Gemessen an den (voraussichtlichen) Beschlüssen der großen Zentralbanken verspricht die neue Woche besonders wichtig zu werden. Man darf gespannt sein, wie die Finanzmärkte reagieren werden – und ob überhaupt.
Zinsen, Anleihen, Aktien, Gold – die ganze Breite der Anlagemöglichkeiten ist von den bevorstehenden monetären Schritten der Währungshüter und den mitgelieferten Erläuterungen kurz- bis mittelfristig betroffen. Banken und Investmentmanager haben schon in den vergangenen Tagen meterweise Ausblicke und Analysen geliefert. Meist gehen die Expertenmeinungen nicht mehr weit auseinander. Doch bleiben nach wie vor gravierende Fragezeichen für die Zeit danach, insbesondere bei der Beurteilung der Konjunktur- und Inflationsperspektiven ab 2024.
Fed, EZB und BoJ im Blick
Die neue Woche dürfte mit der Veröffentlichung des US-Verbraucherpreisindex sowie Sitzungen der Fed, der EZB und der Bank of Japan relativ wichtig werden. Jedes dieser Ereignisse kann für Volatilität sorgen – zumal der geldpolitische Kurs um den Wendepunkt des Zyklus herum unsicherer ist. Spannung deshalb, weil die drei großen Zentralbanken richtungsweisende Entscheidungen treffen müssen. Während in den USA weitere Zinsschritte erst im Juli erwartet werden, gilt eine Leitzinsanhebung der EZB als sicher. Japan hält wohl zunächst an seiner ultralockeren Geldpolitik fest, schreiben die Metzler-Volkswirte, obwohl die Inflation zuletzt merklich gestiegen ist. Für Japan könnten angesichts der hohen Verschuldung Steuererhöhungen die sinnvollere Maßnahme zur Inflationsbekämpfung sein als eine Zinserhöhung.
US-Verbraucherpreise am Dienstag
Typisch die zusammenfassende Vorschau der DekaBank-Strategen auf die kommenden Veröffentlichungen: Die Jahresteuerungsrate der US-Verbraucherpreise (Dienstag) dürfte im Mai relativ deutlich gefallen sein. Hierzu trägt zum einen der Wegfall eines Basiseffekts aus dem Vorjahr bei und zum anderen niedrigere Energiepreise. Rechnet man diese sowie die Nahrungsmittelpreise heraus, dann dürfte die Jahresveränderungsrate der Kernrate nur leicht sinken. In der geldpolitischen Diskussion spielt diese Kernrate derzeit eine geringere Rolle. Der Deflator der privaten Konsumausgaben, der erst Ende des Monats veröffentlicht wird, ist das wichtigste Preismaß der Fed. Dennoch zeigt auch die Kernrate der Verbraucherpreise, dass sich das Inflationsumfeld nur langsam entspannt.
Zinsentscheid der Fed am Mittwoch
Nach zehn Leitzinserhöhungen in Folge wird die Fed bei diesem Zinsentscheid keine weitere Anhebung beschließen. Dies hatte der designierte Vize-Chef Philip Jefferson in der letzten wichtigen Rede kurz vor der sogenannten „Blackout Periode“ deutlich gemacht. Dies bedeutet aber nicht, dass weitere Leitzinserhöhungen bei den kommenden Meetings vollkommen ausgeschlossen wären. Die Tendenz zur weiteren geldpolitischen Straffung dürfte weiterhin höher sein als zur geldpolitischen Lockerung. Darauf dürfte auch Fed-Chef Powell in der anschließenden Pressekonferenz verweisen. Die Geldpolitik war erst dann erfolgreich, wenn sich das Inflationsumfeld nachhaltig normalisiert hat. Mit diesem Zinsentscheid werden auch neue Projektionen veröffentlicht. Insgesamt dürfte der Änderungsbedarf überschaubar sein.
