Alle diskutieren über Inflation und Zinsen, aber sind die jüngsten Kurskorrekturen nicht übertrieben? Kein Tag mehr ohne „Zinsangst“ der Börsianer, weil sie mittlerweile wissen, dass die geldpolitische Wende naht. Das allein sollte die Marktteilnehmer aber nicht nachhaltig belasten. Ich bin überzeugt, dass die Fülle von kritischen Faktoren den Ausschlag gibt. Zugleich erschweren unterschiedliche Entwicklungen (nicht nur bei den Leitzinsen) in den führenden Industrieländern die Meinungsbildung. Man könnte auch sagen: Die Börse ist momentan überfordert.
Große Investmentstrategen wie Allianz Global Investors passen ihre jüngsten Analysen entsprechend an: Die Inflation drückt, der Zug der Währungshüter schwenkt mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit darauf ein. Die Zentralbankliquidität wird in der Folge nur sehr langsam weniger. Die Europäische Zentralbank gehört geldpolitisch unverändert zu den Zauderern, und dass obwohl es immer eindeutiger wird, dass die Preisveränderungen im Euroraum zwar auch – aber eben nicht nur! – vorübergehender Natur sind. Quälend langsam nur scheint sich die EZB darauf einzustellen und belässt es bei vorsichtigen Veränderungen ihrer Wortwahl. Demographie und Dekarbonisierung sind dabei die zwei großen D, auf die sie sich einstellen muss, aber da ist eben auch noch ein drittes „D“ – das der fiskalischen Dominanz. Je höher die Zinsen, desto höher die Zinslast der öffentlichen Haushalte. Eine einfache Mechanik.
Die Fed bleibt im Blickpunkt
Die kommende Woche verspricht vor allem geldpolitisch besonders interessant zu werden. Der zuständige Ausschuss der US-Zentralbank tagt. Der Abbau der Aufkaufprogramme („Tapering“) rollt. Und im März sollte mit einem ersten Zinsschritt gerechnet werden. Die Fed ist massiv „behind the curve“ (also im Rückstand), schreibt AllianzGI. Und es wird spannend zu sehen, inwieweit auch eine Bilanzreduzierung thematisiert wird. Die Geldmärkte haben sich bereits auf die drei Zinsanhebungen 2022 eingestellt. Manche Strategen sind etwas „hawkischer“ (falkenhafter) und stellen sich sogar auf vier Schritte ein.
Wichtige Stimmungsindikatoren
Neben der Geldpolitik und den täglichen Corona-Meldungen dominieren Stimmungsindikatoren den Datenkalender. Den Auftakt bilden am Montag die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Euroland. Am gleichen Tag steht auch der Nationale Aktivitätenindex der Chicago Fed zur Veröffentlichung an. Einer der Datenhöhenpunkte sollte der Ifo-Geschäftsklimaindex am Dienstag für Deutschland sein. Die Bundesrepublik zeigte im Vergleich der Industriestaaten 2021 nur eine verhaltende Erholung nach der Krise, umso wichtiger wird es jetzt zu sehen, ob das Geschäftsklima von Lieferkettenproblemen und der vierten Corona-Welle überschattet wird, oder ob sich für den Jahresverlauf der allseits erhoffte kräftige Wiederaufschwung abzeichnet. Am Donnerstag dann stechen das GfK-Konsumentenvertrauen für Deutschland und die Auftragseingänge der Gebrauchsgüter für die USA hervor. Zum Wochenschluss folgt die vorläufige Schätzung des deutschen Bruttoinlandsproduktes für das 4. Quartal 2021. Aktive Anleger werden aber vor allem auf die Lageberichte einiger populärer Konzerne achten.
Sachkapital bleibt mittel- bis langfristig attraktiv
Über alle Unsicherheiten hinweg dürften die absehbaren Entwicklungen im Börsenumfeld das Sachkapital – also vor allem Aktien und Rohstoffe – mittel-bis langfristig begünstigen. Man könnte auch sagen: Obwohl sich die monetären Rahmenbedingungen nach vielen Jahren jetzt zu ändern beginnen, müssen Anleger ihre Strategie nicht ändern. Denn der Rentenmarkt ist weiterhin keine Alternative, wird es also auch 2022 nicht. Entscheidend ist, dass der Realzins (Zins abzüglich Inflation) im Minus bleiben wird.
Wer sein Anlagekapital bisher weitestgehend auf Sachwerte konzentriert hat, kann den nächsten Tagen gelassen entgegensehen – insbesondere, wenn er mit einem weiten Zeithorizont investiert hat.