Das Börsenklima hat sich deutlich aufgehellt. Doch ist zumindest in Teilen der Großanleger die Skepsis geblieben. Man könnte auch feststellen: Die Aktienkurse sind besser als die Stimmung. Meine größte Sorge gilt der Gefahr einer weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs.
Es ist schon erstaunlich, dass Inflation und Zinspolitik der Zentralbanken noch immer die täglichen Diskussionen der Börsianer bestimmen, obwohl auf diesem Feld bereits eine Entspannung eingetreten ist. Und die Mehrheit der Experten stellt sich längst auf weitere Fortschritte auch beim Konjunkturklima im Jahresverlauf ein. Auch wenn sich die Aktienpreise sich weiter stabil im Plus halten, geben sich zumindest Frankfurter Anleger hartnäckig skeptisch – aber nicht wegen der geopolitischen Gefahren. Der für die wöchentliche Stimmungsumfrage im Umfeld der Deutschen Börse zuständige Finanzmarktanalyst Joachim Goldberg (Goldberg & Goldberg), geht davon aus, dass eine „eine bemerkenswert große Zahl“ hiesiger Investoren weiter mit „Ungemach“ rechnet – man hat die Erholung vom Jahresbeginn weitgehend verpasst und befürchtet, auf weiter ziemlich schlechten Einstandspreisen sitzenzubleiben. Damit bleibt die Sentiment-technische Situation für den Dax weitgehend unverändert. Nach unten erwartet Goldberg ab 14.700 und 14.750 Punkte gute Nachfrage. Druck nach oben sieht er jenseits von 15.300 Punkten.
Deutsche haben mehr Furcht vor Einwanderung
Hier die wichtigsten Ergebnisse einer weltweiten Untersuchung: Geradezu spektakulär ist in meinen Augen die Meinungsverschiebung in Kreisen der Bevölkerung: Immer weniger Deutsche fürchten Krieg und Corona, die Sorge wegen Einwanderung steigt dagegen. Die Sorge wegen Einwanderung steigt in Deutschland den dritten Monat in Folge an. Laut der aktuellen „What Worries the World“-Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos gibt inzwischen mehr als ein Viertel der Bundesbürger (27%) an, dass Einwanderung für sie zu den drei größten persönlichen Sorgen zählt. Ein höherer Wert wurde zuletzt im Oktober 2020 gemessen. Gleichzeitig fallen die Angst vor einem militärischen Konflikt und dem Coronavirus im Sorgenranking auf den jeweils niedrigsten Stand seit Beginn des Ukraine-Krieges bzw. dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Die mit Abstand größte Sorge der Deutschen bleibt trotz eines leichten Rückgangs in den letzten Monaten weiterhin die Inflation.
Inflation besonders besorgniserregend
Fast die Hälfte aller Deutschen (46%) empfindet nach wie vor die Inflation als besonders besorgniserregend im eigenen Land, auch wenn die Sorgen wegen Preissteigerungen zuletzt um einen Prozentpunkt gesunken sind. Die Angst vor Armut und sozialer Ungleichheit (35%) und dem Klimawandel (29%) komplettieren die Top3 der größten Sorgen der Menschen. Im internationalen Vergleich steht Deutschland in Sachen Klimasorgen damit gleichauf mit Australien an der Spitze und deutlich über dem globalen Durchschnitt von 16 Prozent. Auf Platz vier im deutschen Sorgenranking folgt das Thema Einwanderung mit einem Anstieg zum Vormonat um drei Prozentpunkte auf 27 Prozent. Seit September 2022 hat diese Besorgnis sogar um 11 Punkte zugenommen.
Kriegs- und Corona-Sorgen auf neuem Tiefststand
Die Corona-Ängste der Deutschen fallen auf den tiefsten Stand seit dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020. Nur jeder Zehnte (10%) zählt das Coronavirus momentan noch zu den größten persönlichen Sorgen, elf Prozentpunkte weniger als im Vormonat. Vor genau einem Jahr gaben sogar noch 51 Prozent der Bundesbürger an, sich stark wegen Covid-19 zu sorgen. Doch nicht nur Corona besorgt die Deutschen immer weniger. Fast ein Jahr nach der russischen Invasion in der Ukraine zeichnet sich allmählich auch eine gewisse Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung ab. Nur noch jeder Fünfte (21%) zählt die Angst vor militärischen Konflikten aktuell noch zu den wichtigsten Sorgenthemen in Deutschland – ganze acht Prozentpunkte weniger als im Vormonat und der niedrigste Stand seit Kriegsbeginn.
Die andauernden Inflationssorgen scheinen zumindest in Deutschland keine Auswirkungen auf die wahrgenommene Jobsicherheit zu haben. Mit einem Anteil von nur 6 Prozent, die die Arbeitslosigkeit zu den aktuell größten persönlichen Sorgen zählen, steht die Bundesrepublik am unteren Ende im weltweiten Vergleich. Die Menschen in Südafrika (64%) und Indonesien (44%), aber auch in Spanien (41%) fürchten deutlich häufiger einen Jobverlust.
Verbesserte Stimmung unter deutschen Unternehmen
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresbeginn aufgehellt. Wie der Finanzdienstleister S&P Global heute bekannt gab, stieg der von ihm erhobene Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – im Januar um 0,9 Zähler auf 49,9 Punkte. Es war bereits der dritte monatliche Anstieg in Folge. Das Barometer lag damit nur knapp unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. „Nachdem das Bruttoinlandsprodukt im letzten Quartal 2022 durchweg geschrumpft war, signalisiert das aktuelle Mini-Plus bei den Dienstleistern nunmehr, dass die deutsche Wirtschaft auf einem etwas stabileren Fundament ins neue Jahr gestartet ist“, erklärte S&P-Global-Ökonom Phil Smith.
Auch vom so wichtigen Handelspartner in Fernost kommen bessere Wirtschaftsnachrichten (im Gegensatz zu den politischen Spannungen!). Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass Chinas Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wieder anziehen wird. Nachdem die chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3 Prozent gewachsen war, prognostiziert der IWF in seiner neuen Vorhersage ein Wachstum von 5,3 Prozent für 2023. Besonders der unkalkulierbare weitere Verlauf der Pandemie, der in Schieflage geratene Immobilienmarkt und eine schwächere globale Nachfrage stellten jedoch weiter hohe Risiken für das Wachstum dar.
Vorsicht bei weiteren Aktienkäufen
Fasst man die verschiedenen Analysen, Umfragen und Prognosen zusammen, so ergibt sich kein klares Bild. Denn es gibt genügend Argumente für beide Seiten. Wichtig ist, dass Käufer jetzt nicht mehr einfach Länder oder ganze Regionen kaufen – meist über Fonds bzw. ETFs –, sondern der zunehmenden Börsendifferenzierung Rechnung tragen. Fundamentale Branchen- und Unternehmensdaten (Ertragsentwicklung) spielen eine immer wichtigere Rolle. Deshalb ist aktives, gezieltes Stockpicking angesagt. Ein stabiler Trend ist bei den führenden Aktienindizes bisher noch nicht auszumachen. Deshalb meine Empfehlung: Betont vorsichtige Aktienanleger, die (aus guten Gründen) nicht sicher sind, welchem Lager – Bullen oder Bären – sie sich anschließen sollen, können noch ein paar Wochen mit einer Kaufentscheidung warten, um besser zu erkennen, wie sich die wirtschaftliche und insbesondere die angespannte weltpolitische Lage weiter entwickeln.