Die Konjunkturanalysen und -prognosen sind weiterhin uneinheitlich. Ähnlich unterschiedlich werden von den Experten auch die Inflationsaussichten gesehen. Also immer noch viel Unsicherheit für alle Marktteilnehmer. Klar ist bisher nur, dass die Zinswende nach oben durch die EZB bevorsteht.
In den vergangenen Tagen gab es eine Reihe von positiven Konjunktursignalen. So berichtete die Deutsche Bank von erfreulichen Gesprächen mit zahlreichen Finanzvorständen großer deutscher Unternehmen: Insgesamt äußerten sich die Manager hinsichtlich ihrer Geschäftslage positiv. Die Nachfrage sei nach wie vor robust, die Weitergabe gestiegener Kosten bislang weitgehend unproblematisch. Zwar ließ die Geschäftsdynamik zuletzt nach, mit einer baldigen Rezession wird aber nicht gerechnet. Volle Auftragsbücher und niedrige Lagerbestände sollten die Produktion weiterhin stützen. In China läuft die Fertigung trotz gegenwärtiger Lockdowns überraschend rund, da die Beschäftigten teilweise in den Fabriken übernachten, um das Geschäft am Laufen zu halten. Allerdings erschwert die chinesische Corona-Politik insbesondere den Transport der Waren per Lkw oder Schiff merklich. Die Unternehmen erwarten hier jedoch eine Erholung im Jahresverlauf. Steigende Energiekosten nehmen die Unternehmen wahr, eine maßgebliche Belastung stellen sie für die breite Masse aber nicht dar. Auch spüren die Unternehmen noch keinen Gegenwind aufgrund des steigenden Zinsniveaus, nachdem die günstigen Konditionen der vergangenen Jahre zur langfristigen Refinanzierung genutzt wurden.
Vor zu viel Optimismus wird gewarnt
Dennoch warnen die Banker vor zu viel Optimismus: Der Löwenanteil der Unternehmen betont, dass sie ihre Geschäftsentwicklung aufgrund der makroökonomischen Unsicherheiten nur für wenige Monate abschätzen können. Ähnliches macht eine Meldung vom Wochenende deutlich – immerhin von einer der wichtigsten Branche Deutschlands: Die Maschinenbau-Industrie steht bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr vor einer Senkung ihrer Produktionsprognose. Die Lage habe sich binnen kurzer Zeit extrem eingetrübt, sagte der Präsident des Branchenverbandes VDMA, Karl Haeusgen, der „Welt am Sonntag“. Die bereits im März von 7 auf 4 Prozent gesenkte Prognose lasse sich nicht mehr halten, erklärte er vor Beginn der Hannover Messe. Haeusgen begründete den Schritt mit einer Vielzahl von Risiken, angefangen beim Ukraine-Krieg über den Lockdown in China bis hin zur Inflation und gestörten Lieferketten. „Den Unternehmen fehlen Halbleiter und etliche andere Elektronik-Bauteile, aber auch bei Metallen und Kunststoffen spitzt sich die Lage wieder zu.“
Inflation soll im zweiten Halbjahr zurückgehen
Und wie sehen die jüngsten Vorhersagen zur Teuerung aus? Das Ifo-Institut rechnet mit einem allmählichen Abflauen der Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte. In einer Befragung im Mai sank erstmals seit Monaten der Anteil der Firmen, die ihre Preise in den kommenden drei Monaten erhöhen wollen. Er fiel auf 57,8 Punkte, von 61,8 im April. „Das immer noch der zweithöchste Wert seit 2005. Aber die Tendenz spricht dafür, dass die Monatsraten der Inflation in der zweiten Jahreshälfte von über 7 Prozent auf unter 6 Prozent sinken werden, wenn auch nur sehr langsam“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Für das Gesamtjahr rechnen wir mit rund 6 Prozent.“ Das Research der Frankfurter Helaba sagt: Die Inflationsraten fallen in Deutschland mit voraussichtlich 6,3 % (6,0 %) 2022 und 3,3 % (3,0 %) 2023 noch höher aus.
In den meisten Regionen der Welt stehen die Inflationsampeln auf Rot. Auch nur leichteste Anzeichen für eine Entspannung sind hoch willkommen. Gleich am Montag (30. Mai) stehen die vorläufigen Verbraucherpreise für den Mai aus Deutschland an. Am Dienstag kommen die Verbraucherpreise für die Eurozone, worauf die Erzeugerpreise des gemeinsamen Währungsgebiets am Donnerstag folgen.
Risiken haben eher noch zugenommen
Wie die nächsten Teuerungszahlen auch ausfallen – sie sind für die Privathaushalte zu hoch und bleiben auch für die Anlagemärkte eine Belastung. Viel Skepsis schwingt beispielsweise in der Vorschau des Investmentgiganten Allianz Global Investors mit: Insgesamt haben die Abwärtsrisiken für die Konjunktur und die Aufwärtsrisiken bei der Inflation zugenommen, das sollte sich auch in den Daten über die neue Woche hinweg zeigen. Das alte Sprichwort, dass die Wirtschaft zu 50% Psychologie sei, ist nicht von ungefähr. Dabei scheint die psychologische Verfassung, gemessen an der Positionierung der Fondsmanager, der Bärenhaftigkeit der privaten Anleger und latent auch an den Eintrübungen der Sentiment-Indikatoren für die Wirtschaft so angeknackst zu sein, dass sie fast schon wieder als Kontra-Indikator verstanden werden kann. Zwar liegt taktisch unverändert eine vorsichtige Grundhaltung bei der Kapitalanlage nahe, aber auf positive Signale kann schnell ein Stimmungsumschwung folgen. Der „Schwerelosigkeitsindikator“ von AllianzGI, der die Bewertungen (gemessen am Kurs/Gewinn-Verhältnis des S&P 500) ins Verhältnis mit dem Risiko (gemessen am VIX als Maßstab für die Volatilität) setzt, zeigt schon mal eine gehörige Portion Bodenhaftung an.
Eines ist in meinen Augen heute schon absehbar: Inflationsraten von etwa 6 Prozent (zuletzt waren es 7,4 Prozent) sind immer noch viel zu hoch. Eine Zinswende führt deshalb nicht zur Normalisierung, auch nicht nach mehreren Schritten. Anleger müssen erkennen, dass die Realzinsen (Nominalzinsen abzüglich Inflation) negativ bleiben. Deshalb sind Sachinvestments weiter zu bevorzugen – Aktien, Rohstoffe/Edelmetalle und Immobilien.