes: Während sich die Zinssätze ihrem Höhepunkt nähern, wird ein erwartetes Gewinnwachstum von 12 Prozent im kommenden Jahr den Weg für den nächsten Bullenmarkt ebnen. Die Strategie und die Wortwahl der Fed haben wirksam eine Rezession verhindert und die Inflation eingedämmt, sodass die Möglichkeit besteht, die Zinssätze zu senken. In diesem Umfeld erachtet der Investmentmanager frühzyklische Aktien als attraktiv. In seinem Fazit heißt es einschränkend: „Wenn jedoch die gute Beschäftigungslage und das Verbraucherverhalten anhalten, rechnen wir damit, dass die Inflation und die Zinssätze noch länger höher bleiben werden.“

Weltweit Rückgang der Inflation erwartet

Wirtschaftsexperten aus aller Welt erwarten einen Rückgang der Inflationsraten in den kommenden Jahren. Das geht aus dem Economic Experts Survey hervor, einer vierteljährlichen Umfrage des Ifo-Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP. Demnach wird die Inflationsrate in diesem Jahr weltweit 6,2 Prozent erreichen, im kommenden Jahr dann 5,2 Prozent und 2026 noch 4,5 Prozent. In Deutschland werden im laufenden Jahr 5,7 Prozent erwartet.

Die Woche voraus bleibt spannend

In der letzten vollen Oktoberwoche dürfte es spannend bleiben. Die Gewinnsaison kommt jetzt auf beiden Seiten des Atlantiks so richtig in Fahrt. Hier könnten vor allem US-Unternehmen vor dem Hintergrund der zuletzt starken Makrodaten ihre Resistenz unter Beweis stellen. Die ersten Signale von den Berichten sind vielversprechend, die meisten US-Banken konnten beispielsweise überzeugen. Passend dazu wird auch die erste Schätzung zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für die Vereinigten Staaten für das dritte Quartal veröffentlicht werden. Hier rechnet man mit starken Zahlen, vor allem von Seiten des privaten Konsums. Geldpolitisch stehen die Sitzungen der Bank of Canada und der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Letztere dürfte erstmal nicht mehr an der Zinsschraube drehen. Wichtig wird aber die Tonlage, mit der die Euro-Zentralbank die Inflationslage beurteilt. Zudem wartet ein Reigen von Sentiment-Daten auf die Anleger.

Ich wiederhole meine These, dass Sie als selbstentscheidende Privatanleger erwägen sollten, ob Sie jetzt handeln oder nicht. Das hängt insbesondere von Ihrer Risikobereitschaft, dem zeitlichen Anlagehorizont und Ihrem bestehenden Portfolio ab. Jetzt vorsichtshalber eine höhere Liquidität vorzuhalten und den Goldanteil zu erhöhen, sind plausible Möglichkeiten.

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