Zinsentscheid der EZB am Donnerstag
Die EZB dürfte die Leitzinsen bei dieser Ratssitzung erneut um 25 Basispunkte anheben und eine weitere Straffung in Aussicht stellen, über deren genaues Ausmaß aber im Vagen bleiben. Die neuen makroökonomischen Projektionen werden einerseits einen stärkeren Trend der zugrundeliegenden Inflation widerspiegeln, andererseits aber auch niedrigere Energiepreise und eine etwas restriktivere Geldpolitik. Im Resultat dürfte die Inflation die Zielmarke von 2 % weiterhin erst im Jahr 2025 erreichen. Auf der Pressekonferenz dürfte Präsidentin Lagarde vor allem die Unsicherheit darüber betonen, wann und wie stark sich die bereits erhebliche Straffung der Geldpolitik auf die Realwirtschaft und die Inflation auswirken wird.
Ähnlich beschreiben die Fondsmanager von Allianz Global Investors (AllianzGI) die Perspektiven: „Alles in allem rechnen wir angesichts nachweislich stärkerer Lohnzuwächse mit einer Zinserhöhung von 25 Basispunkten durch die EZB sowie mit einer Aussetzung der Zinserhöhungen durch die Fed in der kommenden Woche. Allerdings erwarten wir, dass beide Notenbanken Signale senden werden, dass weiterer Handlungsbedarf zur Eindämmung der Inflation besteht.“ Eine weitere Straffung der Geldpolitik trotz erster Anzeichen einer Konjunkturabschwächung dürfte im weiteren Jahresverlauf zu Spannungen an den Märkten führen. Dennoch bleibt für die führenden Zentralbanken eindeutig mehr zu tun.
Dax nach Korrektur in Richtung 17.000 Punkte
Deutlich wird durch die Fachdiskussionen im Vorfeld der Zentralbankbeschlüsse, dass die längerfristigen Entwicklungen großen Spielraum für Interpretationen bieten. Denn die Schätzungen der Inflations- und Konjunkturverläufe haben auch spekulativen Charakter, wie die wiederholten Korrekturen der Wirtschaftsdaten zeigen. Ich bleibe aber bei meiner bullischen Langfrist-Einschätzung der Aktienmärkte (ab 2024). Deshalb teile ich auch die Prognose von Ulrich Stephan, dem Chef-Anlagestrategen der Deutschen Bank: Der Dax kann im Laufe der nächsten zwölf Monate die Marke von 17.000 erreichen. Vorher ist aber eine Korrektur in Größenordnung von 10 % möglich.
Goldpreis: Notenbanken geben Richtung vor
Der Goldpreis war bis Anfang Mai auf dem besten Weg zu einem Rekordhoch – drehte bei rund 2.060 Dollar je Feinunze jedoch ins Minus. Die Gründe laut Stephan: die deutlich ansteigenden Kapitalmarktzinsen und die Stärke des US-Dollars. Gestützt werden dürfte der Preis jedoch durch die anhaltend robuste Nachfrage der Notenbanken, die im vergangenen Jahr so viel kauften wie nie zuvor. Gemäß einer Umfrage des World Gold Council (WGC) planen 24 Prozent der befragten Notenbanken, ihre Goldbestände in den kommenden zwölf Monaten zu erhöhen; 62 Prozent nehmen an, dass Gold in Zukunft unter den Währungsreserven eine größere Rolle spielen wird. Dies dürfte primär zu Lasten von Dollar-Reserven geschehen. Dass auch die Notenbanken Ägyptens und des Irak 2022 erstmals in größerem Ausmaß Gold ankauften, unterstreicht das Interesse von Währungshütern an Goldreserven. Fazit von Stephan: Die Reaktionen der Finanzmärkte auf die Sitzungen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank kommende Woche dürften die kurzfristige Richtung für die Goldpreise vorgeben. Mittelfristig dürften die Preise Aufwärtspotenzial haben, besonders im Falle einer Zinswende in den USA.