Für eine Entwarnung ist es noch zu früh

von | 17. Apr 2023 - 08:28 | Kutzers Corner

Die vom Bankensystem ausgehenden Unsicherheiten haben sich zuletzt merklich gelegt. Die Märkte widmen sich wieder altbekannten Themen wie Inflation, Zinsen und Konjunktur – die liefern aber noch für genügend Fragezeichen.

Die Analysten bemühen sich deshalb intensiver um Differenzierung, die sich an den Wertpapiermärkten schon während des ersten Quartals entwickelte. Die globalen Preissteigerungsraten sind aufgrund der sinkenden Energiepreise inzwischen weltweit rückläufig. In den USA sank die Inflationsrate im März von 6 % auf 5 %. Die Kernraten verharren jedoch auf beiden Seiten des Atlantiks auf hohem Niveau: In den USA liegt sie bei 5,6 %, im Euroraum bei 5,7 %. Hier wirkte sich vor allem der Anstieg der Vorjahresrate bei Dienstleistungen auf 5,0 % negativ aus. Sie haben mit rund 44 % das größte Gewicht im Euro-Gesamtindex. Kein Wunder also, dass die EZB die Lohnentwicklung und die Tarifabschlüsse mit Argusaugen beobachtet, kommentiert das Helaba Research.

Gold fungiert wieder als „sicherer Hafen“

Es herrscht Unsicherheit vor allem über den Kurs der Notenbanken. An den Rentenmärkten sind die Anleger daher zuletzt wieder vorsichtiger geworden. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen kletterte auf über 2,3 %, liegt damit aber immer noch deutlich unter den Jahreshöchstständen von 2,75 %. Als sicherer Hafen fungiert derzeit eher Gold, das zuletzt wieder über die Marke von 2.000 Dollar je Feinunze kletterte. Seit dem zwischenzeitlichen Tief Anfang November hat der Goldpreis damit um über 20 % zugelegt. Ein Grund dafür dürften die zunehmenden geopolitischen Spannungen und die immer unverhohleneren Drohgebärden Chinas gegenüber Taiwan sein. Auch die aktuelle Dollar-Schwäche spielt eine Rolle. Der Euro/Dollar-Kurs ist auf über 1,10 und damit auf ein neues Jahreshoch geklettert.

Aktien bisher kaum beeindruckt

Die Aktienmärkte scheinen sich jedoch nicht von der Nervosität anstecken zu lassen. Der Dax hat im Wochenvergleich weiter zugelegt und hält sich an der Marke von 15.700 Punkten. Die Anleger blicken optimistisch auf die anlaufende Berichtssaison der Unternehmen. Rückenwind kommt zudem von latenten Zinssenkungsfantasien in den USA. Doch so weit sind die Notenbanken noch lange nicht, schreiben diverse Analysten. Vielmehr stellt sich die Frage, um wie viel sie die Zinsen noch anheben werden. Von der EZB kommen diesbezüglich widersprüchliche Signale. Unklarheit herrscht auch über die Wirkung der Zinsstraffung.

Weiterhin hohe Inflation erwartet

Wirtschaftsexperten aus aller Welt erwarten weiterhin hohe Inflationsraten. Das geht aus dem Economic Experts Survey hervor, einer vierteljährlichen Umfrage des Ifo Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik. Demnach wird die Inflationsrate in diesem Jahr weltweit 7 Prozent erreichen, im kommenden Jahr dann 5,9 Prozent und 2026 noch 5 Prozent. „Die Erwartungen für 2023 sind gegenüber der Umfrage zu Jahresbeginn nahezu identisch. Für das kommende Jahr und danach sind die Inflationserwartungen sogar etwas gestiegen“, sagt Ifo-Forscher Niklas Potrafke. „Die Inflation bleibt auf einem sehr hohen Niveau.“

In Westeuropa (5,3 Prozent), Nordamerika (5 Prozent) und Südostasien (5,1 Prozent) liegen die Inflationserwartungen für 2023 deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. „Zum Rückgang der Inflationserwartungen in Europa haben auch die Zinserhöhungen der EZB beigetragen“, sagt Potrafke. Besonders hoch sind die Inflationserwartungen dagegen in Südasien (22,5 Prozent), Südamerika (46,1), Nordafrika (32,7) und Ostafrika (29,9). An der Umfrage im März haben 1.572 Experten aus 136 Ländern teilgenommen.

IWF: Steiniger Pfad zur konjunkturellen Erholung bleibt

Jedes Jahr im April und Oktober veröffentlicht der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen detaillierten Wirtschaftsausblick und legt seine Prognosen dar. In seiner jüngsten Veröffentlichung positioniert sich der IWF verhalten und betont, dass es noch ein steiniger Pfad bis zu einer nachhaltigen und kräftigen konjunkturellen Erholung sei. IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas erwartet dabei eine Phase „mit historisch niedrigem Wirtschaftswachstum und zunehmenden finanziellen Risiken – ohne dass die Inflation bereits eine entscheidende Wende genommen hat“. Vielmehr habe die Wahrscheinlichkeit einer „sanften Landung“ abgenommen.

So beurteilen Bankstrategen die Aussichten

Die Vordenker deutscher Banken geben sich tendenziell zunehmend gelassen, verbreiten allerdings (wenn überhaupt) nur ganz vorsichtigen Optimismus.  M.M. Warburg & Co. schreibt: Zunächst muss man festhalten, dass es mit Blick auf die Konjunktur nicht so schlimm gekommen ist, wie es Mitte letzten Jahres von vielen Volkswirten (uns eingeschlossen) befürchtet wurde. Zu der Entspannung trugen in Deutschland insbesondere die Preisrückgänge an den Energiemärkten sowie Chinas Abkehr von der strikten Corona-Politik bei. Außerdem nahmen zuletzt die positiven Konjunktursignale zu, beispielsweise u.a. der Ifo-Geschäftsklimaindex sowie der S&P Einkaufsmanagerindex und die deutsche Industrieproduktion.

Eine sogenannte technische Rezession, also zwei aufeinanderfolgende negative BIP-Wachstumsraten, wird in Deutschland nach dem BIP-Rückgang von 0,4 Prozent im letzten Quartal 2022 nicht ausgeschlossen. Sie gilt aus konjunktureller Sicht jedoch als verkraftbar, sofern es nicht zu einer dauerhaften Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten oder strukturellen Ungleichgewichten kommt. Beides wird aktuell nicht befürchtet. Ist also alles im Lot? Für eine Entwarnung ist es definitiv zu früh, denn die negativen Effekte der restriktiven Geldpolitik wirken zeitverzögert auf die Realwirtschaft. So dürfte sich der reale Kaufkraftverlust der Verbraucher in den kommenden Monaten fortsetzen und in stagnierenden oder rückläufigen Konsumausgaben äußern.

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