Die Welt blickt nach China

von | 16. Jan 2023 - 08:21 | Kutzers Corner

Was tut sich in China? Das Reich der Mitte steht schon seit langem im Fokus seiner Handelspartner. Spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie und den politischen Spannungen wird auch Kapitalanlegern die Rolle Chinas als Weltmacht deutlich. Nie zuvor habe ich so viele internationale Studien und Prognosen erhalten, die sich einerseits mit dem Einfluss und andererseits mit den Investmentchancen beschäftigen. Chinas Wirtschaft und Finanzmärkte haben nach den USA eine Leitfunktion erlangt. So gehört es zur morgendlichen Routine europäischer Börsianer, sich einen Überblick der Marktverläufe in Asien zu verschaffen. Also „Look east“!

Seit der vergangenen Woche mehren sich optimistische Stimmen westlicher Anlagemanager, die sich für Investments in chinesische Wertpapieren stark machen. Davon greife ich hier einige auszugsweise auf:

Metzler Asset Management hält einen Konsumboom im ersten Halbjahr für möglich. Als eine Reaktion auf die überraschend vollständige Öffnung der chinesischen Wirtschaft haben die Frankfurter Experten ihre Wachstumsprognose für 2023 von 2,0 Prozent auf 3,0 Prozent angehoben – eventuell ist aber auch diese Prognose noch zu niedrig. Im ersten Halbjahr rechnet Metzler mit einem Konsumschub, da nach der Zero-Covid-Strategie der Regierung die Konsumenten nun ihre aufgestaute Nachfrage abbauen werden.

Outperformance der Aktien erwartet

In die gleiche Richtung zielt auch Credit Suisse: Mitte Dezember letzten Jahres haben wir unseren Ausblick für chinesische Aktien geändert und erwarten für diese nun eine Outperformance gegenüber den globalen Märkten. Verschiedene Faktoren gaben Anlass zu dieser Änderung, und zwar vor allem die rasche Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen und die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft, was eine deutliche Belebung des Wirtschaftswachstums über unseren taktischen Horizont von sechs Monaten erwarten lässt. Seit dieser Änderung konnten chinesische Aktien – gemessen am MSCI Index – ihre Rally fortsetzen, und wir rechnen mit weiteren substanziellen Zuwächsen vom aktuellen Niveau aus. Neben den aufgehellten Wachstumsperspektiven dürften die regulatorischen Risiken weiter abnehmen, was Finanzierungen erleichtern und die Gewinnaussichten verbessern dürfte.

An seiner ersten Sitzung in diesem Jahr hat das Anlagekomitee der Schweizer beschlossen, Schwellenländeraktien von einer Untergewichtung auf eine neutrale taktische Allokation anzupassen. Einerseits erachtet man die kurzfristigen Aussichten für chinesische Aktien, die rund ein Drittel des MSCI EM Index ausmachen, nach wie vor als attraktiv. Zweitens dürfte der erwartete Wachstumsaufschwung in China auch anderen asiatischen Märkten zugutekommen. Angesichts der günstigen Bewertungsniveaus könnte dies trotz des anhaltend schwierigen globalen Wachstums- und Zinsumfelds kurzfristige Gewinne ermöglichen.

Stabilisierung des Immobilienmarkts regt an

Die chinesische Regierung hat sich von ihrer strikten Null-Covid-Politik verabschiedet. Das könnte in Kombination mit einer Stabilisierung des Immobilienmarktes die Konjunktur im Land ankurbeln, glaubt BlackPoint Asset Management. Für Anleger eröffnen sich dadurch interessante Investmentgelegenheiten im Reich der Mitte, erläutert Portfoliomanager Marcel Huber: Insgesamt wird sich die chinesische Regierung in der neuen Amtszeit Xi Jinpings vor allem auf die Stärkung des Wirtschaftswachstums im Land fokussieren. Wir gehen davon aus, dass der strauchelnde Immobilienmarkt vor einem Kollaps bewahrt und die Wirtschaft durch eine Lockerung der Null-Covid-Politik geöffnet wird. Das könnte der globalen Konjunktur ebenso wie der deutschen Wirtschaft aufgrund der engen Handelsbeziehungen zugutekommen.

