Kapitalanlage wird jetzt noch unsicherer

von | 16. Okt 2023 - 08:29 | Kutzers Corner

Sparer und Anleger dürfen von den Finanzmärkten in nächster Zeit keine klaren, ermutigenden Signale erwarten. Verunsichernde Fragezeichen gab es seit Wochen schon genug – jetzt verhindert auch noch der Nahostkrieg den Blick nach vorn.

Die Analysen und Prognosen der Börsenprofis vom Wochenende machen das Gewicht der neuen Krise deutlich: Droht jetzt ein Flächenbrand in Nahost? Anleger müssen erkennen, dass die geopolitischen Unsicherheiten in den vergangenen Tagen noch zugenommen haben. Offen bleibt, ob und inwieweit die Nachbarregionen eingreifen werden. Und so gehen alle Marktberichte auf das Drama in Israel ein, ohne den Investoren Mut machen zu können. Ich befürchte, dass dabei auch der Zeitfaktor Ihre Entscheidungen, geschätzte Anleger, stark behindern wird. Denn der neue Nahost-Krieg droht sich zu einer längerfristigen Krise auszuweiten. Es geht also nicht nur um das Geldmanagement für die nächsten Wochen und Monate.

Gefahren für den Aktienmarkt

So sehen es auch viele Investmentprofis, die nun befürchten, dass es zu einer weiteren Eskalation des Konflikts kommen könnte, an der auch andere Nationen beteiligt sind. „Die Invasion im Süden Israels ist zwar eine Explosion eines seit langem schwelendem regionalem Konflikt und einer humanitären Krise, hat aber das Potenzial, sich zu einem langwierigen Konflikt auszuweiten, was in der Vergangenheit Gegenwind für die globalen Aktienmärkte bedeutete“, kommentiert Norman Villamin, Chefstratege der Union Bancaire Privée (UBP). Er ist nun der Meinung, dass „das Risiko, dass sich der größte Überfall auf Israel seit 1973 von einem lokal begrenzten Ereignis zu einem langwierigen Konflikt ausweitet, an dem eine größere Anzahl von Ländern (einschließlich des Irans) beteiligt ist, zu den Hauptsorgen der Anleger gehören sollte“.

Zusammenhänge mit anderen Risiken beachten

Lewis Grant, Senior Portfolio Manager bei Federated Hermes, schreibt mir: „Die Geopolitik lastet auf der Tagesordnung, und die Märkte sind in eine Phase der Risikoreduktion eingetreten, da die Welt die Entwicklung eines weiteren Konflikts im Nahen Osten beobachtet. Der Konflikt hat eine Volatilität an den Ölmärkten ausgelöst, die sich noch nicht in den Aktien widerspiegelt. Die Volatilität kann bei zunehmenden Spannungen noch auf die Aktienmärkte übergreifen. Ein anhaltender Aufwärtsdruck auf die Ölpreise wird den Inflationsdruck weltweit erhöhen und die Fed zu einer vorsichtigen Reaktion auf die Inflationsdaten veranlassen.“

Der Stratege nennt aber auch vorsichtig-positive Faktoren: Es gibt an den Märkten einen gewissen Optimismus, denn inmitten der erhöhten Risikoaversion der Anleger tendierten die Aktien zeitweise höher und die Renditen der Staatsanleihen gingen von den Höchstständen der letzten Woche zurück. Man geht davon aus, dass das Schlimmste des Zinsanstiegs überstanden ist und eine Bodenbildung einsetzt, auch wenn die Erwartungen nach wie vor geteilt sind zwischen denjenigen, die längerfristig höhere Zinsen erwarten, und denjenigen, die Mitte 2024 mit Zinssenkungen rechnen. Grants Fazit: „Während die Unsicherheit zunimmt, sehen wir weiterhin Mega-Cap-Wachstumstitel, die von ihrer Qualitätsbilanz und ihren Engagements im Technologiebereich profitieren.“

Was außerdem jetzt beobachtet werden muss

Hans-Jörg Naumer, ein Vordenker bei Allianz Global Investors, macht in seiner Vorschau die vielen Einflüsse deutlich, auf die sich Anleger in der neuen Woche einstellen sollten: So stehen am Dienstag die ZEW-Konjunkturerwartungen für die Länder der Eurozone, der Empire-State-Index für New York sowie die Einzelhandelsumsätze und Industrieproduktion jeweils für die USA an. Am Mittwoch dürften die Verbraucherpreise für die Eurozone und das Vereinigte Königreich im Mittelpunkt des Interesses stehen. Zu fortgeschrittener Stunde kommt dann noch das „Beige Book“ der Federal Reserve Bank. Der Konsumklimaindex für Belgien, der am Donnerstag erwartet wird, sollte Indikatorfunktion für den gesamten Euroraum haben. Am selben Tag stehen auch die Erst- und Folgeanträge auf Arbeitslosenunterstützung und der Philly-Fed-Index für das verarbeitende Gewerbe (jeweils für die USA) an. Den Abschluss bilden am Freitag die Erzeugerpreise für Deutschland und Großbritannien. Das Augenmerkt dürfte dabei darauf liegen, inwieweit der Disinflationierungstrend gestoppt wurde und sich gegebenenfalls wieder verkehrt. Das wären negative Signale für die Zentralbanken.

Auch technische Marktlage unübersichtlich

Auch die technische Lage erscheint derweil so unübersichtlich wie die geopolitische: An den großen Märkten wurden wichtige Widerstandslinien nach unten durchbrochen, die Relative-Stärke-Indizes zeigen allerdings eine entspannte, tendenziell überverkaufte Lage an, was nicht auf einen unmittelbaren Abgabedruck schließen lässt. Durch die zuletzt wieder gestiegene Volatilität zeigt der „Schwerelosigkeitsindikator“ von AllianzGI, der das Kurs/Gewinn-Verhältnis in Relation zur Volatilität als Maß für die Risikoneigung setzt, Bodenhaftung an. Die von Sentix erhobene Anlegerstimmung zeigt sich als sehr heterogen. Ist sie für den amerikanischen Aktienmarkt noch robust, lässt sie für Asien merklich nach, und bewegt sich für Europa und besonders Deutschland in bedenklich negativem Terrain. Fast schon ein Kontraindikator. Alles in allem sieht es nicht (!) danach aus, resümiert Naumer, als würden sich an den Kapitalmärkten in der kommenden Woche wieder sommerlichere Temperaturen einstellen.

Was können Anleger jetzt tun?

Was Sie als Anleger jetzt tun können oder besser lassen sollten? Suchen Sie in einer solch undurchsichtigen, unsicheren Phase nicht nach sinnvollen Empfehlungen der Berater! Alles kann in Frage kommen – vom Nichtstun über Abbau oder Umschichtung des Portfolios bis zu gezielten „kursgünstigen“ Aktienkäufen. Sie als Selbstentscheider definieren den Grad Ihrer Risikobereitschaft. Ich halte für ganz langfristige Investments (unter anderem über Sparpläne) an meinem alten Vorschlag fest, das Portfolio mit drei Kernelementen zu fahren: Aktien (international, Schwerpunkt USA), Staatsanleihen (USA) und Gold (physisch).

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