Ob kurze Jahresschluss-Rally oder eine nachhaltige Trendwende – die Wiederentdeckung der Aktienanlage macht’s spannend. Jedenfalls sorgen sinkende Inflation und damit verbundene Zinsspekulationen für bessere Börsenstimmung.
Allerdings lieferten die Anlageprofis auch zuletzt durchaus unterschiedliche Interpretationen der Wirtschafts- und Börsenperspektiven. Analysten fassten die jüngsten Entwicklungen folgendermaßen zusammen: Ganz allmählich drängen Rezessionssorgen um die US-Wirtschaft in den Vordergrund, während die Inflation nach deutlichen Rückgängen immer weniger Anlass zur Sorge gibt. In der zurückliegenden Handelswoche haben die Börsianer die Disinflation in den USA und im Euroraum gefeiert. Der deutsche Leitindex Dax hat binnen zwei Wochen die Niederungen um 14.600 Punkte hinter sich gelassen und nun wieder Kontakt zur Marke von 16.000 Punkten aufgenommen. Gleichzeitig büßte der Ölpreis über 3 % ein, aus Sorge um die Nachfrage.
Lässt die Risikobereitschaft wieder nach?
Die Jubelstimmung der Anleger ist zuletzt wieder einer gewissen Skepsis gewichen, der Risikoappetit scheint nachzulassen. Nach schwachen Daten zum US-Arbeitsmarkt – die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung haben stärker zugelegt als erwartet – nehmen die Überlegungen zu, dass die Fed mit ihren Zinsanhebungen womöglich überzogen haben könnte. Folglich mehren sich nun die Zinssenkungserwartungen. Sicherheit ist deshalb ähnlich stark gesucht wie zuvor das Risiko. Diese bieten der US-Rentenmarkt und Gold: Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen sank um knapp 20 Basispunkte auf 4,4 %. Sie hat sich damit deutlich von ihrem Jahreshoch von gut 5 % entfernt, auch wenn noch einiges bis zur durchschnittlichen Verzinsung in diesem Jahr von 3,9 % zurückzulegen ist. Der Preis für eine Feinunze Gold legte in der vergangenen Woche um rund 1 % auf 1.983 Dollar zu, getrieben von der Erwartung auf weiter sinkende Zinsen.
Marktstimmung: „Bullen-Stampede“
Dass die Erholung noch kein Signal für einen gesicherten Trend gelten kann, macht der Verhaltensanalyst an der Börse Frankfurt deutlich. Denn Joachim Goldberg schreibt in seinem jüngsten Wochenbericht (Marktstimmung Bullen-Stampede): Auf den Kursschub reagieren Anleger mit gedämpfter Laune, bleiben aber auch long. Das ist für den erfahrenen Sentiment-Beobachter keine gute Ausgangslage eines anhaltenden Aufwärtstrends. Goldberg fasste seine jüngste Erhebung wie folgt zusammen: Champagnerlaune an den Aktienmärkten. Kommentare sehen den Zinsgipfel erreicht. Die hiesigen Investoren reagieren mit gedämpfter Stimmung. Aber nicht, weil sie Gewinne mitgenommen haben, sondern vor allem mit Wechsel von der Seitenlinie auf die Short-Seite.
Unterdessen hat sich die Stimmung unter den befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont gegenüber der Vorwoche etwas eingetrübt. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 7 Punkte auf einen neuen Stand von +28 gefallen. Allerdings nicht, weil es etwa zu Gewinnmitnahmen gekommen wäre.
Tatsächlich ist die Verschiebung auf eine deutliche Reduktion der Gruppe der neutral gestimmten Akteure zurückzuführen. Per Saldo wanderten gut vier von fünf der Wechselwilligen zu den Bären und nur ein Fünftel zu den Bullen. Eine Wanderung, die zumindest, was die neuen Bären betrifft, angesichts des vergleichsweise hohen Dax-Stands nachvollziehbar ist, während der kleine Zuwachs bei den Optimisten unter dem Strich mit hoher Wahrscheinlichkeit in den steigenden Markt hinein stattgefunden haben dürfte.
Auch saisonale Gründe sprechen für Aktien
Der Rückgang der Aktienkurse in den vergangenen Monaten war verbunden mit dem Ausverkauf der Anleihemärkte, erinnern schweizerische Bankstrategen. Der Druck auf die Aktienbewertungen durchsteigende Anleiherendite sollte jedoch nachlassen und die nach wie vor soliden Rahmenbedingungen für Aktien wieder in den Vordergrund rücken. Dazu müssten die Anleiherenditen noch nicht einmal sinken, es würde reichen, wenn die Marktvolatilität sich beruhigt. Auch saisonale Argumente sprechen für Aktien: November und Dezember gehören üblicherweise zu den besten Monaten für diese Anlageklasse. Zudem zeigen mehrere Indikatoren, dass die aktuelle Positionierung von Investoren Spielraum lässt, um Aktienrisiken aufzustocken.
Asset Manager empfehlen Wandelanleihen
Mit dem Ende des Zinserhöhungszyklus dürfte eine überdurchschnittliche Performance kleiner und mittlerer Unternehmen eingehen, also den wesentlichen Emittenten von Wandelanleihen. Dieser Ansicht ist Arnaud Brillois, Portfoliomanager und Analyst bei Lazard Asset Management: „Wir sind der Meinung, dass die Bewertungen vieler Wachstumswerte das höhere Zinsumfeld bereits einpreisen. Wir gehen davon aus, dass das in den Quartalsergebnissen berichtete höhere Umsatzwachstum der weit wichtigere Treiber für die Bewertungen darstellt als der Gegenwind aus den potenziellen Zinserhöhungen.“ Zumal die Daten des dritten Quartals eine deutliche Verlangsamung der weltweiten Inflation gezeigt hätten. In den USA zum Beispiel habe der Preisdruck deutlich nachgelassen. Deshalb habe die US-Notenbank Fed in ihrer jüngsten Prognose erklärt, dass sie sich dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähere.
Wandelanleihen bieten Risikoabbau plus Rendite
Die Strukturen von Wandelanleihen sind für Anleger nach wie vor günstig, betont Brillois. Dies sei besonders in volatilen Zeiten relevant. „Viele Wandelanleihen bieten attraktive Renditen wie beispielweise im Technologiesektor: Hier werfen rund die Hälfte der Convertibles über 5 Prozent pro Jahr ab“, so der Experte. Darüber hinaus böten diese Anleihen mit der Wandeloption ein gewisses Aktienengagement, das bei einer Börsenrallye eine zusätzliche potenzielle Renditequelle darstelle. „Diese Konstellation bedeutet auch, dass Wandelanleihen im Durchschnitt relativ nahe an ihrem Bond-Floor liegen. Das bietet in Zeiten des Risikoabbaus oder höherer Volatilität einen wichtigen Schutz nach unten.“