Der chinesische Finanzmarkt selbst bietet Investoren vielfältige Chancen. Huber: „Unsere Chinastrategie konzentriert sich auf zwei Arten von Unternehmen: einerseits solche, die langfristige internationale Trends bedienen und dabei eine dominante Rolle einnehmen. Im Fokus stehen beispielsweise Unternehmen, deren Produkte für die Energiewende unverzichtbar sind – etwa Hersteller wichtiger Grundstoffe für den Ausbau erneuerbarer Energien. Andererseits favorisieren wir Unternehmen, die einen hohen Anteil ihrer Umsätze im Binnenmarkt erzielen und zudem einen entscheidenden Stellenwert im wirtschaftlichen Ökosystem Chinas innehaben. Dazu gehören beispielsweise Plattformanbieter für digitale Dienstleistungen, Handel oder Mobilität. Aufgrund abnehmender internationaler Zusammenarbeit mit dem Westen und zunehmender Konflikte – politisch wie geopolitisch – sollten Investitionen in China immer wohldosiert bleiben.“

Konjunktur wird sich 2023 stärker erholen

Auch die Experten von Allianz Global Investors sind zuversichtlich: Die Stimmung steigt. Die jüngsten politischen Entwicklungen in China haben für mehr Optimismus an den chinesischen und asiatischen Märkten gesorgt. Seit der Ankündigung des 20-Punkte-Plans zur Überarbeitung der Covid-19-Maßnahmen am 11. November 2022 hat sich China sehr viel rascher als erwartet wieder geöffnet. Zunächst hatten die lokalen Behörden versucht, striktere Covid-19-Kontrollmaßnahmen einzuführen, um die steigenden Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. Am 30. November sprach Vizepremierministerin Sun Chunlan jedoch davon, dass sich der „Kampf gegen die Pandemie in einem neuen Stadium“ befinde. Diese Rede war der Wendepunkt. Am 7. Dezember veröffentlichte der Staatsrat einen weiteren 10-Punkte-Plan zur Lockerung der Covid-19-Maßnahmen. Außerdem senkte die Nationale Gesundheitskommission die Risikoeinschätzung für Covid-19 von Stufe 1 (Pandemie) auf Stufe 2 (Endemie) und hob die Quarantänevorschriften für Einreisende ab dem 8. Januar 2023 auf.

Neben diesem Ausstieg aus der Null-Covid-Politik hat die chinesische Regierung zuletzt auch im Internet- und Immobiliensektor eine konstruktive Politik verfolgt, die für eine Abkehr vom zuvor restriktiven Kurs spricht. Im Internetsektor hat die chinesische Aufsichtsbehörde für das Bank- und Versicherungswesen (CBIRC) den Kapitalbeschaffungsplan der Verbraucherfinanzierungseinheit einer chinesischen Internetplattform genehmigt. Die Genehmigung wird weithin als Zeichen des Fortschritts bei der Ausräumung der Bedenken der Regulierungsbehörden angesehen und steht im Einklang mit der Unterstützung der Regierung für private Unternehmen. Im Immobiliensektor wies der Ausschuss für Finanzstabilität und Entwicklung des Staatsrats die Banken- und Wertpapieraufsicht an, ihren Beitrag zur Bilanzsanierung einiger „systemrelevanter“ Immobilienentwickler zu leisten. Dies signalisiert, dass sich der Staat stärker für eine Lösung der Liquiditätsprobleme einiger wichtiger privater Entwickler einsetzen will. Die rascher als erwartete Lockerung der Null-Covid-Politik und die staatlichen Impulse in der Industriepolitik sollten dazu führen, dass sich die Konjunktur in der ersten Jahreshälfte 2023 stärker als erwartet erholt. Ausgehend von einer niedrigen statistischen Basis des Jahres 2022 dürfte sich das Wachstum 2023 beleben und der Potenzialrate (4,5 – 5 %) entsprechen oder sogar darüber liegen.

Neue Wirtschaftsdaten kommen

Worauf sollten Anleger in den nächsten Tagen achten? Die Woche voraus: Folgendes erwarten die Investmentstrategen von Allianz Global Investors: Am Dienstag werden Chinas Makrodaten für Dezember veröffentlicht (Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze, Anlageinvestitionen). Der Markt rechnet mit einer weiteren Verlangsamung, zumal der Ausstieg aus der Null-Covid-Politik zunächst für einen Schock gesorgt haben dürfte. Im Euroraum steht die ZEW-Umfrage zu den Konjunkturerwartungen an. Der Index wird wohl erneut sinken, da sich das Wachstum in Europa weiter in Richtung einer Rezession verlangsamen dürfte. In den USA wird der Empire Manufacturing Survey für Januar veröffentlicht; der Markt rechnet erneut mit einem eher schwachen Wert.

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