Macht es Sinn, jetzt über die Perspektiven von Wirtschaft und Finanzmärkten zu diskutieren? Was taugen die Prognosen für die nächsten Wochen und den Jahresverlauf? Alle Fragezeichen, die uns seit 2021 intensiv beschäftigen, werden bis auf weiteres in den Hintergrund geschoben. Seit dem vergangenen Wochenende drängt sich die Geopolitik in den in den Mittelpunkt. Wie es weitergeht, ist unberechenbar. Wir wissen nur, dass die Brisanz im Ost-West-Konflikt gefährlich geworden ist. Es droht eine militärische Zuspitzung. Eine russische Invasion in der Ukraine soll angeblich bevorstehen. Sollte eine Entspannung auf diplomatischem Weg scheitern, drohen allen katastrophale Folgen.
Trotzdem – und unabhängig von der Politik – ist bei aller Unsicherheit zu erwarten, dass es in diesem Jahr auf allen Ebenen zu entscheidenden Weichenstellungen kommt. Das gilt für die Bekämpfung von Corona/Omikron über die monetäre Wende der Notenbanken bis zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft. Dass 2022 ein besonders spannendes Jahr zu werden verspricht, hatten die Propheten schon seit längerem vorhergesagt. Jetzt ist das sicher.
Finanzmärkten drohen heftige Kursschwankungen
Beim Blick auf die Märkte sind dramatische Preisbewegungen als Folge der Ukraine-Krise in den kommenden Tagen nicht auszuschließen. Die bereits hohe Volatilität dürfte noch zunehmen. Auch die anderen Risikofaktoren für Anleihen und Aktien werden ständig korrigiert. Dabei stehen wichtige industrielle Rohstoffe weiter im Fokus der Fachwelt.
Die jüngste umfassende Analyse der Stimmung in der deutschen Wirtschaft macht die anhaltende Ungewissheit und den wiederholten Korrekturbedarf der Zahlen deutlich. Hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferengpässe bremsen nämlich den Aufholprozess der deutschen Wirtschaft. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) senkt vor diesem Hintergrund seine Wachstumsprognose für dieses Jahr. Erwartet wird nun eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 3,0 Prozent, nach zuvor 3,6 Prozent. „Die Konjunktur hält die Luft an“, interpretiert der DIHK. In den Unternehmen herrscht zwar weiterhin eine vorsichtig optimistische Grundstimmung. Viele wissen aber wegen großer Unsicherheiten nicht, wie es weiter geht.
Unternehmen erwarten weitere Kostensteigerungen
Als größte Belastungsfaktoren werden neben der Corona-Pandemie und Lieferengpässen die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie den Fachkräftemangel. Hinzu kommen weitere zu erwartende Kostensteigerungen durch die Transformation beim Klimaschutz. Viele Firmen befürchteten eine Verschlechterung ihrer Position auf den Weltmärkten. Die geringeren Erwartungen hatten auch damit zu tun, dass das vierte Quartal 2021 schwächer als erwartet ausgefallen ist. Das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung nach dem Einbruch 2020 wird laut DIHK voraussichtlich erst zur Jahresmitte erreicht.
Zinsanstieg wirkt sich auf alle Märkte aus
Jüngste Analysen von Banken und Investmentmanagern klingen dennoch überwiegend zuversichtlich – nicht zuletzt mit Blick auf den geldpolitischen Kurs der Währungshüter. Das Zinsniveau hat erfahrungsgemäß einen Einfluss auf die Bewertung der Aktien. Steigende Zinsen sorgen dabei für eine tendenziell fallende Bewertung, da Staatsanleihen als Alternative zu Aktien wieder attraktiver werden. Auch performen Value-Aktien in Phasen steigender Zinsen meistens besser als Wachstumswerte. Da die Inflationsraten im ersten Halbjahr hoch bleiben werden, könnte es immer wieder zu turbulenten Phasen steigender Zinsen kommen und damit zu Druck auf die Aktienmarktbewertung. Dagegen stehen jedoch noch die Dividendenrendite und das Unternehmensgewinnwachstum als Gegengewicht zum Einfluss der Bewertung auf den Total-Return von Aktien.
Hausse am Rohstoffmarkt
Viele Rohstoffe sowohl aus dem Energiesektor als auch Metalle – darunter Eisenerz, Aluminium und Öl – verteuerten sich seit Jahresbeginn um mehr als 10 Prozent. Die Terminmärkte, an denen die Preisbildung für die meisten dieser Rohstoffe stattfindet, signalisieren momentan anhaltende Knappheit vieler Güter. 19 von 28 dieser Rohmaterialien handeln nämlich derzeit in „Backwardation“ – so viele wie zuletzt 1997. Backwardation bedeutet, dass Kontrakte, die kurzfristig fällig werden, zu höheren Preisen gehandelt werden als mittel- oder längerfristige. Dies weist darauf hin, dass auf kurze Sicht kein ausreichendes Angebot zur Verfügung steht, um die Nachfrage zu decken, signalisiert aber Entspannung auf längere Sicht. Ein Rohstoffindex von Bloomberg, der Preise zur sofortigen Lieferung der 28 Rohstoffe abbildet, stieg auf ein Rekordhoch. Dies legt zum einen weiteres Potenzial für Aktien der Produzenten und Minengesellschaften nahe, glauben die Strategen der Deutschen Bank, und dürfte zum anderen auch zur Folge haben, dass Inflationsraten noch eine Weile auf ungewohnt hohem Niveau verharren könnten.
Gold als Krisenmetall stärker gefragt
Fragen Sie sich bitte selbst, ob sie in den nächsten Tagen unbedingt aktiv mit Käufen oder Verkäufen an der Börse sein müssen. Heizöl zu ordern ist jetzt wahrscheinlich wichtiger als Aktien zu kaufen. Im Übrigen teile ich einen Spruch des berühmten amerikanischen Komikers Danny Kaye: „Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.“ Das edle Krisenmetall hat bereits reagiert – noch höhere Goldpreise sind wahrscheinlich.