Wie sehr einzelne Probleme in der global vernetzten Wirtschaft zusammenwirken, dabei Welthandel und nationale Ökonomien belasten, zeigt sich durch Knappheit und Lieferengpässe bei den Rohstoffen. Entsprechende Tendenzen aus dem vergangenen Jahr haben sich inzwischen empfindlich verstärkt. Klar, dass sich daraus dramatische Preisanstiege entwickeln, die wiederum das Wachstum bremsen und zu unerwartet hohen Inflationsraten führen. Das sind Faktoren, die schließlich auch den monetären Kurs der Notenbanken maßgeblich beeinflussen und damit Zinsen und Aktienmärkte bewegen. Zusammen mit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich daraus ein ganzes Bündel von Herausforderungen gebildet, mit denen die Unternehmen ebenso wie die Bevölkerung fertig werden müssen.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen wird der Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf die Weltwirtschaft und auf uns haben? Die meisten Anlagestrategen äußern sich trotz der Kursschwäche an den Aktienmärkten noch zurückhaltend. Interessante Einschätzungen liefert mir Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M. Warburg & CO. Leider lassen sich mögliche Effekte bislang nur sehr grob einschätzen. Angesichts der umfassenden Sanktionen könnte die russische Wirtschaft dieses Jahr um 10, vielleicht sogar um 20 Prozent einbrechen. Isoliert betrachtet würde dies das globale Wirtschaftswachstum um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte reduzieren. Das Risiko, dass die Weltwirtschaft einen starken Abschwung oder sogar eine neue Rezession erlebt, scheint aus heutiger Sicht somit gering zu sein. Allerdings leidet nicht nur die russische Wirtschaft, auch in anderen Ländern wird sich das Wachstum verringern.
Negative Auswirkung stark steigender Preise
So auch bei uns in Deutschland. Unterstellt man einen Einbruch der Exporte um 80 Prozent würde sich isoliert betrachtet ein BIP-Rückgang von 0,6 Prozentpunkten ergeben. Allerdings wird Deutschland auch wesentlich weniger Güter aus Russland importieren (Annahme: Rückgang von 40 Prozent), wodurch der Nettoeffekt auf etwa 0,4 Prozentpunkte abgemildert würde. Neben den direkten Handelseffekten gibt es jedoch weitere negative Auswirkungen aufgrund der stark steigenden Rohstoffpreise und neuer Lieferkettenprobleme. Bislang haben die Banker für Deutschland ein Wirtschaftswachstum von knapp 4 Prozent in diesem Jahr erwartet. Angesichts der aktuellen Entwicklungen wird diese Prognose nun auf 3 Prozent reduziert. Die Gefahr einer Stagflation (wirtschaftliche Stagnation gepaart mit hoher Inflation) oder einer Rezession gilt momentan noch als gering. Dies aktuelle Situation könnte aber dazu führen, dass die Globalisierung in den nächsten Jahren zurückgedrängt wird und an Bedeutung für den Welthandel verliert. Der Krieg wirft seine negativen Schatten voraus. Auch hier stehen wir vor einer Zeitenwende. Langfristig wollen wir aber den positiven Blick nicht verlieren, mahnt Klude: „Der Ukraine-Krieg wird am Ende vielleicht zu einer Initialzündung für die Vereinigten Staaten von Europa, die sich dann weniger traumtänzerisch durch die Welt bewegen und stattdessen in der Lage sind, im Sinne der Bürger strategische Ziele zu definieren und sie dann auch zu erreichen.“
China senkt das Wachstumsziel
Angesichts wachsender wirtschaftlicher Unsicherheiten auch durch den Ukraine-Krieg hat Chinas Regierung für dieses Jahr mit rund 5,5 Prozent das niedrigste Wachstumsziel seit drei Jahrzehnten vorgegeben. Dennoch sollen die Militärausgaben mit Blick auf die verschärften Spannungen mit Taiwan, den USA und asiatischen Nachbarn überdurchschnittlich stark um 7,1 Prozent wachsen. In einer Rede zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses am Samstag in der Großen Halle des Volkes in Peking stellte Regierungschef Li Keqiang die Nation auf ein wirtschaftlich schwieriges Jahr ein. Die zweitgrößte Volkswirtschaft stehe unter dem dreifachen Druck schrumpfender Nachfrage, gestörter Lieferketten und sich abschwächender Erwartungen, begründete der Premier die Senkung der Wachstumsvorgabe. Auch fehle es der weltweiten wirtschaftlichen Erholung an Antrieb.
Wirtschaftlich stimmte der Premier das Milliardenvolk auf größere Unsicherheiten ein. Die wegen der Ukraine-Krise stark gestiegenen Rohstoffpreise bleiben aus seiner Ansicht hoch und neigen weiter zu Schwankungen. Der Premier sprach von einem „volatilen, ernsten und unsicheren“ Umfeld. Es werde immer schwieriger, ein stetiges Exportwachstum aufrechtzuerhalten. Die Versorgung mit Energie und Rohstoffen sei nicht ausreichend. Auch komme es in China sporadisch weiter zu Ausbrüchen der Covid-19-Pandemie.
Boom bei Metallen und Edelsteinen
Vor diesem Hintergrund empfehlen Investmentprofis eine klare Bevorzugung von Sachwerten – in erster Linie Gold und andere Metalle. Auch Investition in Edelsteine bieten sich an. Selbst minderwertige Diamanten gehen weg wie warme Semmeln, hört man aus der Branche. Die Diamantenindustrie verdient wieder glänzend. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Bain mit dem World Diamond Center in Antwerpen stiegen die Preise für Rohdiamanten im vergangenen Jahr um 21 Prozent. Der Umsatz der Branche legte demnach um 29 Prozent auf das Rekordniveau von 84 Milliarden Dollar zu. Weil Luxusreisen wegen der Corona-Beschränkungen kaum möglich waren, ist die Nachfrage in den wichtigsten Märkten USA und China kräftig gestiegen. In Asien eröffneten neue Juweliergeschäfte auch in kleinen Städten. Angesichts der Nachfragebooms waren die Lager der Minenbetreiber zuletzt nahezu wie leergefegt.
Für Anleger wichtig: Rohstoffe entwickeln sich meist uneinheitlich und werden nicht nur an Terminmärkten gehandelt. Sie erfordern also spezielles Know-how der Privatanleger bzw. eine entsprechende Profi-Beratung.