Mit Aktien gut durch die Krisen kommen

von | 19. Jun 2023 - 08:21 | Kutzers Corner

Gibt es gute Gründe für den Optimismus der Aktienmärkte oder werden zu viele Illusionen gehandelt? Die Börsenprofis reiben sich die Augen und geben unterschiedliche Antworten – je nachdem, wie die lange Liste der Chancen und Risiken gesehen wird.

Nicht zuletzt unser Leitindex für den Aktienmarkt hält sich erstaunlich stabil und erklimmt oberhalb von 16.000 Dax-Punkten einen neuen Gipfel. Leiden die Märkte vielleicht doch an umfangreichen Verdrängungsmechanismen? Werden die immer noch starken Rezessionsbefürchtungen vieler Ökonomen auf die leichte Schulter genommen? Oder gibt es neue Kräfte im Untergrund, die tatsächlich eine neue Ära einläuten?

Ungewöhnlich zahlreiche Einflüsse

Die Antwort ist vielschichtig. Dennoch lohnt es sich, wie der Investmentgigant Allianz Global Investors in seiner jüngsten Analyse zu Recht schreibt, einen Blick auf mögliche neue Aspekte zu werfen: Da ist zuerst die restriktive Politik der Zentralbanken zu erwähnen. Die amerikanische Zentralbank erhöhte im letzten Jahr in Rekordgeschwindigkeit die Leitzinsen. Noch nie in der Nachkriegsgeschichte gab es einen so dynamischen Anstieg in so kurzer Zeit. Zweistellige Inflationsraten bildeten die Basis für diese restriktiven Maßnahmen. Andere Zentralbanken weltweit zogen nach. In der Kombination steigender Leitzinsen, Krieg und Inflation machten sich Furcht und Volatilität breit. Denn eine solche geballte Kombination von Faktoren hat in der Vergangenheit immer zu rezessiven Tendenzen und ‚Unfällen‘ im Finanzsektor geführt.

Hier liegt möglicherweise der erste Grund für die positive Überraschung an den Märkten: Erleichterung und Verwunderung darüber, dass die Inflationsraten fallen, die Gaspreise ihre Übertreibungen abgebaut haben, und sich das Wachstum als erstaunlich resilient erweist. Offenbar haben die vielen Krisenwarnungen bewirkt, dass sich die Wirtschaftssubjekte auf Belastungen eingestellt haben und vorbeugen.

Anpassungsfähige Unternehmen

Einer der Gründe, die besonders wirkungsvoll erscheinen, sind die in hohem Maße anpassungsfähig gewordenen Unternehmen. Die Berichterstattung für das erste Quartal dieses Jahres hat eine erstaunliche Stärke der Umsätze und Gewinne börsennotierter Konzerne offenbart. Offensichtlich schaffen es viele Unternehmen von der Inflation zu profitieren, Kosten zu senken und / oder staatliche Subventionen in die richtigen Wege zu lenken. Die Gewinnschätzungen für die Unternehmensgewinne im Durchschnitt ziehen wieder an.

Dazu kommt, dass die Innovationswelle in vielen Branchen ungebrochen zu sein scheint. Dies reicht von der vieldiskutierten Künstlichen Intelligenz (KI), über neue gentechnologisch hergestellte Medikamente bis hin zur Elektromobilität und dem ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft.

Aktienkurse werden weiter steigen

Können Aktien also weiter steigen? Hierzu verweisen die AllianzGI-Strategen auf die Dynamik der Verstärkereffekte. Denn das herausragende Merkmal der aktuellen Entwicklung ist, dass aus der Vielzahl der Faktoren ein enormer Druck auf die Wirtschaftssubjekte entstanden ist. Investitionen und Innovationen müssen schnell und effizient umgesetzt werden. Kann das funktionieren? Die Aktienmärkte aktuell bejahen das. Doch natürlich müssen Rückschläge einkalkuliert werden, eine Rezession ist immer noch wahrscheinlich, denn die Nachwirkungen der höheren Zinsen werden noch spürbarer werden.

Schweizer Skepsis gegenüber globalen Aktien

Ganz anders liest sich eine prominente Markteinschätzung aus der Schweiz. Denn das Anlagekomitee der Credit Suisse hat seine allgemeine Anlagestrategie jetzt „angepasst“. Globale Aktien werden als am wenigsten bevorzugt angesehen, während Schwellenländeraktien am meisten bevorzugt werden. Im Fixed-Income-Bereich werden Schwellenländer-Hartwährungsanleihen jetzt neu als am „meisten bevorzugt“ eingestuft.

Begründung von Credit Suisse: Das Wirtschaftswachstum, das sich zuvor beschleunigt hatte, lässt nach, und die Gesamtinflation tendiert in vielen Ländern zwar nach unten, jedoch nur langsam. Die Kerninflation ohne die volatilen Segmente Energie und Nahrungsmittel verharrt ebenfalls hartnäckig über dem Ziel der Zentralbanken, sodass diese die restriktiven monetären Bedingungen vorerst aufrechterhalten müssen. Allerdings dürften sich die meisten Zentralbanken in der letzten Phase des aktuellen Straffungszyklus befinden, wobei sich die verzögerten Auswirkungen der in den letzten 15 Monaten vorgenommenen rapiden Zinserhöhungen erst noch in vollem Ausmaß zeigen müssen.

Volatilitätsrückgang gilt als Warnsignal

Nachdem die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen starke Kursanstiege und eine zunehmend positive Stimmung verzeichneten, dürfte das Aufwärtspotenzial für Aktien begrenzt sein. Resümieren die Schweizer: „Wir würden auf diesem Niveau nicht mehr einsteigen. Die Unternehmensgewinne sind anhaltend robust und werden von dem zwar nachlassenden, aber immer noch hohen, nominalen Wirtschaftswachstum und soliden Konsumausgaben – unterstützt durch starke Arbeitsmärkte – getragen. Jedoch sind die Märkte von einer kleinen Gruppe von Mega-Cap-Unternehmen aus dem Technologiesektor in die Höhe getrieben worden, und die große Mehrheit der Aktien ist einfach gefolgt. Dieser knappe Vorsprung, aber auch der Volatilitätsrückgang bei Aktien, ist für uns ein Warnsignal, weshalb wir globale Aktien und US-Werte nunmehr vorsichtiger beurteilen. Wir bevorzugen attraktiver bewertete Segmente wie Schwellenländeraktien.“

Langfristige Anleger können gelassen bleiben

Welcher Argumentation sollte man folgen, geschätzte Leser? Entscheiden Sie selbst! Ich schlage vor, im Lager der Börsen-Bullen zu bleiben, geschätzte Anleger, wenn Sie Aktien vornehmlich als langfristiges Investment betrachten – also mit einem Zeithorizont von möglichst mehr als fünf Jahren. Denn für langfristige Zielsetzungen (insbesondere die private Vorsorge) bieten Aktien erfahrungsgemäß die attraktivste Kombination aus überdurchschnittlicher Rendite und Sicherheit. Warum sollte sich jetzt etwas daran ändern, trotz aller Krisen und Kursturbulenzen der letzten Jahre? Meine größte Sorge gilt nicht etwa dem Verlauf von Inflation und Konjunktur in diesem und im kommenden Jahr, sondern vor allem der geopolitischen Entwicklung – insbesondere der Gefahr einer weiteren militärischen Eskalation zwischen Ostblock und Nato. Deshalb macht es auch Sinn, sein Portfolio neben dem Aktiendepot auch mit physischem Gold (Münzen, Barren) anzureichern.  

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