Dax-Rekord vertreibt die Sorgen noch nicht

von | 22. Mai 2023 - 08:30 | Kutzers Corner

Dax mit neuem Rekord – heißt das „Freie Fahrt!“ für den deutschen Aktienmarkt? Nein. Erst wenn die großen Problembrocken aus dem Weg geräumt sind, können die Anleger erleichtert aufatmen.

Der neue Verlaufsgipfel des Leitindex von 16.332 am Freitag ist keine Überraschung mehr. Nur sollten die Anleger das nicht als Signal zum Gas geben sehen. Die Woche vor Pfingsten (vor allem deren Verlauf) könnte nach meinem Bauchgefühl so etwas wie eine kritische Probefahrt werden. Denn die kritischen Problemfelder sind ja noch nicht ausgeräumt oder wirken noch nach: Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, Energiekrise, Inflation, Zinsanstieg. Dazu strahlt die Unsicherheit der Wall Street wegen des anhaltenden US-Schuldenstreits negativ aus.

Trotz des aktuell historischen Kursniveaus bleiben Experten skeptisch und mahnen vor der für die Börsen tendenziell belastenden Gemengelage. Der jüngste Rekord sei einer daher „der unbeliebteste aller Zeiten“ und gebaut auf einer „Mauer aus Angst“, schreibt Analyst Daniel Saurenz von Feingold Research. Denn viele Anleger, vor allem Profis, hätten die Rally verpasst und müssten verzweifelt hinterher kaufen. Das sei jedoch angesichts des enormen konjunkturellen Gegenwinds absurd.

Nächster Ifo-Indikator schwächer?

Nach anderen schwachen Wirtschaftsindikatoren dürfte auch der besonders stark beachtete Ifo-Geschäftsklimaindex sinken (Veröffentlichung am Mittwoch). Am Szenario einer sich allmählich belebenden Konjunktur sollte trotzdem nicht gerüttelt werden, ist bei Helaba Research zu lesen. Für das Ifo-Geschäftsklima muss nach sechs Anstiegen in Folge im Mai mit einem Rückgang gerechnet werden. Bereits die Befragungen der Finanzanalysten durch Sentix und das ZEW haben gezeigt, dass sich zuletzt die Konjunkturerwartungen und die Einschätzung der aktuellen Lage wieder eingetrübt haben. Die schwachen deutschen Konjunkturindikatoren für März haben sicherlich hierzu beigetragen. Sowohl Aufträge und Produktion als auch Außenhandel sowie Einzelhandelsumsätze hatten sich deutlich verschlechtert.

Rezessionsängste sind wieder aufgekommen.

Nach bisherigem Datenstand konnte die deutsche Wirtschaft eine technische Rezession vermeiden. Nach dem starken Minus von 0,5 % im vierten Quartal 2022 stagnierte die Wirtschaftsleistung im ersten Vierteljahr. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht in der neuen Woche eine zweite Schätzung inklusive der Komponenten. Nach den extrem schwachen Märzzahlen, die dem Amt bei der ersten Schätzung bestenfalls vorläufig vorlagen, ist eine Abwärtsrevision nicht auszuschließen. Die Zahlen werden auch zeigen, wie stark der private und öffentliche Konsum gesunken sind. Investitionen und Exporte hingegen legten nach ersten Wiesbadener Ergebnissen zu.

Aber Konjunktur wird allmählich besser

Konjunkturelle Trübsal sollte bei den Prognostikern nicht vorherrschen, geben sich andere Strategen gelassen. Auch wenn das Ifo-Geschäftsklima im Mai tatsächlich sinken sollte, liegt es doch deutlich höher als noch im Oktober letzten Jahres. Am Szenario einer sich allmählich bessernden Konjunktur muss bei niedrigeren Energiepreisen nicht gerüttelt werden, heißt es in einer Analyse von Allianz Global Investors (AllianzGI). Sinkende Inflationsraten und deutlich höhere Tarifabschlüsse werden es den Verbrauchern im zweiten Halbjahr ermöglichen, ihre Konsumausgaben zu stabilisieren. Das GfK-Konsumklima ist siebenmal in Folge gestiegen, liegt aber noch unter dem Corona-Tiefpunkt des Jahres 2020. Diesmal dürfte es sich nur leicht erhöht haben.

Was können wir also für die Zukunft schließen? Laut AllianzGI fällt zunächst auf, dass während der Ukrainekrise und der folgenden Energiekrise, gefolgt von Handelssanktionen und politischen Verwerfungen, Unternehmen eine noch nie dagewesene Anpassungsfähigkeit bewiesen haben. Möglicherweise haben reine Volkswirte das unterschätzt.

Aktien werden langfristig die Favoriten

Die Rentenmärkte, gemessen an der inversen Zinsstruktur, lassen das Gegenteil dessen erwarten, was der Aktienmarkt mit neuen Höchstständen sagt. Wer also behält recht? Langfristig behalten aus historischer Erfahrung heraus die Unternehmen am Aktienmarkt die Oberhand. Aber es kann dauern, wenn zunächst eine mehr oder weniger ausgeprägte Rezession durchgestanden werden muss, wie es der Anleihenmarkt vorwegnimmt. Geduld ist gefragt.

Ähnlich klingt es von Seiten der technischen Analyse. So heißt es bei Donner & Reuschel: Dadurch (nach dem Dax-Gipfel) ergibt sich nun nach wie vor ein mittelfristiges Kursziel von rund 16.600 Punkten. Man sollte daher weiterhin keinesfalls der Börsenweisheit „Sell in May an go away“ blind folgen. Es kann ein insgesamt durchaus erfreulicher Handelsmonat werden. Saisonalitäten und Börsenweisheiten geben oft eine gewisse Richtung vor. Aber erstens kommt es oft anders, und zweitens als man denkt. Trendfolger können weiterhin recht entspannt bleiben.

„Am Ende wird alles gut, … “

Noch stärker betone ich (als bekennender Botschafter der langfristigen Aktienanlage), dass gerade jetzt Geduld eine wesentliche Voraussetzung für den Anlageerfolg ist. Denn: „Am Ende wird alles gut. Und ist es noch nicht gut, so ist es noch nicht am Ende.“ Allerdings ist eine meiner Sorgen (schon seit Monaten) weitaus größer als es die meisten Analysten zugeben: Eine weitere Zuspitzung des Ost-West-Verhältnisses könnte die Entwicklungen von Wirtschaft und Börsen nachhaltig und schwer beschädigen …

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